Erotica Romana - kultur 89 - Oktober 2012

Erotica Romana von Johann Wolfgang von Goethe im Theater Die Pathologie: Neckische Sprachspiele

Faustina hieß nicht ohne Grund die junge Witwe, die Goethe in Rom so beglückte, dass er in Weimar „ein gewisses kleines Eroticon“ namens Christiane Vulpius zu seiner offiziellen Lebensgefährtin machte und mit ihr vor der Eheschließung fünf Kinder zeugte. Nur der 1789 erstgeborene August erreichte das Erwachsenenalter und starb 1830 ausgerechnet in Rom, wo sein Vater einst die Wonnen des unschuldigen Sinnengenusses erfuhr. Am Leib der Geliebten begriff er die klassischen Formen und zählte ihr „des Hexameters Maß leise mit fingernder Hand“ zärtlich auf den Rücken: „Uns ergötzen die Freuden des echten nacketen Amors / Und des geschaukelten Betts lieblicher knarrender Ton.“ Wobei jene Verse zu den vier „Römischen Elegien“ gehören, die erst lange nach Goethes Tod im Druck erschienen. „Schlüpf­rig und nicht sehr dezent“ fand Schiller die Gedichte, denen der Verfasser anfangs den Arbeitstitel Erotica Romana gegeben hatte. Kurz nach den Feiern zu seinem 37.Geburtstag 1786 war der Weimarer Geheimrat Johann Wolfgang von Goethe heimlich ins Sehnsuchtsland Italien abgereist. „Hier ist mein Garten bestellt“, verkündet der Dichter angesichts der „goldenen Früchte des Lebens“ und ruft Priapus als Verteidiger des natürlichen Vergnügens zwischen Schänke und Schenkeln an.
Tischbeins berühmtes Gemälde „Goethe in der Campagna“ lässt grüßen in Christoph Pfeiffers Inszenierung der Römischen Elegien. EnnE Schütz spielt mit Strohhut, geblümtem Frack und barfuß den wackeren Bildungsreisenden, der gern zur aufrechten Flasche greift und der Göttin Gelegenheit huldigt, während Adriano Celentanos „Azzurro“ die profane Italienseligkeit des 20. Jahrhunderts evoziert. Schütz erscheint als eher robuster Verehrer der „heiligen Mauern“, der unter kühlem Marmor das pulsierende Leben entdeckt. In dem kleinen Bühnenraum agiert er von seinem Sessel aus auf Augenhöhe mit dem Publikum. Er spielt das Weibergeschnatter oder die Vogelscheuche, die das Vögelnest in den Weinbergen stört. Dabei karikiert er den klassisch hohen Ton der Elegien nicht, sondern präsentiert ihn so deftig naiv als Geschichte eines menschlich gewordenen Olympiers, dass alle kunstvollen Distichen und hüpfenden Versfüße fast selbstverständlich klingen.
Pfeiffers Regie lässt Goethes neckische Szenen und Bilder mit sanftem Humor Revue passieren bis zur Rückkehr ins verregnete Weimar. Zur Verschärfung der überall versteckten Metaphern genügt eine von der Bühnenwand gepflückte Pfefferschote. Dass der quecksilbrige Hermes bei venerischen Krankheiten von Nutzen war, wird auch ohne tiefere Kenntnisse der antiken Mythologie deutlich. Letztere sind aber hilfreich für den ungetrübten Genuss der dramaturgisch nur minimal gekürzten Original-Dichtung mit unverschämter Wahrheit.
E.E.-K.
Spieldauer ca. 70 Minuten, keine Pause
Die nächsten Termine: 17.10.12 / 18.10.12

Dienstag, 13.11.2012

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