Klaus Zmorek - kultur 155 - April 2019

Klaus Zmorek
Foto: Thilo Beu
Klaus Zmorek
Foto: Thilo Beu

Wladimir, Acaste und Recherchen in Malta - Elisabeth Einecke-Klövekorn trifft Klaus Zmorek

Momentan arbeitet er relativ selten im großen Schauspielhaus in Bad Godesberg. In Molières Menschenfeind spielt er den Intriganten ­Acaste. Bei der Premiere sprang sein Kollege Timo Kählert ein, weil Zmorek sich verletzt hatte: „Mein erster Bühnenunfall überhaupt und hoffentlich auch der letzte.“ Ansonsten ist er vor allem auf der Werkstattbühne im Opernhaus zu erleben. Es begann dort im Herbst mit der Uraufführung von Wer ist Walter? der jungen Schweizer Autorin Ariane Koch. „Die Inszenierung von Simone Blattner hat ein hohes Tempo und macht Spaß. Es ist eine zeitgemäße Form, fragmentarisch und assoziativ. Wir wollen Gedankenräume öffnen, bei denen man doch einem Narrativ folgen und Bilder mitnehmen kann. Schön, wenn das Publikum unsere Schneise durch das skurrile Textgeflecht unterhaltsam findet.“
Ein Publikumsrenner ist aktuell Becketts Warten auf Godot. In der witzig mit Klängen spielenden Regie von Luise Voigt verkörpert Zmorek den Wladimir. Natürlich ist allein diese Rolle fast schon ein Grund, nach etlichen Jahren als freier Schauspieler wieder ein festes Engagement anzunehmen. Zum Theater kam Klaus Zmorek, 1957 geboren in der pfälzischen Ortsgemeinde Lemberg nahe an der Grenze zu Frankreich, eher zufällig. Zmorek begann an der Frankfurter Universität ein Studium der Germanistik und Geschichte. Ein Mitbewohner seiner WG macht ihn auf Angebote für Laiendarsteller aufmerksam. So landete er in der Statisterie der Oper Frankfurt, die unter dem legendären, kürzlich mit 91 Jahren verstorbenen Generalmusikdirektor Michael Gielen zu einem der führenden Häuser Europas aufstieg. „Gielen war ein analytischer Dirigent und eine faszinierende Persönlichkeit, die mein Musikverständnis entscheidend prägte.“
Einen seiner ersten Auftritte hatte Zmorek 1980 im Bewegungschor in der berühmt gewordenen Frankfurter Inszenierung von Verdis Aida in der Regie von Hans Neuenfels. „Danach stand für mich fest: Ich möchte an einer staatlichen Schauspielschule weiterstudieren. Neuenfels selbst gab mir Tipps für Vorsprechrollen.“ Nach wenigen Anläufen klappte es dann an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Frankfurt. Zu seinen prägenden Professoren zählt er insbesondere die Schauspielerin und Regisseurin Elke Lang (1952 – 1998).
Nach der zweijährigen Ausbildung ging es sofort in die Praxis. Zmorek arbeitete am Frankfurter Schauspiel (Slawomir Mrožeks absurdes Dialogstück Emigranten nennt er als wichtige Erfahrung), am experimentierfreudigen, inzwischen längst geschlossenen Theater am Turm, am Theater Basel, erhielt sein erstes festes Engagement am Schauspielhaus Wien unter der Intendanz von Hans Gratzer und machte zwischendurch sein Diplom in Frankfurt.
Auf das Pendeln zwischen etablierten und Avantgardehäusern folgte ein Engagement am Deutschen Schauspielhaus Hamburg. In der Regie von David Mouchtar-Samorai spielte er dort 1987 in der deutschen Erstaufführung von Joshua Sobols Die Palästinenserin. Mouchtar-Samorai holte ihn dann für Schillers Räuber nach Bonn. Zmorek debütierte hier in der Rolle des loyalen Schweizer. Schauspielintendant Peter Eschberg engagierte ihn in der Spielzeit 1987/88 gleich als festes Ensemble-­Mitglied in Bonn. In den folgenden Jahren spielte Zmorek hier viele Rollen in literarischen Klassikern und zeitgenössischen Dramen. Besonders gern erinnert er sich beispielsweise an Horváths Italienische Nacht, inszeniert von Volker Hesse in der Spielzeit 1989/90 mit einem riesigen Darstellerensemble. „Solche Produktionen kann man hier heute nicht mehr machen. Ich bin schon etwas traurig, dass uns die Halle Beuel nicht mehr zur Verfügung steht.“
