Hein, Christoph: Glückskind mit Vater

kultur 127 - Juni 2016

Christoph Hein erzählt in diesem neuen Buch ein „beispiellos-beispielhaftes" Leben in mehr als sechzig Jahren deutsch-deutscher Geschichte.
Alexander, kurz nach Kriegsende geboren, wächst ohne Vater auf. Der ist im Krieg geblieben, sagt die Mutter, die putzen geht, um den Lebensunter­halt für sich und ihre beiden Söhne zu verdienen. Sie hat einmal Sprachen studiert und spricht jeden Tag eine andere
mit ihnen, Englisch, Französisch, Italienisch, Russisch, was sehr hilfreich ist – für später...
Erst als er zehn ist, erfährt Alexander, dass sein Vater nicht „im Krieg geblieben ist”, sondern ein großer Nazi und Kriegsverbrecher war, der von den Polen und Russen in „Eigenjustiz” gehenkt wurde. Obwohl die Mutter ihren Mädchennamen für sich und die Söhne angenommen hat, weiß man in dem kleinen Ort in Sachsen, wer sie sind und wer er war.
Der Schatten des Vaters verfolgt Alexander ein Leben lang. Er will zur Fremdenlegion, er schafft es sogar bis nach Marseille, bleibt dort zwei Jahre und kehrt am Tage des Mauerbaus zurück in die DDR. Er bleibt sein Leben lang dort, darf nicht studieren, wird aber doch Lehrer, verliert Mutter, Frau und Kind durch den Tod, verstummt für Jahre. Und sagt schließlich, als er – nun alt und pensioniert – für eine Festschrift seiner Schule interviewt werden soll: Nein, er habe nichts zu erzählen.
Es ist ein ganz stilles und sehr lautes Buch, unbedingt lesen sollte man es, finde ich. Nachdenklich macht es, wirft Fragen auf, will mehr und mehr Antworten, auch wenn es keine mehr gibt. Gibt es wirklich keine mehr?

Christoph Hein
Glückskind mit Vater
Suhrkamp,
März 2016,
gebunden, 527 Seiten,
22,95 €

Donnerstag, 13.10.2016

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