Das A-Team des Kabaretts - Sebastian Rüger über das neue Ensemble der Lach- und Schießgesellschaft

kultur 125 - April 2016

von Thomas Kölsch


Das 50. Programm im 60. Jahr – und doch ist alles neu. Und anders. Mit dieser Zusammensetzung des aktuellen Ensembles der Münchner Lach- und Schießgesellschaft, das 2011 aufgelöst worden war und seit einigen Monaten wieder in einer Vierer-Besetzung existiert, hatte im Vorfeld wirklich niemand gerechnet: Ausgerechnet Sebastian Rüger und Frank Smilgies, die als Ulan und Bator immer eher dem absurd-komischen Spiel mit der „Wirrklichkeit“ zugeneigt waren als dem klassischen politischen Kabarett, bilden nun zusammen mit der Schauspielerin Caroline Ebner und dem Musikclown Norbert Bürger jene legendäre Institution, die Dieter Hildebrandt 1956 aus der Taufe hob und der Künstler wie Bruno Jonas, Jochen Busse und Henning Venske entsprangen. Ein ungewöhnliches Team. Aber mit Blick auf die euphorischen Kritiken in München offenbar ein gutes.

„Ein sehr gutes sogar“, sagt Sebastian Rüger und lacht. „Es war für uns genau der richtige Zeitpunkt: Frank und ich waren ohnehin schon dabei, unsere Ulan-und-Bator-Art mit politischen Inhalten anzureichern, so dass die Anfrage der Lach- und Schießgesellschaft super passte. Wir waren natürlich total geehrt und haben ohne auch nur einmal nachzudenken zugesagt.“ Die beiden anderen Mitglieder waren ebenso schnell gefunden. „Mit Caroline sind wir schon lange befreundet, wir waren zusammen auf der Folkwang-Hochschule in Essen, ihre Mutter war die Sprachlehrerin von Frank und mir. Eine Schauspielerin mit Leib und Seele und eine verdammt gute Schreiberin.“ Und Bürger? „Der ist der Frank Zappa von Freising, ein großartiger Kollege, der die erste Wahl war, als Frank und mir klar wurde, dass Musik in dem neuen Programm eine zentrale Rolle spielen würde. Insgesamt haben wir uns sofort wie eine Band zusammengefügt.“ Eine, die man durchaus ernst nehmen sollte. „Ulan & Bator ist ja gerne mal das Label 'Dadaismus' zugeschrieben worden, obwohl wir dafür nie eine Lanze brechen beziehungsweise uns nicht über eine einzelne Kunstform definieren wollten. Wir haben immer aus der Lust am Spiel heraus agiert, nie weil etwas ein Konzept war.“ Und immer, um etwas auszusagen. „Ja, in der Regel schon. So ist das jetzt auch bei der Lach- und Schießgesellschaft: Dada kommt höchstens im Spiel mit der Sprache vor, aber natürlich geht es in erster Linie um politisches Kabarett. Wenn auch in einer etwas anderen Form.“

Thematisch greift das neue Ensemble eher die großen Themen denn das tagespolitische Kleinklein auf, die exzessive political correctness etwa oder die freiwillige Überwachung. Alles andere wäre zu viel des Guten. „Man hechelt ja immer nur hinterher, wenn man derzeit als Kabarettist versucht, aktuell zu sein. Und wir brauchen nun einmal als Ensemble eine gewisse Inszenierung, das lässt sich nicht einfach aus dem Ärmel schütteln. Oft wird ja der Kunst vorgeworfen, zu den großen Entwicklungen zu schweigen, aber ich denke, die Kunst holt erst einmal Luft.“ Um sich dann wenigstens hörbar zu äußern? Klingt logisch. „Wir leben in einem dissonanten Babylon“, erklärt Rüger weiter. „Alle schreien durcheinander und wollen zu gleichen Teilen Recht haben.“ In diesem Tohuwabohu geht die leise Stimme der Ratio schnell unter. Dann doch lieber was sagen, wenn es zählt. Und zwar mit Mitteln, die ankommen.

Dazu gehört auch die Musik, die als verbindendes Element für den Überbau sorgen soll. „Auf diese Weise haben auch einige der seltsameren Nummern subkutan, jenseits der Ratio, etwas miteinander zu tun“, erklärt Rüger. Auch das ist eine Abkehr von Übervater Dieter Hildebrandt – eine, die das Ensemble ganz bewusst geht. „Wir machen unser eigenes Ding. Deshalb sind wir auch nicht weiter in die Geschichte der Lach- und Schießgesellschaft eingestiegen und haben geschaut, was die in welcher Weise vielleicht schon umgesetzt haben. Wir wollten uns davon nicht lähmen lassen.“ Dann lieber als A-Team mit Vollgas ins Abenteuer. Ein guter Weg.

Donnerstag, 18.08.2016

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