Norbert Alich - kultur 104 - März 2014

Elisabeth Einecke-Klövekorn trifft Norbert Alich:
Hermann Schwaderlappen und der Stimmenfan

In der Karnevalszeit ist er wieder ständig im Einsatz als „Vereinsvorsitzender“ Hermann Schwaderlappen bei Pink Punk Pantheon. Auch in der 31. Session sind alle „Sitzungen“ längst ausverkauft. 1984 haben Norbert Alich und Rainer Pause zusammen mit einer Schar von Kabarettisten und Musikern diese inzwischen älteste deutsche alternative Karnevalsveranstaltung (die Kölner „Stunksitzung“ ist ein paar Tage jünger) zum ersten Mal präsentiert – damals noch im Kessenicher „Fettnäpfchen“ – und natürlich nicht geahnt, dass daraus ein solcher Dauerbrenner würde. „Litzmann und Schwaderlappen sind Karikaturen, auch wenn wir manchmal mit ihnen identifiziert werden. Vor einigen Jahren fragte mich mal jemand bei einer Bonner Opernpremiere, was denn der Karneval hier zu suchen habe. Ich musste dann klar machen, dass ich absolut kein Karnevalist bin und die rheinische ‚fünfte Jahreszeit‘ eigentlich scheue wie der Teufel das Weihwasser.“
In die Oper geht Norbert Alich gern, wenn er nicht gerade selbst auf der Bühne steht. Sehr angetan war er von dem Sänger-Ensemble der Bonner Tosca. „Ich bin ein richtiger Stimmfetischist“, gesteht er. „Der Gesang hat mich von Kindesbeinen an geprägt. Mein Onkel, der Bassbariton Erich Syri, ist Sänger und war 30 Jahre lang am Nationaltheater Mannheim engagiert, bevor er 1999 in den Ruhestand ging. Ich durfte ihn als Kind oft zu den Proben begleiten.“
Geboren wurde Norbert Alich am 13. März 1955 als Sohn eines Bäckers in Weißenthurm bei Koblenz. In Bonn studierte er Germanis­tik und Geschichte. Von 1975 bis 1982 war er Mitbegründer, Schauspieler, Regisseur und später Leiter der Studentenbühne Bonn. Sein Vorgänger in dieser Funktion war Rainer Pause (s. kultur Nr. 40). Vom Bonner Kulturamt wurde die Truppe eingeladen, beim „Bonner Sommer“ mitzuwirken. „Schillers Maria Stuart hatten wir gerade auf dem Programm. Weil wir das in diesem Rahmen nicht spielen konnten, entwickelten wir Sketche und Lieder zu aktuellen Themen. Daraus entstand das Projekt ‚Thalias Transit‘, quasi der Grundstein für meine berufliche Karriere als Kabarettist.“
Studienrat wollte Alich nach dem Staatsexamen 1981 auf keinen Fall werden und begann eine private Gesangsausbildung, u.a. in Berlin bei einem Meisterschüler von Dietrich Fischer-Dieskau. „Bei Partys habe ich statt Rock-Musik manchmal seine Einspielungen von Schuberts Liederzyklen aufgelegt und die Schock-Wirkung genossen“, berichtet Alich vergnügt. „Im Ernst: Es macht mich wirklich traurig, dass der romantische Liedgesang heute fast nur noch ein Spezialpublikum findet. Viele Menschen begreifen den unmittelbar berührenden Kunstgesang nicht mehr und setzen auf die künstliche Verfremdung bei Pop und Musicals.“ In seinem Solo-Programm Franz und Frankie hat er 2013 deshalb mal Franz Schubert und Frank Sinatra zusammengeführt und den Groove in ‚Leise flehen meine Lieder‘ hervorgehoben.
Dass der Opernkenner im letzten Oktober auch einen heiteren Richard-Wagner-Abend im Uni-Club gestaltete, ist sozusagen Ehrensache. Schließlich – wäre er Opernsänger geworden – wäre die Partie des Wotan seine Lieblingsaufgabe. Er forscht jedoch immer gern nach fremden Haaren in diversen Suppen und hat bei Isoldes Liebestod gleich ein Mozart-Zitat gefunden.
