Jim Knopf - kultur 29 - September 2006

Meggie, Staubfinger, Jim und Frau Mahlzahn unter einem Dach - Jim Knopf von Michael Ende und Tintenherz von Cornelia Funke

Moritz Seibert, der Intendant des JTB, kann mit einigem Stolz auf die bisher erfolgreichste Saison seines Theaters zurückblicken. Über 85.000 Zuschauer (inkl. der auswärtigen Gastspiele) verzeichnet die Bilanz. Das von der Stadt nicht sonderlich mit Geldzuwendungen verwöhnte Haus gehört längst zur Spitzenliga der deutschen Kinder- und Jugendtheater. Prominente Autoren wissen das zu schätzen. Dass Cornelia Funke - das deutsche Pendant zur Harry-Potter-Erfinderin Joanne K. Rowling - jetzt schon zum dritten Mal die weltweit erste Dramatisierung eines ihrer Roman-Bestseller dem JTB anvertraut, spricht für sich. Nach Herr der Diebe und Drachenreiter steht am 1. September die Uraufführung von Tintenherz an. Diesmal sogar als großes Musical mit professioneller Live-Band (Songs und Musik stammen von der bewährten Valerie Simmonds) und über 20 Mitwirkenden. Tintenherz ist der erste Teil von Cornelia Funkes Tintenwelt-Trilogie, in der man Figuren aus Büchern herauslesen und zum Leben erwecken kann. In einer stürmischen Nacht taucht ein unheimlicher Gast bei der zwölfjährigen Meggie und ihrem Vater Mo auf und warnt die beiden vor einem gewissen Capricorn, der es offenbar auf ein Buch in der Bibliothek von Tante Elinor abgesehen hat. Um dieses geheimnisvolle Buch entspinnen sich atemberaubende Abenteuer, wieder inszeniert von Marco Dott in einem Bühnenbild von Stefan A. Schulz. Nach den beiden Premieren im T-Mobile-Forum wandert die Aufführung (empfohlen für Zuschauer ab 10) wie gewohnt ins Stammhaus an der Hermannstraße.
Vorher und sicher so bald nicht zum letzten Mal wird dort noch Lokomotive Emma einige Runden durch Lummerland und die weite Welt drehen, dabei ihre See- und Gebirgstüchtigkeit beweisen und - wenn's brenzlig wird - sogar einen Drachen spielen. Wie alle Leseratten wissen, ist Emma die beste Freundin von Jim und Lukas. Deren Abenteuer hat Michael Ende erfunden, dessen große Karriere vor 45 Jahren mit Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer begann. Spätestens seit der Fernsehverfilmung mit der Augsburger Puppenkiste hat Lummerland, die Insel mit zwei Bergen und regem Eisenbahnverkehr, einen festen Ort auf der Phantasie-Landkarte. Uwe Vogel hat 2005 im Jungen Theater Bonn bereits höchst witzig Michael Endes Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch inszeniert und jetzt auch die Regie bei Jim Knopf übernommen. Die meisten mitreißenden Lieder stammen von Christian Berg (Texte) und Konstantin Wecker (Musik). Die bunte Bilderbuchbühne, die im Nu tollkühne Verwandlungen ermöglicht, hat Svenja Doering entworfen, die wunderschönen Kostüme wie immer Ausstattungsleiterin Brigitte Winter.
Zunächst mal stiften die Telefonleitungen auf Lummerland einige Verwirrung, wo König Alfons der Viertel-vor-Zwölfte (Arno Krebs) über drei menschliche Untertanen herrscht. Wie da seine Majestät, die tüchtige Krämerin Frau Waas (Giselheid Hönsch) und der Fotograf Herr Ärmel (Sören Ergang) in einer verrückten
Dreierschaltung bald nicht mehr wissen, wen sie eigentlich an der Strippe haben, ist urkomisch. Etwas ernster wird's, als das Postschiff ein seltsames Paket vorbeibringt. Adressiert an Frau Mahlzahn, Absender eine große 13, Inhalt ein dunkelhäutiges Baby. Das wächst unter den mütterlichen Fittichen von Frau Waas zu einem aufgeweckten Jungen heran. Dass es auf Lummerland wegen des neuen Bewohners Jim Knopf (hinreißend: Nassirou Holik / Brice Rugira / Alec-Noel Johannen) irgendwann zu eng werden könnte und der König deshalb in weiser Voraussicht Emma entsorgen möchte, bringt Lukas (glänzend: Jan Herrmann) zu Recht auf die Palme. Also geht es auf große Fahrt nach China, wo's eine Menge zu tun gibt, weil Prinzessin Li-Si (bezaubernd: Heesu Choi / Há Nguyen / Xiaoyao Xu) in die schreckliche Drachenstadt entführt wurde. Die Hofbonzen (herausragend: Iris Kunz als Ausrufer Ding-Dong) sind nur das erste bedrohliche Hindernis. Emma kommt ordentlich ins Schnaufen auf der kurvenreichen Fahrt durchs rotweiße Gebirge und zwischen den schwefelig qualmenden Vulkanen. Wenn in ihrer Maschine nicht unsichtbar Michael Schmitt hockte, nebenbei auch technischer Leiter des JTB, hätte da beim Rangieren leicht was schiefgehen können. Klar, dass das tapfere Trio die böse Lehrerin Frau Mahlzahn (Valerie Simmonds) aus dem Verkehr zieht, die als wahrer Drachen die geraubten Kinder aus allen Kontinenten an steinerne Schulbänke fesselt und zu seelenlosen Rechenmaschinen erziehen will. Emma nimmt auf der Rückreise kurzerhand eine kleine unbewohnte Insel ins Schlepptau, damit demnächst mehr Platz ist für alle, die in Lummerland eine neue Heimat suchen. Herkunft und Hautfarbe spielen dabei keine Rolle. Die heiter märchenhafte Inszenierung ist nämlich auch ein kleines Lehrstück über spontane emotionale Solidarität. Und wenn jemals jemand auch nur im Traum daran denkt, Emma zu verschrotten, gibt's garantiert einen Publikumsaufstand. E.E.-K.

Jim Knopf ist für Zuschauer ab 5 J. empfohlen.

Aufführungsdauer: ca. 2 Std. mit Pause

Dienstag, 10.02.2009

Zurück

Merkliste

Veranstaltung

Momentan befinden sich keine Einträge in Ihrer Merkliste.


Letzte Aktualisierung: 26.04.2024 18:01 Uhr     © 2024 Theatergemeinde BONN | Bonner Talweg 10 | 53113 Bonn