David Fischer - kultur 148 - Juli 2018

Geisterritter
Foto: Thilo Beu
Geisterritter
Foto: Thilo Beu

Elisabeth Einecke-Klövekorn trifft David Fischer – Jaquino, Remendado, Basilio und Jon Whitcroft

Gerade laufen die Endproben zur Musiktragödie Oberst Chabert von Hermann Wolfgang von Waltershausen. Der junge Tenor David Fischer singt die kleine Partie des Buchhalters Boucard. Er freut sich sehr darüber, in dem Werk mitzuwirken, das bis 1933 ungemein erfolgreich war, dann schlagartig von den Spielplänen verschwand und nun erstmals wieder szenisch aufgeführt wird. „Es ist wirklich tolle Musik mit einer ausgefeilten Leitmotivik. Manches erinnert an Richard Strauss, ist aber musikalisch trotzdem ganz eigenständig.“
Vor einigen Tagen war Fischer beim Bonner Schumannfest zu erleben mit Schumanns Liederkreis op. 24 und ausgewählten Liedern von Otmar Schoeck, Charles Ives und Samuel Barber. Am Klavier begleitet von der finnischen Pianistin Pauliina Tukiainen, die er bei seinem Studium in Freiburg kennengelernt hat. Die Professorin am Mozarteum Salzburg ist eine gefragte Partnerin der jüngeren Gesangsgeneration und seit 2016 künstlerische Beraterin des Bonner Schumannfests im Bereich Lied. Im März war er zu Gast bei der NDR-Radiophilharmonie in Hannover und sang dort unter der Leitung von deren Chefdirigent Andrew Manze die Tenorarien in Bachs Johannes-Passion. „Das war eine große Ehre. Ich war kurzfristig eingesprungen und übernahm die Arien. Bach habe ich schon immer verehrt und gern gesungen. Irgendwann möchte ich unbedingt mal den Evangelisten in der Matthäus-Passion und dann auch in der Johannes-Passion singen.“
Im Zentrum seiner Arbeit steht derzeit aber die Oper. Obwohl seine Liebe zum Gesang erst spät geweckt wurde. Geboren wurde David Fischer 1991 in Bremen, wo sein Vater Hanspeter Egel-Fischer (1940 – 2015) als Chefdramaturg tätig war. Kurz danach zog die Familie ins badische Müllheim, die Heimatstadt seines Großvaters Theodor Egel, der 1944 den Freiburger Bachchor gründete. Seine Gattin, also Davids Großmutter, war die weltberühmte Altistin Marga Höffgen. „Mein Vater gab zwar seine Theaterkarriere auf und engagierte sich bei den Linken. Meine Mutter, eine gebürtige Rheinländerin, die nun in Ahrweiler wohnt, hatte kaum Interesse an Klassik und hörte lieber die ‚Stones‘. Aber trotzdem spielte Musik eine wichtige Rolle in der Familie.“
Mit drei Jahren bekam David seinen ersten Geigenunterricht, mit zwölf Jahren gewann er 2004 den Bundeswettbewerb „Jugend musiziert“ im Fach Violine solo. „Mit dreizehn habe ich aufgehört. Es war mir einfach zu viel Druck. Das dauernde Üben machte mir keinen Spaß mehr. Mit 16 zog ich dann für ein Auslandsschuljahr nach Vancouver Island an der kanadischen ­Pazifik­küste. Ich spielte wieder Geige und sang im Chor mit. Wir machten viel Gospel, und ich hatte großen Spaß daran, als Solist mitzuwirken. Nach meiner Rückkehr trat ich dem Freiburger Bachchor bei, wo man mir dann riet, meine Stimme weiter auszubilden. Feste Studienpläne hatte ich noch nicht, ließ nach zwei Anläufen das Abitur sausen und bewarb mich für ein Gesangsstudium an der Hochschule für Musik Freiburg.“
Als seinen wichtigsten Lehrer dort nennt er den aus Brasilien stammenden Tenor Reginaldo Pinheiro, das Musiktheater-Handwerk lernte er bei dem Regisseur Alexander Schulin. Er besuchte Meisterkurse u. a. bei Brigitte Fassbaender und wirkte bei diversen Hochschulproduktionen mit. In der komischen Oper L‘Étoile von Emmanuel Chabrier sang er die Buffo-Partie des Fürsten Hérisson de Proc-Épic, in Leoš Janáceks Das schlaue Füchslein den Schulmeister und in Verdis Falstaff den Diener Bardolfo. „Toll war, dass wir während des Studiums regelmäßig Vorsingen trainierten und Agenturen auf uns aufmerksam machen konnten.“
