Mareike Hein - kultur 131- Dezember 2016

Elisabeth Einecke-Klövekorn trifft Mareike Hein
: Diverse Marias, Gretchen und Olga

Vor gut zehn Jahren erhielt sie ihre erste Bühnengage bei den Händel-Festspielen in Halle an der Saale, wo sie in der Moritzburg als Abiturientin in Miltons Paradise Lost eine der Evas verkörperte. Regie führte Annegret Hahn, die von 2001 bis 2012 das Thalia Theater Halle leitete.
Mareike Hein wurde 1987 im thüringischen Nordhausen geboren, wuchs in der sachsen-anhaltischen Kulturstadt Halle auf und verdankt ihre theatrale Sozialisation den dortigen Bühnen. Sowie ihrer kulturell engagierten ­Familie (beide Eltern waren Kunstlehrer), in der die Beschäftigung mit Musik, Literatur und bildender Kunst alltäglich war.


„Meine Eltern entschieden sich nach der Wende ganz bewusst für eine Freie Waldorfschule, wo die künstlerische und handwerkliche Ausbildung zum Schulalltag gehörte. Meine Geschwister und ich lernten außerdem Instrumente und sangen in Chören. Dabei machte mir vor allem die Team-Arbeit viel Spaß. Auch beim Sport gefielen mir die Mannschaftssportarten am besten. Ich wollte gar nicht so gern im Mittelpunkt stehen. Sie werden’s kaum glauben; aber als ich zum ersten Mal auf der Bühne laut schreien sollte, blieb mir die Stimme im Hals stecken, so dass eine Schulkameradin hinter den Kulissen die Aufgabe übernahm.“


Ihre erste Rolle als 14-jährige Achtklässlerin an der Waldorfschule war die Wendla in Wedekinds Frühlings Erwachen, mit der sie in der Spielzeit 2009/10 ihr Profi-Debüt am Schauspielhaus Bochum gab. Während ihrer Schulzeit in Halle wuchs ihre Begeisterung fürs Theater. Sie gründete mit Schulfreunden eine Oberstufen-Theatergruppe und spielte u.a. die gewitzte Dorine in Molières Tartuffe und die Titelrolle in Krabat. Also einen Jungen, der magischen Kräften verfällt und sich über Freundschaft und Liebe aus dem Teufelskreis befreit. Ihr Talent fiel auf, so dass sie eingeladen wurde, im Jugendclub des Thalia Theaters mitzumachen. „Es war eine aufregende Zeit. Wir haben die ganze Stadt bespielt und sind an ungewöhnlichen Orten aufgetreten.“ Besonders gern erinnert sie sich an eine Produktion, die Brechts Lehrstück Der Jasager und der Neinsager mit Elfriede Jelineks Sportstück verband.


Mareike studierte dann Schauspiel an der Westfälischen Schauspielschule Bochum (Folkwang Universität der Künste Essen), erhielt 2009 ein Förderstipendium des Vereins „creActor“ und schloss ihre Ausbildung 2011 mit dem Diplom ab. Es folgte gleich ein Engagement als Donna Elvira in Molières Don Juan am Staatstheater Hannover.
Ab 2011 gastierte sie regelmäßig am Düsseldorfer Schauspielhaus. Zu ihren prägenden Erlebnissen dort zählt sie die Zusammenarbeit mit der Regisseurin Andrea Breth in dem Stück Marija von Isaak Babel. 2012 folgte in der Regie von Michal Borczuch Der Krieg hat kein weibliches Gesicht nach dem Doku-Roman von Swetlana Alexijewitsch.

Die russische Sprache und Literatur faszinierten sie schon früh – nicht nur, weil es in der Familie mehrere Russischlehrerinnen gab. Mit 16 Jahren verbrachte sie drei Monate in St. Petersburg bei einer Gastfamilie und ging dort auch zur Schule: „Da habe ich mich regelrecht in die russische Seele verliebt.“ Diese Erfahrung schwingt nun mit bei ihren Rollen in dem Stück Love you, Dragonfly von Fritz Kater, wo sie am Anfang und am Ende als junge russische Ärztin Maria auftaucht. Wegen der Vorwendestimmung für die Budapest-Szenen hat sie ihre Eltern befragt, die diese Zeit hautnah miterlebt haben.


