Kölner Philharmonie

Gürzenich-Orchester Köln

Andres Orozo-Estrada
Foto: Julia Sellmann
Andres Orozo-Estrada
Foto: Julia Sellmann

Glücksgriff
Konzert - Bartók & Brahms

Andrés Orozco-Estrada Dirigent



Béla Bartók (1881 - 1945)
Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta Sz 106

Béla Bartók wurde in Nagy Szent-Miklós, Ungarn, geboren und erhielt seine erste musikalische Ausbildung durch seine Mutter. Seit 1894 studierte er Komposition in Pressburg, zwei Jahre später Komposition und Klavier an der Musikakademie in Budapest. In seinem kompositorischen Schaffen orientierte er sich anfänglich an Liszt, mit seinen eigenständigen, die Tonalität verlassenden Kompositionen aber erregte er heftigste Ablehnung. Er erhielt zwar 1907 eine Professur für Klavier, doch 1912 zog er sich von jeder öffentlichen Tätigkeit zurück und widmete sich neben seinen Konzertreisen als Pianist ausschließlich dem Komponieren und der Erforschung des ungarischen Volksliedgutes. 1940 emigrierte er in die Vereinigten Staaten, wo es ihm schwer fiel, Fuß zu fassen. Zudem behinderte sein schlechter Gesundheitszustand seine Arbeit stark. Er starb am 26. September 1945 in New York.
Béla Bartóks "Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta" entstand 1936 als Auftragswerk des Basler Kammerorchesters und wurde am 21. Januar 1937 unter Paul Sacher uraufgeführt. Die vier Sätze sind von äußerst verschiedenartiger Physiognomie. Dabei ist gerade der erste Satz ("Andante tranquillo") in seiner erlebbaren Gesamtgestalt ein Wunderwerk architektonischer Unbeirrbarkeit, Bartók zufolge eine "nach gewissen Prinzipien ziemlich streng durchgeführte Fugenart". Metrisch bleibt es, bei ständig wechselnden Taktarten, die ganze Zeit über in der Schwebe, was den fließenden Übergängen zwischen entschieden verlaufender Vielstimmigkeit und gelegentlicher Legierung der einzelnen Stimmen zu gebündelter klanglicher Kraft ein zusätzliches suggestiv-magisches Moment verleiht. Ausgangs- und Endpunkt des Satzes ist das tonale Zentrum ‚a', der Höhepunkt ist auf das maximal entfernte, auf der anderen Seite des Quintenzirkels gelegene ‚es' zentriert, das Schritt für Schritt, Quinte um Quinte in beiden Richtungen erreicht und wieder verlassen wird, indem alle geradzahligen Themeneinsätze quintaufwärts, alle ungeradzahligen quintabwärts führen. Das Thema selbst gliedert sich in vier melodisch engmaschige Phrasen, die bis zum fünften Einsatz exakt imitiert werden und erst später in Verkürzung, Engführung oder Umkehrung auftreten. Der harmonischen Symmetrie entspricht die dynamische: Aus anfänglichem Pianissimo wächst es an zu äußerstem Fortissimo, um in extremem Pianissimo zu schließen. Dabei ist der Schlussabschnitt, der durch die gleichförmigen Figurenschleier der Celesta einen enigmatisch stillstehenden Zug erhält, durchwoben vom gleichzeitigen Auftreten des Themas und seiner Umkehrung. In den letzten drei Takten wird die Gegenbewegung aufs Radikalste vereinfacht, beschwört noch einmal in symbolhafter Verkürzung den harmonischen Werdegang des ganzen Satzes. - Den zweiten Satz ("Allegro") bezeichnete Bartók als "Sonatenform". In der Durchführung erscheint auch das Thema des ersten Satzes in veränderter Gestalt, ferner eine Anspielung auf das Hauptthema des vierten Satzes. Die Wiederkehr ändert den 2/4-Rhythmus der Exposition in einen 3/8-Rhythmus. Auch dieser Satz ist motivisch mit höchster Disziplin gearbeitet, gewinnt aber den wenigen, einfachen Bausteinen ein Maximum an Vielgestaltigkeit ab, wendet die seinerzeit verwegenen Pizzicato-Techniken in elaboriert musikantischer Weise an. Wie stets ist bei Bartók kein technisches Mittel sinnleerer Selbstzweck. Alles ist Essenz, nichts überflüssige Dekoration. - War der erste Satz harmonisch spiegelförmig angelegt, so ist es der dritte Satz ("Adagio") in der motivischen Beziehung der Teile zueinander. Diese 'Brückenform' hatte zuvor ganze Werke wie das vierte und fünfte Streichquartett oder das zweite Klavierkonzert geprägt: "A-B-C-B-A. Zwischen den einzelnen Abschnitten erscheint je ein Abschnitt des Themas des ersten Satzes." Gleich einem Ritual steht am Anfang und Ende die naturhafte rhythmische Beschleunigung und Verlangsamung des Xylophons. Die Melodik der Rahmenabschnitte hat etwas Improvisatorisch-Träumerisches mit überwiegender rhythmischer Artikulation kurz-lang. In den Zwischenabschnitten wird die chromatische Melodie, die bei der Wiederkehr im Kanon erscheint, mit kühl schillernder Instrumentation umsponnen. Der Mittelteil mündet über eine Steigerung in der perkussiv figurierenden Grenzzone zur Atonalität am Höhepunkt in ein Fünftonmotiv von gespenstischer Wandelbarkeit: das Zentrum des Satzes, direkt und fasslich, wie alle Ausbrüche bei Bartók eine Emphase der Nüchternheit, unprätentiös herauskristallisierte Folge der dem Satz innewohnenden, einander widersprechenden Energien. - Der vierte Satz ("Allegro molto") ist eine Reihungsform, die scharf kontrastierende Episoden miteinander verschränkt. In einem "Presto strepitoso" wird das Tempo ad absurdum geführt, und als eine weitere Temposteigerung nicht mehr möglich ist, kommt "Molto moderato" das Hauptthema des ersten Satzes wieder, "aber in einer aus der ursprünglichen chromatischen ins Diatonische ausgedehnten Form". Allmählich gewinnt Chromatik in veränderter Form (als Clusterparallelen) wieder die Oberhand. Die Coda bringt das Hauptthema zurück und endet in reinem A-Dur.

