Eine provenzalische Nacht - kultur 44 - Februar 2008

Mediterrane Sommernachtsphantasie - Eine provenzalische Nacht von Robin Hawdon im Contra-Kreis-Theater

Die Engländer sind merkwürdig romantisch, die Iren irgendwie nicht gesellschaftsfähig, und die Franzosen haben den Esprit gepachtet, mit dessen Hilfe selbst ein angelsächsischer High-Noon zwischen Golfschläger und Kaminzange noch in einer Entente Cordiale enden kann. Zumal, wenn der notorisch launische Amor mit seinen Pfeilen nicht spart und sich ein paar stichlustig schwirrende Mücken in den Gesang der Zikaden mischen. Im Contra-Kreis-Theater herrscht also schon zu Beginn dieses Jahres südliche Sommerlaune. Der englische Erfolgsautor Robin Hawdon hat die bezaubernde Komödie Eine provenzalische Nacht verfasst. Horst Johanning hat seinen heiteren Sommernachtstraum luzide übersetzt und die deutschsprachige Erstaufführung in Bonn mit einer spielerischen Schwerelosigkeit und unangestrengten Nachdenklichkeit inszeniert, die das muntere Schauspielersextett (alle arbeiten zum ersten Mal am Contra-Kreis) auf Hochtouren bringt. Pit Fischer hat dafür ein mediterranes Ambiente auf die Bühne gebaut, das kein Ferienhaus-Katalog schöner zeigen könnte. Das Publikum in der ersten Reihe sitzt quasi schon auf den Fliesen der Terrasse, die Schauplatz der europäischen amourösen Verwirrungen wird.
Judy und Fred aus London haben sich die luxuriöse Villa mit Meerblick und großem Pool für zwei wunderbare Urlaubswochen gemietet. Teilen wollen sie sich das sonnige Refugium mit ihren Freunden Moira und Shaun aus Irland. Der Traum droht zu platzen, als Yvette und Maurice aus Paris eintrudeln. Den beiden gehört nämlich das reizende Anwesen, nur hat Maurice vergessen, dass er es genau für seine eigenen Ferienwochen seiner Agentur angeboten hatte. Ein friedliches Arrangement ist möglich: Es gibt schließlich drei Schlafzimmer. Das vertraute eigene erobert die kapriziöse, in jeder Hinsicht schlagfertige Yvette im Sturm. Die Lautstärke irischer Orgien geht aufs Toleranzkonto der Engländer. Die Hochzeit haben die drei bürgerlich arrivierten Paare als fait accompli längst hinter sich, das prickelnde strategische mêlée mehr oder weniger im Blick, und fürs gallische laisser-faire sorgt die charmante French Connection über alle Sprachbarrieren hinweg.
„Toujours l’amour“ reimt sich bei den munteren Nachbarn vom Kontinent einfach besser als bei den Gästen von den nordwestlichen Inseln. Jacques Breuer ist der pfiffige elegante Maurice, der bereitwillig Küche und Keller öffnet. Stephanie von Borcke ist Yvette, die als Belle du Jour (wunderbar typengerechte Kostüme: Anja Saafan) sowieso eigene Wege geht: Eine verführerische Amazone der ehelichen Frustrationen und kokette Titania, die englische Esel locker um den Finger wickelt. Ulrich Gall als tapferer, leicht begriffsstutziger Fred verfängt sich in ihren Netzen, denn seine Gattin Judy hat meistens ihren Putzfimmel und Waschzwang im Sinn. Viola Wedekind spielt hinreißend selbstbewusst diesen Inbegriff britischer Hausfrauenphantasien mit Hang zu Sex and the City. Christoph Hemrich als irischer Bulle Shaun mit peinlichen Witzen auf der Zunge und noch peinlicheren Socken an den Füßen ist zwar kein Märchenprinz, aber immerhin ein ozeanischer Ausgleich für das abgestumpfte Familienleben jenseits des Kanals. Richtig gut scheint’s nur Shauns Frau Moira zu gehen, die Sabine Wolf zwischen leicht durchgeknalltem Mädel aus seligen Zeiten der Generation „anything goes“ und rigoroser Flirt-Sucht schlicht bravourös verkörpert.
Es sind wunderbar individuelle Typen mit allzumenschlichen Problemen, die Johanning hier zu einer geistreichen provençalischen Bouillabaisse zusammenkocht. Und mit einem Psycho-Coach wie Maurice finden alle Irrläufer zwischen Champagnerrausch, erregendem Sprung ins kühle Nass („No Swim-Suits after Sun-Down!“) und Ernüchterung beim Seitensprung-Show-Down jedoch die Balance wieder: „What’s the problem“ oder „C’est la vie“. Im Contra-Kreis kann man die europäische Allianz zwischen irisch-katholischen Herzen, englischer splendid Isolation und französischen Streicheleinheiten für Magen, Leber und sonstige Wellness-Organe schon mal üben. Die Angelsachsen überlassen zwar bald den Galliern das Feld – nur Moira scheint bei der fröhlichen Bettenschlacht nicht völlig zu kapitulieren… Ein hintergründiger Heidenspaß! E.E.-K.

Aufführungsdauer: ca. 2 1/4 Std., eine Pause
Im Programm bis: 24.03.08
Nächste Vorstellung: täglich außer montags

Donnerstag, 17.11.2011

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