Elisabeth Einecke-Klövekorn trifft Barbara Teuber - kultur 123 - Februar 2016

Barbara Teuber in "Anatevka" (2003)
Foto: Thilo Beu
Barbara Teuber in "Anatevka" (2003)
Foto: Thilo Beu


Anatevka und Wortmusik

„Als junge Schauspielerin hatte ich den Traum, einmal in großer Robe – möglichst zu Händels Wasser- oder Feuerwerksmusik – eine riesige Freitreppe herunterzuschreiten. Das ist ein Traum geblieben. Bis zur vorigen Spielzeit: Da durfte ich im Musical Ein Käfig voller Narren als ­Madame Dindon tatsächlich eine steile Revue-Treppe hinuntertanzen. Und zwar witzigerweise im Tütü.“
Barbara Teuber, geboren 1940 in Dresden, begann ihre Theaterlaufbahn tatsächlich als Tänzerin. Ihre ersten Bühnenschritte tat sie auf der Spitze im Kinderballett der Staatsoper ihrer Heimatstadt. „Die Semperoper war noch eine Ruine, wir arbeiteten im heutigen Schauspielhaus, wo 1948 der Spielbetrieb mit Beethovens Fidelio wieder begann. Ringsum waren nur Trümmer, und die Menschen sehnten sich nach Schönheit.“ An der Ballettschule der Dresdner Staatsoper absolvierte Teuber dann bei dem legendären Choreographen Tom Schilling ihre Ausbildung zur Bühnentänzerin. Zu ihren Lehrerinnen gehörte u.a. die berühmte Tänzerin Gret Palucca, die dort „neuen künstlerischen Tanz“ unterrichtete.
Ein dreijähriges Engagement beim Ballett des Staatstheaters Cottbus folgte. „Ich merkte allerdings, dass meine körperliche Kondition für die großen klassischen Partien nicht hinreichte. Immer nur in der Gruppe tanzen, wollte ich nicht und entschied mich fürs Schauspiel. Ich hatte das große Glück, sofort an der Staatlichen Schauspielschule Berlin (heute Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“) angenommen zu werden. Wegen meiner Bühnenpraxis gleich ins zweite Studienjahr.“ Während ihrer Ausbildung spielte sie mehrere Rollen am Maxim-Gorki-Theater in der Regie von Horst Schönemann, der 1966 Oberspielleiter am Landestheater Halle wurde und Teuber ins dortige Ensemble holte. Die Geburt ihrer beiden Söhne unterbrach kurz ihre Karriere. „Mein damaliger Mann lebte in Berlin, mit den kleinen Kindern war die Arbeit am Theater in Halle einfach nicht zu schaffen.“ Stattdessen war sie in Berlin als Sprecherin bei Hörspielen und Rundfunk-Features tätig.
1969 holte der Regisseur Wolfgang Fleischmann sie nach Frankfurt/Oder. 29 Jahre lang war Barbara Teuber dort unter verschiedenen Intendanzen festes Ensemble-Mitglied am städtischen „Kleist-Theater“ und spielte sich quer durch die Rollen des klassischen Repertoires von Gretchen bis Mutter Courage. Als das Theater in der Kleist-Stadt am östlichen Rand der Bundesrepublik im Jahr 2000 abgewickelt wurde, lebte sie bereits am Rhein.
Das hat Einiges zu tun mit dem Regisseur Andreas Kriegenburg, dessen erste eigenständige Arbeiten in Frankfurt/Oder herauskamen. Für Teuber zählt die Begegnung mit ihm zu ihren wichtigsten Erfahrungen, bei der sie ihren Beruf noch mal neu für sich entdeckte. „Er verlangte, imaginäre, unsichtbare Vorgänge im Stück sichtbar und damit spielbar zu machen. Also den dauernden Widerspruch zwischen den Emotionen des Stückes und den eigenen Empfindungen für ein spielbares Ergebnis einzusetzen. Ohne die Furcht, in Klischees abzugleiten. Manche meiner Bühnenfiguren hatte ich bisher als eine Art schützende Hülle und nicht von innen heraus verkörpert. Bei ihm hatte man trotz aller Selbst-­Äußerung festen Boden unter den Füßen.“ 1991 spielte sie in Frankfurt in seiner Inszenierung der Medea von Euripides die Titelrolle. 1993 debütierte sie am Theater Bonn in Kriegenburgs Inszenierung von Marieluise Fleißers Fegefeuer in Ingolstadt und war dann regelmäßig hier in diversen Gast­rollen zu erleben. „Die Reise zu den Proben zu ‚Fegefeuer‘ war mein erster Ausflug in den Westen überhaupt und ein echter Kulturschock. Alles hell und bunt, überall tolle Geschäfte. Bad Godesberg kam mir vor wie ein Schlaraffenland, und die Kammerspiele im Zentrum erschienen mir als ein Ort, auf den die ganze Stadt zu Recht stolz war.“
