Moby Dick - Theater im Ballsaal - kultur 118 - Juli 2015

Moby Dick, fringe ensemble
Foto: Lilian Szokody/www.szokody.de
Moby Dick, fringe ensemble
Foto: Lilian Szokody/www.szokody.de

Vielschichtige Erzählung


Man erfährt viel über die Meerestiere, die heute gern als sanfte Giganten der Ozeane verklärt werden, in Herman Melvilles 1851 erschienenem Roman Moby Dick. Der amerikanische Autor war selbst als Walfänger unterwegs, bevor er die Abenteuergeschichte vom Kapitän Ahab verfasste, der manisch auf der Suche ist nach dem weißen Pottwal, der ihm einst ein Bein abgerissen hat. Moby Dick ist eine ungeheure Erzählung, durchbrochen von wissenschaftlichen und mythologischen Essays, realistischen und metaphorischen Schilderungen, satirischen Anspielungen und hochpoetischen Passagen.
Als Sprachkunstwerk hat Frank Heuel, Leiter des Bonner Fringe-Ensembles Moby Dick nun als ersten Teil der neuen Reihe „Das große Welttheater“ im Theater im Ballsaal inszeniert. Die acht weiß kostümierten Schauspieler (Ausstattung: Annika Ley) verkörpern den Erzähler Ismael und werden dabei immer wieder zu Figuren seiner Geschichte. Stilistisch vielfarbig präsentieren die Schauspieler anfangs monologisch die Situationen, bevor sie auf hoher See immer stärker in Bewegung geraten. Die Nummern der 135 Roman-Kapitel, zwischen denen sie auf den Textwellen surfen, werden eingeblendet. Ebenso wie die deutsche Übersetzung von Passagen, die Maciek Brzoska in seiner polnischen Muttersprache spielt. Er erscheint auch als polynesischer Harpunier Queequeg, der dem tödlichen Fieber gerade noch mal entgeht, weshalb sein vorsorglich zusammengezimmerter Sarg später als Rettungsboje taugt.
Laila Nielsen berichtet ausdrucksvoll vom Beginn der Reise auf der Pequod mit ihrem geheimnisvollen Kapitän und balanciert später auf einem Schiffsmast. Ismail Deniz spielt mit umgeschnallter Beinprothese den rachsüchtigen Ahab. Justine Hauer, seit zehn Jahren Fringe-Mitglied und regelmäßig beim Konstanzer „Tatort“ aktiv, erscheint als langbeinige Show-Masterin mit kurzweiligen Kommentaren, preist lebendig das kostbare Spermazeti, das aus dem Vorderkopf toter Wale geschöpft wird, und verteilt warme Händedrücke an die Zuschauer. Oleg Zhukow erklärt höchst anschaulich mit zwei auf einen Einkaufswagen montierten Overhead-Projektoren den Wal-Körperbau und insbesondere dessen Augenstellung. Inkl. Hinweisen auf den weißen Wal, der 1966 den Rhein hinauf schwamm, kurz hinter Bonn kehrt machte und eine Umweltschutz-Welle nach sich zog. Bettina Marugg macht das Abschälen von Walfett zu einem hochgeschraubten verbal-kulinarischen Erlebnis. Brillant beleuchten der quirlige David Fischer und der elegante Andreas Meidinger den blutigen Kampf zwischen menschlichen Gefühlen und Urgewalten, der in einem mörderischen Strudel endet.
Ohne platte Illustration oder allfällige Albernheiten entsteht aus der fantastischen Erzählung eine theatrale Welt. Mit dem Slogan „Da ist Magie im Spiel!“ wirbt Fringe für seine hervorragende Produktion. Großartig fand den langen Abend auch das begeisterte Publikum bei der ausverkauften Premiere Ende Mai. E.E.-K.

Spieldauer ca. 2 ¾ Stunden, eine Pause

Dienstag, 22.09.2015

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