Susanne Tremper - kultur Nr. 3 - 1/2004

Elisabeth Einecke-Klövekorn trifft Susanne Tremper - Marlene, Piaf und eine singende Putzfrau

In "Der Karakal", Judith Herzbergs verzweifelten Monologen am Telefon, stand sie 1994 zuletzt als Gast auf der Bühne des Bonner Schauspiels. Ums Telefonieren - allerdings viel lustiger - dreht sich auch die neue musikalische Revue "Call my Number", die kurz vor Weihnachten in den Kammerspielen uraufgeführt wird. Vier Wochen vor der Premiere steht die eine Rolle von Susanne Tremper - als Berliner Immobilienmaklerin - schon ziemlich fest. Ob die Putzfrau (Trempers andere Rolle) mit ihren melancholischen Liedern, die nach Fado klingen sollen, am Ende aus Spanien, Portugal oder Mexiko stammt, muss sich im Probenprozess noch herausstellen. Susanne Tremper mag das: Neue Figuren gemeinsam mit einem Ensemble erfinden. Aber auch: Sich total in bekannte, ältere hineinversetzen und ihnen ganz eigene Facetten abgewinnen. Als "Judy" (Garland) und als "Piaf" hat sie vor etlichen Jahren das Bonner Publikum hingerissen; in diesem Jahr war sie Monate lang im Contra-Kreis-Theater die göttliche "Marlene" - immerhin sind auch deren exorbitante Telefonrechnungen legendär.
"Die Dietrich war eine riesige Herausforderung", gesteht sie. Wochenlang sei sie in Klausur gegangen, habe Archive durchstöbert, alte Filme angeschaut, jede Bewegung der Mundwinkel und der Augenbrauen und alle stimmlichen Nuancen studiert und einen Heidenrespekt vor der Perfektion dieses Stars bekommen. "Sie wirkte auf der Bühne immer viel größer, war aber tatsächlich fast genau so klein wie ich - ich habe die Maße in ihrem amerikanischen Pass umgerechnet. Sie hat ihre Frisuren kaum merklich verändert, Blickwinkel exakt ausprobiert, jeden einzelnen Ton ihrer Sprache und ihrer Lieder kontrolliert, an allen Details ihrer Erscheinung hart gearbeitet. Die quasi verdoppelte Stilisierung war für mich sehr aufregend, weil ich ja trotz der genauen Anverwandlung immer versucht habe, die Balance zwischen mir und einer bloßen Kopie der Diva zu halten."
Eine brillante Sängerin ist Susanne Tremper ohnehin. Gelernt hat sie das von der Pike auf beim RIAS-Kinderchor in ihrer Heimatstadt Berlin und hat dort auch schon bei den Soundtracks für bekannte Disney-Filme vor dem Mikrophon gestanden. Mit 15 hat sie die Schule geschmissen und angefangen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Beim Vorsprechen am Max-Reinhardt-Seminar musste sie mit ihrem Lebensalter ein wenig mogeln, wurde aber trotz ihrer Jugend und der harten Konkurrenz sofort als Studentin angenommen. Das Geld fürs Studium hat sie sich als Folksängerin verdient. "Wir haben damals in Berlin den ersten Folk-Club überhaupt gegründet", erzählt sie. "Viele aus unserer damaligen Clique sind bald zu Stars in der politischen Liedermacher- und Kabarettszene geworden. Mit Günter Grass zusammen hab’ ich bei der Willy-Brandt-Wahlkampagne mitgemacht und bin mit ihm von Haus zu Haus gezogen. Nebenbei hab ich manchmal an einem Abend hintereinander auf drei verschiedenen kleinen Bühnen gesungen, jeweils für 30 DM Gage, um meinen Lebensunterhalt und mein Schauspielstudium zu finanzieren." Auf die wilden Zeiten aus der Studentenrevolte schaut sie ohne Nostalgie. Inzwischen unterrichtet sie neben ihren vielen Engagements an zahllosen deutschsprachigen Bühnen selbst an der Hochschule für darstellende Kunst in Frankfurt am Main. Sie lacht: "Manchmal kann ich es kaum glauben, dass ich ungefähr doppelt so alt bin wie meine Studenten."
Nach dem Abschluss des Studiums begann ihre steile Karriere an den Staatlichen Schauspielbühnen Berlins, wo sie mit vielen berühmten Regisseuren arbeitete und bereits in ihrem ersten Theaterjahr den Berliner Kritikerpreis für ihre Luise in Schillers "Kabale und Liebe" erhielt. Diese Auszeichnung bekam sie kurz darauf noch einmal für die Rolle des Fritz von Kalb in Peter Weiss' "Hölderlin". Nach Engagements u. a. in Basel, Düsseldorf, Berlin, Stuttgart, einem Abstecher als Partnerin von Dieter Hildebrandt in der Fernsehserie "Scheibenwischer" und einem bei der Münchner "Lach- und Schießgesellschaft", holte Schauspielintendant Peter Eschberg sie nach Bonn. Dort hat sie so viele große Rollen gespielt, dass sie irgendwann einfach wegen Überarbeitung das Handtuch geworfen hat: “Ich lief jeden Tag zweimal über die Kennedy-Brücke, um wenigstens ein paar Minuten frische Luft zu schöpfen." Ihre Wohnung im Bonner Zentrum hat sie auch nach dem Abschied vom Bonner Ensemble behalten.
Begeistert ist sie immer noch von den Bonner Uraufführungen der umstrittenen Jelinek-Stücke und vor allem von dem höllisch schweren weiblichen Monolog "Stampfen" in der grandiosen Uraufführung von Rainald Goetz' "Krieg" (1988). Für ihre legendäre Bonner Darstellung der "Piaf" erhielt sie die Offenbach-Medaille - aber mit ihren vielen Rollen an großen Theatern, ihren Auszeichnungen und mehrfachen Nominierungen als Schauspielerin des Jahres könnte man mühelos einige Seiten füllen. Ihre Verkörperung der Lucy und der Mrs. Peachum in Brechts "Dreigroschenoper" am Wiener Burgtheater 1996/97 unter Claus Peymann hebt sie selbst besonders hervor - schon wegen der wunderbaren Kostüme von Vivienne Westwood. Als hervorragende Brecht-Sängerin neben Ute Lemper und Milva ist sie auch auf mehreren CDs zu hören. Bei den Nibelungen-Festspielen in Worms war sie die Ute in Dieter Wedels auch fürs ZDF verfilmter Inszenierung von Moritz Rinkes Fassung des alten Stoffes.
Jetzt freut sie sich über die Zusammenarbeit mit dem neuen Bonner Ensemble und mit alten Bekannten. Mit dem Regisseur von "Call my Number", Nikolaus Büchel, hat sie in Bonn mehrfach gemeinsam auf der Bühne gestanden, z.B. in Lessings "Miss Sarah Sampson" in der Regie von David Mouchtar-Samorai, den sie spontan neben Hans Hollmann und etlichen anderen als einen ihrer Lieblingsregisseure nennt.
Ihr eigenes Regiedebüt hat sie übrigens 1990 mit Peter Shaffers "Lotte und Laura" am Kleinen Theater Bad Godesberg gegeben. Wir dürfen es - auch wenn dann dort die Telefonleitung zusammenbricht - schon verraten: Susanne Tremper wird in absehbarer Zeit in einer neuen Inszenierung von Pam Gems' "Piaf" wieder im Kleinen Theater zu Gast sein. E. E.-K.

Dienstag, 04.03.2014

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