Zmorek blieb auch unter der Schauspielintendanz von Manfred Beilharz in Bonn, der seine erste Spielzeit 1991 in den Kammerspielen mit ­Shakespeares Romeo und Julia eröffnete. Zmorek spielte den Grafen Paris, Rudolf Kowalski, der aktuell im Contra-Kreis zu erleben ist, den Bruder Lorenzo. In dem Bonner Privattheater war auch Zmorek mehrfach engagiert, nachdem er sich entschieden hatte, ab dem Ende der Saison 1993/94 selbstständig zu arbeiten. „Ich wollte mehr Zeit für meine 1986 geborene Tochter haben und brauchte als alleinerziehender Vater auch einfach Geld. An einem TV-Drehtag verdient man deutlich mehr als am Theater, selbst wenn mittlerweile überall die Gagen massiv sinken.“
Er übernahm immer wieder Bühnenrollen, gastierte u. a. am Nationaltheater Weimar, an der Komödie am Kudamm, am Theater an der Kö, am Ernst-Deutsch-Theater Hamburg und am Contra-Kreis. Dort war er bereits 1989 erstmals aufgetreten in der Komödie Loch im Kopf von Wolfgang Deichsel, als Koproduktion mit dem städtischen Schauspiel inszeniert von Michael Prelle. 2005 gastierte er hier in der Komödie Kleine Süchte von René Heinersdorff, 2008 in dem Wirtschafts-Thriller Die Grönholm-Methode von Jordi Galceran. „Das ist kein ‚Schenkelklopfer‘, sondern ein wirklich gutes Stück. Boulevard ist eine große Herausforderung; allein schon, weil man en suite mehrere Wochen lang eine Figur spielt und nicht wie im Repertoire-Theater ständig wechselt. Mit der französischen Komödie Toutou war ich von 2013 bis 2015 unterwegs.“
1995 absolvierte er, gefördert durch die Filmstiftung NRW, eine Weiterbildung in „Camera Acting“ in Los Angeles und wirkte seitdem in zahlreichen TV-Serien mit. Zu seinen größten Erfolgen zählt die Rolle des stotternden Richard in dem mit mehreren Preisen ausgezeichneten Film Das Wunder von Lengede 2003. In Verbotene Liebe war Zmorek von 2007 bis 2009 der Fiesling Adrian Degenhardt, in der Telenovela Rote Rosen verkörperte er 2014/15 in rund 200 Folgen den sympathischen Sebastian Voss. „Solche Serien sind quasi Fließband-Arbeit. Wie überall kann man das gut oder schlecht machen. Schauspiel ist ein Privileg und das Theater eigentlich ein unglaublich anachronistisches Medium in der wahnsinnigen Masse von Unterhaltungsangeboten. Hier gibt es keine Ready-Mades, alles ist noch echte Manufaktur – geistig und physisch. In unserer neoliberalen Gesellschaft herrschen Zahlen, in der Wissenschaft geht es fast nur noch um Verwertbares. Theater ist für mich nun vor allem die Erforschung von Möglichkeiten, aus der Falle der endlosen Ablenkung wieder rauszukommen. Schlagworte wie ‚performativ‘ oder ‚inklusiv‘ sind mir eigentlich egal. Wichtiger ist, sich gegenseitig zu interessieren, also im Wortsinn dazwischen zu sein, sei es nun beim Warten auf einen unerfindlichen Sinn oder ganz konkret bei der politischen Recherche am Rand Europas.“
Aktuell steckt Zmorek nämlich in den Proben für das neue Werkstatt-Projekt Oh wie schön ist (Panama) Malta des Hausregisseurs Simon Solberg. „Wir haben gemeinsam eine Menge Material gesammelt, das Ganze ist eine richtige Fleißarbeit. Was da mit Offshore-Geschäften, Steueroasen und Korruption geschieht, betrifft uns täglich und hat sogar Einfluss auf den Etat des Theaters. Das Geld ist da, nur in den falschen Händen.“ Sicher auch ein Grund, weshalb Klaus Zmorek nun wieder als festes Ensemble-­Mitglied ans Bonner Schauspiel zurückgekehrt ist und auch in der ­nächsten Saison hier bleiben wird.

Sonntag, 25.08.2019

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