Freaks. Eine Abrechnung - kultur 92 - Januar 2013

Freaks. Eine Abrechnung: Das Düsseldorfer Kommödchen zu Gast im Haus der Springmaus (26.11.12)

Das Düsseldorfer Kommödchen, 1947 von Kay und Lore Lorentz gegründet und seither „die” Kabarett-Institution der Landeshauptstadt, war am 26.11.12 mit dem aktuellen Programm seines Hausensembles zu Gast im Haus der Springmaus.
In Freaks. Eine Abrechnung geht es um die Fragwürdigkeit der eigenen Existenz und die Sinnhaftigkeit des Kabaretts. Dies wird in Form einer Geschichte gespielt: eine besondere Art der Kabarett-Schauspielkunst, die trotz des Fortgangs der tragikomischen Handlung rund um die „Sammy-Boehme-Show“ immer wieder kleine Exkurse für den direkten Dialog mit dem Publikum beinhaltet. Das von Dietmar Jacobs und Christian Ehring geschriebene Programm, inszeniert von Hans Holzbecher, bietet eine gelungene Mischung aus Schauspiel, Kabarett, Comedy und Musik.

Doch worum geht es genau? Schauplatz ist das Produktionsbüro der Sammy-Boehme-Show, einer TV-Comedy-Show. Boehme (Heiko Seidel) ist unzufrieden mit seinem dreiköpfigen Autorenteam. Er selbst erfüllt optisch, nicht zuletzt im goldenen Anzug, bes­tens die Voraussetzungen für einen begehrten Showmas­ter. Aber nicht mit überragender Intelligenz ausgestattet, braucht er Autoren für seine Pointen. Doch Chefautor Wolfgang (ebenfalls Heiko Seidel) steckt in einer Ehekrise, die seine Kreativität massiv blockiert. Die Co-Autoren Maude (dynamisch und talentiert, gespielt von Maike Kühl) und Christian (nüchtern-sachlich und ein guter Pianist; Christian Ehring) wittern Gefahr, denn wenn Boehme anfängt, zu improvisieren, wird es gefährlich, da seine Sprachspiele immer knapp daneben geraten...
Zumindest die Springmaus-Gäste kamen durch Boehmes speziellen Humor jedoch auf ihre Kosten: Ideen wie die, in Anlehnung an die Krötentunnel, einen Idiotentunnel im Straßenverkehr zu etablieren, sind doch gar nicht schlecht...
Das Team wird ergänzt durch Praktikantin Vanessa (ebenfalls Maike Kühl), die alle Klischees übererfüllt, die man Praktikantinnen zuschreibt.
Das Programm zeigt einen?katastrophalen Tag hinter den Kulissen, beginnend mit den noch vollkommen fehlenden Inhalten für die am Abend aufzuzeichnende Show bis zu der plötzlichen, lebensbedrohlichen Erkrankung Sammys. Einen Fleck am Rücken deutet er als rasant wachsenden Hautkrebs. Er erweist sich dann zwar als Relikt der Hotelschokolade, auf der Sammy geschlafen hatte, doch vorher durchlebt er die wildesten Todestraumata. Was solle er zum Beispiel tun, wenn er als alkoholfreies Kölsch wiedergeboren würde?
Apropos: Spezielle Pointen für Düsseldorfer sind fein dosiert im Programm enthalten – zur Freude einiger Exil-Düsseldorfer, als z.B. die Worte Hoppeditz und Münstermann fielen. Getoppt wurde dies allerdings vom Auftritt des Unternehmerehepaares Hubert und Uschi (Ehring, Kühl), Betreiber des Sonnenstudios „The Sun of Meerbusch“, potentiellen Sponsoren der Show: Er mit beigefarbener Hose, um die Schultern gelegtem Pullover, Fönfrisur und goldener Uhr; sie im eleganten Anzug als Charity-Assistentin von Frau Ohoven...
Insgesamt großartig ist die Wandlungsfähigkeit der drei Darsteller! Die überzeugenden Kostüme und Perücken erwe­cken mit Leichtigkeit den Eindruck eines achtköpfigen Ensembles.
Das kurzweilige Programm kann auch vor dem Kabarettgerichtshof, der von Sammy kurzfristig zur Anklage von Christian wegen schlechter Pointen angerufen wird, in seiner Gesamtheit locker bestehen. Nach einem Beinahe-Happy-End (Wolfgang und Vanessa entdecken eine Gemeinsamkeit: den Wunsch nach einem entspannt-unkreativen Leben) endet die Story jedoch tragisch: mit der Wiedergeburt der Protagonisten als Gemüse in einem Meerbuscher Kühlschrank. Doch wie es dazu kommt, sollten Sie selbst erleben!
Unvergesslich und stets aktuell bleibt Maudes Trostlied für den kranken Sammy: „Das Internet wird Dich niemals vergessen, hier kannst du unsterblich sein...“

Juliane Schmidt-Sodingen

Das nächste Mal ist das Kommödchen-Ensemble am 24.05.13 im Haus der Springmaus zu erleben:?mit dem Programm Couch. Ein Heimatabend.

Donnerstag, 28.02.2013

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