Die Wahrheit über Dinner for One - Contra-Kreis-Theater - kultur 162 - Januar 2020

Die Wahrheit über Dinner for One
Foto: Contra-Kreis-Theater
Die Wahrheit über Dinner for One
Foto: Contra-Kreis-Theater

The same procedure as every year …

Bekanntlich sind Miss Sophies Freunde mit der Zeit verblichen. Butler James muss also selbst einspringen, um der alten Lady zu gratulieren. Die Wahrheit ist, dass Miss Sophies 90. Geburtstag seit 1972 in Deutschland jedes Jahr an Silvester gefeiert wird, dass James genau elfmal über das berühmteste Tigerfell aller Zeiten stolpert und dass „Dinner for One“ seit 1988 im Guinnessbuch der Rekorde als weltweit am häufigsten wiederholte Fernsehproduktion aufgeführt wird. Wahr ist auch, dass der geniale Sketch 1962 von Peter Frankenfeld in der englischen Küstenstadt Blackpool (bekannt als Vergnügungsort für weniger Betuchte), entdeckt wurde und 1963 in den Studios des NDR aufgezeichnet wurde. Der britische Schauspieler Freddie Frinton starb 1968, seine Kollegin May ­Warden 1978, aber ihr Dinner for One bleibt unsterblich. Wer sich immer schon mal nach der Geschichte dahinter gefragt hat, sollte auf keinen Fall Die Wahrheit über Dinner for One verpassen, auch wenn wir da eher für Bühnenwirklichkeit als für historischen Wahrheitsgehalt garantieren können.
Die pfiffig konstruierte Komödie von Ferdinand Haas feierte kürzlich ihre umjubelte Bonner Premiere im Contra-Kreis-Theater, inszeniert von ­Florian Battermann, der das Stück vor einem Jahr an seiner Braunschweiger Komödie am Altstadtmarkt herausbrachte. Live und im originalen Schwarzweiß (Bühne: Uli Wolff, Kostüme: Daniela Eichstaedt). Grau wie sein Anzug wird freilich die zunehmend verfinsterte Gemütslage des Theaterchefs Edward Taylor, der in seinem Wintergarden-Varieté zu Silvester gleich fünf Vorstellungen angesetzt hat. Alle ausverkauft! Und dann sagt die Hauptdarstellerin kurzfristig wegen Schwangerschaft ab – und das in ihrem Alter! Thomas Henninger von Wallersbrunn mimt nicht nur den verzweifelten Prinzipal, sondern stürzt auch regelmäßig echt über den verdammten Tigerkopf, was ihm verdienten Szenen-Beifall einbringt.
Aber es gilt das eherne Gesetz. „The Show must go on!“ Wie Eddy tränenselig den zufällig vor Ort weilenden Star May Warden davon überzeugt, als Miss Sophie einzuspringen, beweist sein Talent zur Tragödie. Manon Straché, jahrelang als Blumenhändlerin in der „Lindenstraße“ aktiv, ist nicht nur ein üppiger Schatz (inkl. Rasse-Katze Gipsy), sondern eine fabelhafte Diva mit viel Herz und Verstand. Dass sie auch noch in die Rolle einer frankophonen Stewardess aus Toronto und einer Hollywood-Agentin schlüpft, hat jedoch einen besonderen Grund namens Freddie Frinton, ihrem Ex-Mann (inkl. Hund Mortimer), souverän verkörpert von Peter Nottmeier. Die beiden haben sich geschworen, nie wieder gemeinsam auf der Bühne zu stehen, und verschwören sich nun zur Verhinderung der Aufführung. Zwei Herren erscheinen gar nicht erst zur Probe. Henry King (köstlich: Botond von Gaal als naiver Tenor-Lockenkopf mit Hang zum Gin) lässt sich relativ leicht ausschalten. Der junge Laurence Hill (David Imper als eitler Möchtegern-James Dean) wird flugs nach Los Angeles entsorgt. Mitsamt der reizenden Regie-Assistentin Doris Cooper (als diensteifrige Blondine: Ronja Geburzky).
Schöner als hier kracht selten ein Tisch vor der Pause zusammen und wird dann neu gedeckt (Leim oder Nägel, das ist hier die Frage) für das traditionelle Geburtstagsmenü von Miss Sophie mit der bekannten Getränkefolge. Die Gäste Sir Toby, Admiral von Schneider, Mr. Pommeroy und Mr. Winterbottom haben leider das Zeitliche schon gesegnet, aber Butler James torkelt wie eh und je herum und begleitet seine Arbeitgeberin bis zum finalen „I’ll do my very best.“
Von den ursprünglichen Akteuren blieben halt nur zwei privat verfeindete Superprofis übrig. Für unvergessliche knapp 20 Minuten. Die Hintergründe sind jedoch so gut erfunden, dass man alle Brexit-­Turbulenzen vergessen darf. Riesenapplaus und Standing Ovations für einen genialen Theaterklamauk und das bestens aufgestellte Ensemble.
E.E.-K.

Spieldauer ca. 2 ½ Stunden inkl. Pause
Die nächsten Vorstellungen:
täglich bis 5.01.20 (außer montags)

Donnerstag, 23.01.2020

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