Johannes Brahms (1833-1897)
Sinfonie Nr. 2 D-Dur op. 73

Der gebürtige Hamburger erhielt den ersten Musikunterricht von seinem Vater, der als Unterhaltungsmusiker und später im städtischen Orchester mehrere Instrumente spielte. Stundengeben, Bearbeitungen von Tanzmusik und Klavierspiel in Theatern verschafften ihm seinen ersten Verdienst als Musiker. Kein Geringerer als Robert Schumann machte 1853 die musikinteressierte Welt in einem geradezu enthusiastischen Artikel in seiner "Neuen Zeitschrift für Musik" auf die Bedeutung des jungen, damals noch wenig bekannten Komponisten aufmerksam: "Ich dachte, [ ... ] es würde [ ... ] einmal plötzlich Einer erscheinen, der den höchsten Ausdruck der Zeit in idealer Weise auszusprechen berufen wäre, einer, der uns die Meisterschaft nicht in stufenweiser Entfaltung brächte, sondern, wie Minerva, gleich vollkommen gepanzert aus dem Haupte des Kronion spränge. Und er ist gekommen, .... Er heißt Johannes Brahms." Brahms' Begegnungen mit dem Geiger Joseph Joachim, mit Clara und Robert Schumann, mit Franz Liszt und mit dem Dirigenten Hans von Bülow führten in den fünfziger Jahren zu wichtigen kompositorischen Befruchtungen und sich stetig ausbreitendem Ruhm. Nach einigen Jahren als Hofmusikdirektor in Detmold übersiedelte der Komponist 1864 nach Wien, wo er sich 1869 endgültig niederließ und trotz mehrerer öffentlicher Funktionen vorwiegend von seinem Komponieren lebte. Von den musiktheoretischen Richtungskämpfen, in denen er, ohne es zu wollen, das "Haupt" einer angeblich konservativen Partei verkörperte, versuchte er sich möglichst fernzuhalten. Bis ins hohe Alter, das ihm viele Ehrungen brachte, beschäftigte er sich intensiv mit der Geschichte der Musik bis zurück in die Renaissance und blieb gleichzeitig den musikalischen Entwicklungen seiner Gegenwart zutiefst verbunden.
Während die erste Sinfonie Brahms rund fünfzehn Jahre lang beschäftigte - mit einigen Unterbrechungen allerdings -, entstand die zweite Sinfonie innerhalb weniger Monate und gleichsam in einem Zug. Den Sommer 1877 verbrachte Brahms in Pörtschach am Wörthersee, und dort begann er auch mit der Komposition des Werkes. Im Oktober desselben Jahres war die Arbeit nach Ausweis verschiedener Briefzeugnisse abgeschlossen. Am 30. Dezember 1877 fand in Wien die Uraufführung im Rahmen der Philharmonischen Konzerte unter Leitung von Hans Richter statt. Der Erfolg war groß, die Kritik äußerte sich überwiegend anerkennend bis enthusiastisch. Nach dieser erfolgreichen Wiener Uraufführung konnte sich das Werk auch bei den rasch folgenden Aufführungen in vielen anderen Städten durchsetzen. Bis heute ist die zweite Sinfonie die populärste und eingängigste der vier Sinfonien von Brahms geblieben.
