Tundra / They seek to find the happiness they seem / Folk - Tanzgastspiel der National Dance Company Wales in der Oper - kultur 146 - Mai 2018

Neu-Entdeckung

Zum ersten Mal gastierte die National Dance Company Wales aus der walisischen Hauptstadt Cardiff in der Bonner Oper. Den Anfang machte das 30-minütige Stück Tundra, 2017 für das Ensemble kreiert von dem spanischen Choreographen Marcos Morau. Er hat sich inspirieren lassen von der nördlichen Steppenlandschaft und von russischen Volkstänzen. In ihren vielfarbigen Kostümen zeigen die acht Tänzerinnen und Tänzer freilich nichts Folkloristisches, sondern die Kraft der Gemeinsamkeit. Besonders eindrucksvoll wirkt das, wenn sie mit ihren Armen geschlossene Linien bilden und wie ein eigener Gesamtkörper agieren.
Aus der Reihe Tanzen ist dagegen angesagt in dem knapp halbstündigen Folk von Hauschoreographin Caroline Finn, die auch selbst mit nach Bonn gereist war. Von oben ragt ein umgedrehter kahler Baum in den Raum. Ein Tänzer fegt die herabgefallenen Blätter zusammen, die anderen schauen von einer Bank aus desinteressiert zu. Die dunklen Kos­tüme scheinen irgendwie zufällig zusammengeklaubt. Unwillkürlich denkt man an Becketts auf Godot wartende Landstreicher. Finn beobachtet nach eigener Aussage gern alltägliche soziale Dynamiken und hat diese hier in viele kleine poetische Szenen verwandelt. Ein Tänzer schält sich aus dem welken Blätterhaufen und sucht die Kommunikation mit den wie eingefroren verharrenden anderen. Der hysterische Ausbruch einer Frau wird von der Gruppe eingefangen, aus der sich ständig neue Beziehungen entwickeln. Die vielschichtige Musikcollage zitiert neben stampfenden Beats auch mal ironisch Offenbachs Barcarole oder Theodorakis‘ Sirtaki.
Zwischen der Macht des Kollektivs in Tundra und der melancholischen Untersuchung von Individuum und Gruppe in dem surrealen Folk stand das kurze Duett They Seek to Find the Happiness They Seem der Australierin Lee Johnston. Inspiriert von Frank Sinatras Song They Seem to Find the Happiness They Seek geht es um sensible Phasen einer Paarbeziehung. Zwei Menschen auf der zeitlosen Suche nach dem gemeinsamen Glück zwischen zärtlicher Intimität und Entfremdung.
Die kleine, feine Company aus Großbritannien überzeugte die Bonner Tanz-Fans in den drei sehr unterschiedlichen Choreographien mit tänzerischer Perfektion und großer Ausdrucks-Stärke und wurde zu Recht als Neu-Entdeckung gefeiert. E.E.-K.

Dienstag, 15.01.2019

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