Männer und andere Irrtümer (Marie Pascale Osterried und Michèle Bernier) - Kleines Theater - kultur Nr. 181 - November 2023

- Männer und andere Irrtümer
Foto: Patric Prager

Männer und andere Irrtümer
Foto: Patric Prager
Trotziges weibliches Solo
Feuer frei auf das ach so starke Geschlecht? Ach nein, Frauen suchen die Irrtümer ja meistens bei sich selbst.
Und wenn einer ihrer größten Irrtümer, also der männliche Teil der ehelichen Gemeinschaft, sich davon
macht, greifen sie zuerst zur Pistole und dann zur Pralinenschachtel, was
natürlich beides ein Irrtum ist. Wenn Männer in die Jahre kommen, erscheint
Le Démon du Midi (auf NeuDeutsch:
MidlifeCrisis).
So hieß der
1996 erschienene Comic der Französin Florence Cestac, den die
Autorinnen Marie Pascale Osterried und Michèle Bernier in ein
erfolgreiches Bühnenstück verwandelten.
Da liegt die Betrogene nun im roten Bademantel ziemlich
derangiert auf dem Sofa und hält sich die (Spielzeug)
Pistole an
den Kopf. Dämonenalarm im bürgerlichen Paradies. Wie es so
läuft, wenn die Ehe deutliche Bruchstellen bekommt. Plötzlich
dauerten seine Sitzungen bis zum frühen Morgen, ständig gab es
Wochenendtermine und zur Not eine Autopanne in Solingen.
Kurz und schlecht: Der Gatte hat sich einer jüngeren „schönen
Fee“ zugewandt. Die Angetraute hat ihn rausgeworfen. Dabei
waren sie doch mal eine glückliche Familie mit Haus, Ferienwohnung,
Zweitwagen und reizendem Kind. Aber keine Sorge:
„Ich bring mich doch nicht wegen einem Kerl um“. 2006 spielte
Anita Kupsch die Rolle schon glänzend im ContraKreis.
Im Kleinen
Theater ist nun Tanja Haller, die eine Zeit lang zum Bonner
PantheonEnsemble
gehörte, die Heldin des Solostücks Männer
und andere Irrtümer.
In der ungemein flotten, einfallsreichen Inszenierung von Anna
Baumgart (Regie und Ausstattung) präsentiert Haller mit
sarkastischem Witz und einer Menge Selbstironie alle Phasen dieser
Szenen einer Ehe: Liebe, Enttäuschung. Schmerz, Verzweiflung, Selbstvorwürfe,
Wut, Trotz. Sie macht das fabelhaft, zieht munter alle KlischeeRegister,
bezieht das Publikum geschickt als Dialogpartner ein und lässt
keinen Zweifel daran, dass alles Theater ist. Es gibt also viel zum Lachen
und zwischendurch häufig Szenenbeifall für die brillante Comedienne.
Allein ihr Kampf mit der EntsaftungsMaschine
ist schon einen Applaus
wert. Mit vollem körperlichem und mimischem Einsatz karikiert sie über
zwanzig Figuren, die mehr oder minder hilfreich mitwirken bei der Schadensbegrenzung.
Natürlich ist da der ehemalige Hausherr, der sich irgendwann nur noch
einsilbig vor dem Fernseher lümmelte. Dann ist da noch ihre bäuerliche
Familie auf dem Land mit ihrem bodenständigen Fatalismus. Es gibt die
besten Freundinnen mit allerhand Ratschlägen (Schuhe aus der
eindrucksvollen Sammlung im Regal markieren die köstlich überzeichneten
Charaktere), und im Zweifel kann frau heutzutage auch noch Siri fragen.
Oder ins Kino gehen. Nützt alles nicht viel, wenn man sich lieber unter
der Bettdecke verkriecht und ständig zwischen tröstenden Kuschelkissen
nach dem Handy sucht. Vor allem jedoch ist da der Albtraum von
der bösen Fee mit süßem Quietschestimmchen und spitzem rosa Hut,
die auf einer mit Plastikblumen geschmückten Schaukel ihren neuen
Märchenprinzen anhimmelt.
Nach der Pause scheint die Eiszeit der Gefühle erst mal überwunden. Der
mit Schokolade und Burgern gefüllte Kühlschrank als bester Freund hat
sowieso bloß fatale Folgen für die Figur. Also nur Mut: Es gibt nichts Besseres
als vom Ehemann verlassen zu werden. Endlich Freiheit für neue
Abenteuer! Das mit den verflossenen JugendLiebschaften
ist zwar reichlich
enttäuschend, und die Nummer als Dummchen im Baumarkt oder
supergeile ClubPartys
bringen auch nicht den erhofften Erfolg.
Dann steht der treulose Typ wieder sorgenvoll vor der Tür und hat auf
alle Fragen nur eine Antwort: „Ich weiß es nicht“. Vielleicht hilft nun doch
ein beherzter Griff zur Schusswaffe? Egal mit welchem Ausgang, für sie
steht fest „Ich liebe das Leben“. Vicky Leandros‘ alter Schlagerhit bleibt
unsterblich. Von der neuen deutschen Welle der 1980er Jahre grüßt der
DÖFSong
„Ich düse, düse… im Sauseschritt“. Hass muss nicht sein, besser
gönnt frau sich einfach Spaß am Dasein. Rund 25 Jahre nach der Pariser
Uraufführung zeigt die neue Inszenierung das alles amüsant aufgefrischt
mit flott getakteten, treffsicheren Pointen und hohem realem
Wiedererkennungswert. Irren ist ohnehin menschlich, unabhängig vom
Geschlecht. Schlussfrage: „Denken Sie noch an die perfekte Ehe?“ Klare
Antwort des Premierenpublikums: Stürmischer Beifall, Jubelrufe und
Standing Ovations für die famose Schauspielerin. (E.E.K.)
Montag, 03.06.2024
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