Bevor Mareike Hein 2013/14 ihr erstes festes Engagement am Bonner Schauspiel annahm, arbeitete sie frei und spielte u.a. in Der blaue Engel (Regie: Jorinde Dröse) am Schauspiel Frankfurt. Außerdem wirkte sie in verschiedenen Film- und Fernsehproduktionen mit.

„Ich habe mir die Entscheidung für ein Stadttheater-Ensemble nicht leicht gemacht, weil man dann weniger Freiraum für andere künstlerische Aktivitäten hat. Aber bereut habe ich’s nicht. Und die vielen unterschiedlichen Rollen und Regie-Handschriften erfordern stetige Verwandlungen, die mich sehr interessieren.“

Regelmäßig tätig ist sie weiterhin als Radiosprecherin. Während des Studiums absolvierte sie einen entsprechenden Intensiv-Workshop an der Schauspielschule und ist seit 2010 häufig bei verschiedenen Sendern zu hören. Angefangen hat sie gleich mit der großen Rolle der Schülerin Jolina in dem WDR-Hörspiel Papa ist pleite von Kai Hensel. Gerade am Abend vor unserem Gespräch las sie in der 1Live-Shortstory-Reihe die Jüdische Geschichte von ­Abigail Ulman, in der es um ein aus Russland stammendes Außenseiter-Mädchen geht.


Dem Bonner Publikum vorgestellt hat sie sich 2013 in dem musikalischen Wittenbrink-Abend Eltern, war dann die Maria/ Maschinenmensch in Metropolis, die Gloria in Fassbinders Welt am Draht, spielte in Helmut Kohl läuft durch Bonn und kurz danach Hannelore Kohl der 70er Jahre in der fabelhaften Außenproduktion Schatten::Frau. Sie wirkte in Shakespeares Königsdramen (Regie: Alice Buddeberg) mit und ist weiterhin als anrührendes Gretchen in Faust I zu sehen. Für ihre großartige Verkörperung der Mirjam in der sehr erfolgreichen Inszenierung Hiob nach Joseph Roths Roman (Regie: Sandra Strunz) erhielt sie in der Zeitschrift „Theater Heute“ 2015 eine Nominierung als beste Nachwuchsschauspielerin. Unbedingt zu nennen sind auch ihre Mascha in Tschechows Drei Schwestern und ihre Olga in Kafkas Schloss. Letzteres steht auch in der laufenden Spielzeit auf dem Programm. Ebenso wie Buddebergs Aufsehen erregende Uraufführungs-Inszenierung von Thomas Melles Bilder von uns, in der Mareike Hein die Bettina spielt.


Aktuell probt sie in der Werkstatt Goethes Unterhaltungen deutscher Ausgewanderten in der Regie von Luise Voigt (Premiere am 24.11.) und ist sehr gespannt auf die Wirkung der speziellen Erzählform dieser Arbeit. „Wie erzähle ich auf der Bühne die unterschiedlichsten Figuren? Und die Frage ‘Wie erzähle ich mich und wie werde ich erzählt?’, stelle ich mir eigentlich immer.“ Deshalb interessiert sie sich auch für musikalische und körperliche Ausdrucksweisen als Erweiterung des Spiels. Während ihres Studiums in Bochum tanzte sie z.B. in der Produktion Narro der Choreographin Anna Pocher. Eine Gastspielreise führte die Klasse damit 2009 ins palästinensische Ramallah.


In Bonn fühlt sich Mareike Hein wohl: „Es ist ein geschichtsträchtiger Ort, ein bisschen wie ein Museum. Wir möchten die Stadt gern durch überraschende Aktionen beleben. Spannend ist das heterogene Publikum. Natürlich wollen wir die treuen Zuschauer überzeugen, aber auch mit neuen Formaten jüngere gewinnen.“ Zusammen mit ihren Kollegen Daniel Breitfelder und Hajo Tuschy (gemeinsam bilden sie „Die Dreistigkeit“) hat sie deshalb die Reihe „Geniesst es wer weiss wann’s wieder was gibt“ erfunden. Nach dem Abschied von der Halle Beuel schmieden sie schon neue Pläne. Außerdem möchte Mareike gern mal mit ihrem jüngeren Bruder Florian Hein zusammenarbeiten, der gerade sein Regiestudium an der Berliner Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch abgeschlossen hat.

Dienstag, 24.01.2017

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