In Frankfurt hatte sie auch den Regisseur Armin Petras kennengelernt, spielte u.a. die Arkadina in seiner Inszenierung von Tschechows Möwe und dann am Nationaltheater Mannheim die Titelrolle in Gerhart Hauptmanns Iphigenie in Delphi. „Der damaligen Theaterleitung in Frankfurt bin ich sehr dankbar, dass sie mir viele Gastspiele (neben Bonn und Mannheim u.a. in Hannover) ermöglichte.“ Von 1998 bis 2004 war Teuber dann fest in Bonn engagiert, spielte u.a. die Linda in Tod eines Handlungsreisenden und die Angus­tias in García Lorcas Mariana Pineda. Letzteres inszeniert von Konstanze Lauterbach, die sie neben Valentin Jeker und David Mouchtar-Samorai als prägende Regie-Persönlichkeiten nennt. Nach dem Ende ihres Bonner Engagements gastierte sie in mehreren Produktionen am Düsseldorfer Schauspielhaus und am Staatstheater Wiesbaden. Dort spielte sie 2006 in Lauterbachs Regie die María Josefa in Bernarda Albas Haus und ist seit April 2015 in derselben Rolle am Staatsschauspiel Dresden in der Regie von Kriegenburg zu sehen. Womit sie nach über sechs Jahrzehnten in das Haus zurückgekehrt ist, wo sie als Ballett-Tänzerin anfing.
In Bonn entdeckte sie ihr Faible für das Musical neu, spielte 2002 Fräulein Schneider in Cabaret und 2003 die Golde in Anatevka. Anfang Februar beginnen die Proben zur Neuinszenierung von Karl Absenger (Premiere ist am 13.3.16). Teuber spielt diesmal die Großmutter, und Anjara Bartz, beim letzten Mal noch Tochter Zeitel, nun deren Mutter Golde. Fast schon eine Theaterfamilien-Geschichte. Die nur am Rand zu tun hat mit einer weiteren. Seit 1999 sind Barbara Teuber und der gebürtige Stuttgarter Dr. Frieder Weber, der unter der Intendanz von Manfred Beilharz als Künstlerischer Betriebsdirektor des Schauspiels nach Bonn kam, ein Paar und wohnen mittlerweile in Königswinter. 2003 gründeten sie zusammen mit der rührigen Literatur-Enthusiastin Katja Müller-Using vom Rhein-Sieg-Kunstverein die Reihe „Fuchs am Sonntag“. Im Siegburger „Pumpwerk“ liest Barbara aus Werken der Weltliteratur. Katja sucht die Texte aus (zumeist Literatur-Nobelpreisträger), Frieder kümmert sich um die Dramaturgie. Der mit einer Dissertation über Alban Berg als Musikdramatiker promovierte Theaterwissenschaftler begann seine Karriere in den 1970er Jahren als Dramaturg und Künstlerischer Leiter am Westfälischen Landestheater Castrop-Rauxel. Und frönt nun wieder seiner Leidenschaft für Literatur und Musik (Hauptinstrument Geige). Über 150 Mal haben sie in Siegburg Dichtung von allen Kontinenten vorgestellt, oft zusammen mit dem in Australien geborenen Pianisten James Maddox. Den haben sie kennengelernt bei Prousts Auf der Suche nach der verlorenen Zeit, 2002 in den Kammerspielen inszeniert von dem polnischen Regie-Star Krzysztof Warlikowski.
2008 entstand aus vielen Ideen und Beziehungen das Projekt „Wortmusik“, inzwischen fest etabliert im Foyer des Bonner Opernhauses. Im Januar 2016 präsentierten Teuber und Maddox hier ihr 20. Programm: „Die merkwürdige Nachricht von einem Stern“, während des Ersten Weltkriegs geschrieben von Hermann Hesse. Hier am Flügel begleitet mit Kompositionen von Alexandr Skrjabin.

Barbara Teuber – unverwechselbares Markenzeichen: leuchtend roter Haarschopf, abseits der Bühne ein leicht sächsischer Akzent – hat noch viel vor und denkt keineswegs an Ruhestand.

Donnerstag, 07.07.2016

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