Sein professionelles Operndebüt gab David Fischer im Rahmen der Nachwuchsförderung der Osterfestspiele Baden-Baden 2015 im dortigen ­historischen Theater als Zirkusclown Tremolini in Jacques Offenbachs La princesse de Trébizonde. Im Dezember 2016 gewann er beim renommierten Genfer Musikwettbewerb in der Sparte Gesang nicht nur den mit 12.000 Schweizer Franken dotierten zweiten Preis (ein erster wurde nicht vergeben), sondern auch noch den Publikumspreis, den Preis Junges Publikum, den Studentenpreis und den Yvonne Sigg Preis. Da war er auch schon in Bonn aufgefallen. Beim Gastspiel von Beethovens Fidelio im Oktober 2016 in Südkorea gastierte er als Jaquino („eine Super-Erfahrung, gleich auf einer weiten Reise dabei zu sein und die Kollegen näher kennenzulernen“), spielte bei der Wiederaufnahme des Musicals Anatevka im Frühjahr 2017 den armen Schneider Mottel Kamzoil und dann den Pastor Adams in Benjamin Brittens Peter Grimes mit José Cura in der Titelpartie sowie als Regisseur und Ausstatter.
2017 absolvierte er in Freiburg seinen Masterabschluss „Oper / Konzert / Oratorium“ und ist seit der Spielzeit 2017/18 fest in Bonn engagiert. Bei der Wiederaufnahme von Turandot sang er den Pang, in Carmen den Schmuggler Remendado, in Gianni Schicchi den Gherardo, in Il Tabarro den männlichen Teil eines jungen Liebespaars und in Figaros Hochzeit den Don Basilio und den Don Curzio. Die erste große Hauptrolle kam bei der Uraufführung von John Reynolds‘ Familienoper Geisterritter. Fischer verkörperte den elfjährigen Jon. „Es ist natürlich grandios, gleich in der ersten Spielzeit als Protagonist aufzutreten. Sängerisch war das zeitgenössische Stück auch eine (laute) Herausforderung, aber vor allem spielerisch gab es echt viel zu tun. Zum ersten Mal musste ich wirklich bei allen Proben dabei sein und merkte, wie anstrengend das ist. Da wächst dann natürlich der Respekt vor den beschäftigteren Kollegen. Aber das Vergnügen überwog entschieden. Außerdem ist das Bonner Ensemble klasse. Von den erfahrenen Kollegen kann man eine Menge lernen, und mit den fast gleichaltrigen teilen wir eine extrem positive Energie.“
David Fischer ist derzeit der jüngste im Ensemble. Bei der Wiederaufnahme der Zauberflöte im Oktober debütiert er als Monostatos („meine Traumrollen wären in absehbarer Zeit der Tamino und irgendwann der Belmonte“), wirkt bei der Uraufführung von Marx in London mit und singt den jungen Diener in Elektra. Seit der Spielzeit 2016/17 gibt er zudem regelmäßig den Zweiten Nazarener in Strauss‘ Salomé an der Oper Leipzig. Einige interessante Konzert-Anfragen im Frühjahr musste er ablehnen, denn da war schon sein Söhnchen geplant, das vor 4 ½ Monaten zur Welt kam.
Den Liedgesang („eine unbeschreiblich große Kunst“) pflegt er weiter: „Schubert z. B. macht mich wahnsinnig glücklich. Aber mein Lehrer drängte mich auch immer zur Oper: Da kann sich die Stimme ausweiten; wenn man immer nur Konzerte singt, bleibt sie schmaler.“ Wagner ist – trotz seiner Oma – vorläufig nicht sein Ding, die großen ‚Hämmer‘ auch noch nicht, obwohl ihm nahegelegt wird, Don José und Kalaf in ein paar Jahren zu versuchen. „Wir werden sehen, sagte Professor Pinheiro stets. Es gehört zum Beruf, so intelligent zu sein, nur das zu probieren, was geht. Momentan geht es mir darum, auf der großen Bühne vor großem Publikum viel Spaß zu haben.“ Auch mal einen Jux zu machen, wie etwa mit dem Helium aus den Ballons von Geisterritter verrückte Stimmeffekte zu produzieren. „Empfehle ich aber nicht zur Nachahmung“, erklärt er noch schnell, bevor er sich auf die kommende Premiere konzentriert.

Mittwoch, 16.01.2019

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