Mit dem schon so oft totgesagten politischen Kabarett hat er seine Probleme: „Unzählige Kollegen erklären die Welt, obwohl sich doch jeder durchschnittliche Zeitungsleser selbst eine Meinung bilden kann. Ich mag diese alberne Rechthaberei nicht und stelle lieber kritische Fragen.“ Selbstverständlich mit dem gehörigen satirischen Biss. Seit 1990 tut er das zusammen mit Rainer Pause. Ihr aktuelles Duo-Programm heißt Oberwasser, das nächste ist schon in Arbeit. An ca. 80 Abenden im Jahr ist das Kult-Duo Fritz und Hermann in NRW und dem Rest der Republik unterwegs – „Wir können uns die Spielorte glücklicherweise aussuchen“. Hinzu kommen mindestens ebenso viele Auftritte im heimischen Pantheon. Und natürlich noch die regelmäßigen TV-Aufzeichnungen. Seine Auftritte im Fernsehen sind ohnehin so zahlreich, dass wir das beim Kaffee in seiner Friesdorfer Altbau-Wohnung nur mal streifen. Die diesjährigen Highlights von „PPP“ kann man übrigens am 27. Februar im WDR erleben.
Seine Leidenschaft für das Musiktheater pflegt Alich dennoch weiter, obwohl die Regie-Hospitanzen bei Winfried Bauernfeind an der Deutschen Oper Berlin und an der Bonner Oper bei Jean-Claude Riber ihn einst eher enttäuschten: „Das ganze Milieu war mir zu bürgerlich. Wahrscheinlich hätte meine Stimme aber sowieso nicht ganz gereicht für einen Don Giovanni.“ Den Frosch in der Fledermaus hat er in der Bonner Oper später dann doch gespielt. Am Schauspiel Bonn war er in den 1990er Jahren engagiert in der köstlichen Operetten-Produktion Saison in Salzburg in der Halle Beuel und bei Offenbachs La Périchole. Allerhand Opernerfahrungen verarbeitete er in seinem Soloprogramm Ein Sängerleben, in dem er einen schauspielerisch wunderbar unfähigen Bariton verkörpert. 2001 wirkte er mit in dem bundesweiten Opernprojekt Theatertote (Regie: Benedikt von Peter) und ähnliches ist für dieses Jahr in Planung.
Das Schauspiel hat ihn schon immer fasziniert. „Zum ersten Mal stand ich mit zehn Jahren auf der Bühne als einer der 40 Räuber von Ali Baba“, erzählt er. „Danach habe ich mich in vielen Schultheater-Aufführungen zu größeren Rollen hochgearbeitet.“
Zum „PPP“-Ensemble gehörte von Anfang an Alichs Frau, die Schauspielerin Ruth Helm, die vor fünf Jahren an Krebs starb. Tochter Therese hat in Maastricht und Bonn Biomedizin studiert und ist inzwischen „Master of Neuro-Science“. „Ich finde diese englischen Bezeichnungen zwar lächerlich, aber in der globalisierten Welt wohl unvermeidlich.“ Und erzählt schnell noch von seiner ersten Reise nach New York mit dem Koblenzer Kolping-Verein. „Schon auf dem Flug wurden fromme Lieder gesungen; bei meinen aus Schlesien stammenden Verwandten in der Bronx gab es Dankgebete zu unserer Ankunft. Irgendwann bin ich geflüchtet zu einem Onkel, der bekennender Atheist war. Sonst hätte ich von der Stadt nichts mitgekriegt.“ Vor den katholischen Ritualen hat er aber immer noch großen Respekt. „Diese Inszenierungen sind manchmal wie große Oper. Außerdem: Was wäre ein rheinischer Kabarettist ohne die solide Doppelmoral der katholischen Kirche und ohne tiefe Blicke auf den Grund eines Kölsch-Glases? Schlimmstenfalls ein Protes­tant.“
Seine Begeisterung für die Oper teilt Alich inzwischen mit seiner Lebensgefährtin Dr. Ingrid Schöll, der Direktorin der Bonner Volkshochschule. Ingrid hat gerade in Marl über 50 Stunden TV geschaut, denn sie ist langjähriges Mitglied der Jury des „Grimme-Preises“. Auf meiner Fahrt nach Friesdorf habe ich sie eben getroffen. Norbert ist derweil schon wieder auf dem Sprung zur Maske im Pantheon, um sich in Hermann zu verwandeln.

Dienstag, 05.08.2014

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