Zur Charakterisierung der Stimmungen des Werkes sei es einmal gestattet, aus der zeitgenössischen Kritik zu zitieren, und zwar aus einer Besprechung der Wiener Uraufführung, die Eduard Hanslick, der "Kritikerpapst" des damaligen Wiener Musik- und Theaterlebens und zugleich einer der einflussreichsten Befürworter von Brahms, für die Neue Freie Presse verfasste: "Die vor einem Jahr aufgeführte erste Symphonie von Brahms war ein Werk für ernste Kenner, die dessen fein verzweigtes Geäder ununterbrochen verfolgen und gleichsam mit der Loupe hören konnten. Die zweite Symphonie scheint wie die Sonne erwärmend auf Kenner und Laien, sie gehört allen, die sich nach guter Musik sehnen, mögen sie die schwierigste fassen oder nicht. [ ... ] Brahms' neue Symphonie leuchtet in gesunder Frische und Klarheit; durchweg faßlich, giebt sie doch überall aufzuhorchen und nachzudenken. Allenthalben zeigt sie neue Gedanken und doch nirgends die leidige Tendenz, Neues im Sinne von Unerhörtem hervorbringen zu wollen. Dabei kein schielender Blick nach fremden Kunstgebieten, weder verschämtes noch freches Betteln bei der Poesie oder Malerei - Alles rein musikalisch empfangen und gestaltet, und ebenso rein musikalisch wirkend. Als ein unbesiegbarer Beweis steht das Werk da, daß man (freilich nicht jedermann) nach Beethoven noch Symphonien schreiben kann, obendrein in den alten Formen, auf den alten Grundmauern.[ ... ] Der Charakter (der zweiten Sinfonie) ließe sich ganz allgemein bezeichnen als ruhige, ebenso milde als männliche Heiterkeit, welche einerseits zum vergnügten Humor sich belebt, andererseits bis zu nachsinnendem Ernst sich vertieft. Schon der erste Satz, den, ohne weitere Einleitung, gleich ein sanftes dunkles Hornthema beginnt, hat etwas Serenadenartiges, eine Stimmung, die noch mehr im Scherzo und Finale hervortritt. Dieser erste Satz, ein Allegro moderato in Dreiviertel-Tact, umspült uns wie eine klare melodiöse Welle, auf welcher wir, unbeirrt von zwei leicht auftauchenden Mendelssohnschen Reminiscenzen, uns wohlig schaukeln. Diesem Satz, dessen letzte fünfzig Tacte in neuer melodiöser Schönheit aufleuchten, folgt ein breites gesangvolles Adagio in H-Dur (Adagio non troppo), welches mir in der sinnigen Verarbeitung der Themen bedeutender erscheint, als in den Themen selbst. Auf das Publikum macht es aus diesem Grunde geringere Wirkung, als die übrigen drei Sätze. Reizend klingt das Scherzo (Allegretto grazioso - quasi Andantino), ein anmutiges Neigen und Beugen in Menuett-Tempo (Allegretto G-Dur), das durch ein flüchtig, wie Funken aufsprühendes Presto im Zweiviertel-Tact zweimal unterbrochen wird. Das Finale (D-Dur, Vierviertel-Tact) (Allegro con spirito), etwas belebter, aber noch immer behaglich in seiner goldenen Heiterkeit, hält sich weit abseits von den stürmischen Finalsätzen moderner Schule; es fließt Mozartsches Blut in seinen Adern."

Heidi Rogge

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Letzte Aktualisierung: 09.10.2025 18:01 Uhr     © 2025 Theatergemeinde BONN | Bonner Talweg 10 | 53113 Bonn