Rainer Pause - kultur 40 - 10/2007

Elisabeth Einecke-Klövekorn trifft Rainer Pause alias Fritz Litzmann - Zwischen Kabarett, Politik und Pantheon

Klar, dass wir uns vor dem Gespräch auf der Terrasse des „Opera“ beide überlegt haben, wo wir uns eigentlich kennengelernt haben. Es muss 1971 in Rainers WG im Bad Godesberger Villenviertel gewesen sein, wo wir die Gründung einer „Roten Zelle Germanistik“ planten. Rainer hatte damals das Theater zugunsten der Politik und der Wissenschaft etwas in den Hintergrund gerückt. Im sprachwissenschaftlichen Oberseminar unseres verehrten akademischen Lehrers Hugo Moser diskutierten wir über aktuelle Grammatiktheorien, bevor wir beide in die Literaturwissenschaft abwanderten. Rainer Pause studierte im Nebenfach Kommunikationswissenschaft und schrieb seine Magisterarbeit über den Dichter, Journalisten und skeptischen Kommunisten Gustav Regler. Zu den mündlichen Prüfungen musste er allerdings schon aus Berlin anreisen, weil er inzwischen bei dem legendären „Hoffmanns Comic Theater“ gelandet war - „eine Mischung aus Commedia dell'arte, frech abgewandelten Mysterienspielen und politischem Lehrlingstheater“. Rainer arbeitete dort mit Ralph Möbius (bekannter unter dem Namen Rio Reiser) und seiner Band „Ton, Steine, Scherben“ und deren späterer Managerin und heutigen Parteivorsitzenden der Grünen Claudia Roth zusammen, gab Kurse an der Hochschule der Künste und tourte mit mehr oder minder anarchischen szenischen Aktionen durch die Republik: „Ohne einen Sack voll Mut und grenzenlose Naivität hätten wir das alles nie hingekriegt.“
Im Juni hat Rainer Pause, allen Bonnern bes­tens bekannt als altersloser Alterspräsident des Vereins „Rhenania“, also der Kölsch-Glas bewehrte, grantige rheinische Karnevalsfürst Fritz Litzmann, seinen 60.Geburtstag gefeiert. Zweifacher Großvater ist der Vater zweier erwachsener Kinder auch schon. Sein Sohn ist Journalist und Filmemacher, seine Tochter arbeitet im Pantheon, wo Rainer neben seinen vielen künstlerischen Aufgaben als Geschäftsführer tätig ist. Gerade kommt er von einer Konferenz beim WDR in Köln.
Berufsrheinländer ist er ebenso wie sein Kollege Konrad Beikircher eher aus Berufung. Aufgewachsen ist er in Essen als Sohn eines Bayern und einer Westfälin - künstlerisch vorbelastet nur durch diverse Maler, Autoren und Erfinder in der väterlichen Familie. „Mein Großvater war Holzspielwarenfabrikant und brachte sein Vermögen mit der Erfindung von pedalbetriebenen Flugapparaten durch. Mein Onkel Walter Pause verfasste viele Bergtouren-Bücher, die zum ersten Mal mit Luftbildern illus­triert waren. Ich durfte als Schüler viele seiner Touren testen und bekam dafür jeweils 10 Mark Honorar. Alle meine Freundinnen habe ich später gleich mal in die Alpen geführt…“
Sein Gymnasium in Essen lag direkt neben der Folkwang-Hochschule und kooperierte gelegentlich mit den dortigen Studenten. „Ich hatte als Kind einen unglaublich hohen Sopran, aus dem später ein tiefer Bass wurde, und sang dann in Brittens Oper Noahs Flut sogar die Stimme Gottes.“
Am selben Tag, an dem Rainer sich 1966 an der Bonner Universität zunächst für Medizin einschrieb, besuchte er abends eine Versammlung der „Studiobühne Bonn“, bekam dort gleich eine Rolle in Vitracs Drama Victor oder Die Kinder an der Macht und seine erste lobende Zeitungskritik. „Damit war mein Schicksal besiegelt“. Er spielte, führte Regie und übernahm bald die Leitung der Studiobühne. „Wir machten in Bonn viele Ur- und Erst­aufführungen, Jürgen Flimm inszenierte dort.“ 1968 wirkte er auch im Contra-Kreis bei Handkes Kaspar mit.
In Paris absolvierte er eine Schauspielausbildung bei dem als Clown weltberühmt gewordenen Philippe Gaulier. „Kabarett wollte ich eigentlich nie machen, habe dann aber doch eine eigene Form gefunden.“ Seit Beginn der 80er Jahre arbeitete er mit Heinrich Pachl zusammen, war Clown im Berliner Tempodrom, zog mit dem „Frankfurter Fronttheater“ und den „3 Tornados“ durch die Republik und ‚verarschte' auf einer „Wahlium“-Tournee den Drang der Alternativen zur Macht, um dann selbst kurze Zeit für die Grünen als sachkundiger Bürger im Bonner Kulturausschuss zu landen. Als dort 1987 die Schließung des städtischen Kulturforums anstand, sagte er: „Wenn ihr's nicht hinkriegt, mach ich's halt selber.“ Und suchte sich eine gute Mannschaft zusammen.
Seitdem gibt es das Pantheon-Theater, das in diesem Jahr seinen 20. Geburtstag feiert und längst zu den renommiertesten Kabarett- und Comedy-Adressen in ganz Deuschland zählt. Wie viele heutige TV-Größen dort ihre Karriere starteten, lässt sich ebenso wenig aufzählen wie die Radio- und Fernsehmitschnitte aus dem Keller am Bundeskanzlerplatz oder die Preise, die das Pantheon und seine Mitwirkenden einheimsten.
Die kultige Karnevalsrevue Pink Punk Pantheon wurde allerdings schon 1984 aus der Taufe gehoben und wanderte vom Kessenicher „Fettnäpfchen“ über die Beueler „Brotfabrik“ zum rheinischen Olymp im Regierungsviertel, feiert also 2008 ihre 25. Auflage. „Die ersten Shows waren vollkommen chaotisch“, erzählt Rainer. „Erst beim dritten Mal waren die beiden Figuren wirklich da“. Seitdem sind Fritz Litzmann (Rainer Pause) und Hermann Schwaderlappen (Norbert Alich) als kleinster Elferrat der Welt aus dem Rheinland nicht mehr wegzudenken.
Sieben Produktionen haben die beiden seither als Duo aus der Taufe gehoben.
Am Schauspiel Bonn waren Pause & Alich - beide sind exzellente Musikkenner - zwischen 1995 und 1997 bei den Operetten-Produktionen Saison in Salzburg und Périchole zu erleben. Und soeben auch als witzige Moderatoren der „Pomp and Circumstances“ bei der Beet­hovenfest-Eröffnung auf dem Bonner Museumsplatz.
„Wie in jeder guten Ehe muss man manchmal jedoch allein oder fremd gehen“, meint Rainer. Neben Solos wie Das letzte Gericht tritt er oft zusammen mit dem Historiker und brillanten Kulturwissenschaftler Martin Stankowski auf. Mit dem unsterblichen Tod im Rheinland füllten die beiden ab 1994 Kirchen, Krematorien und Friedhöfe mit Leben und gehen seit 1998 auf romantische Rhein-Schiffsreisen, bei denen eine intellektuelle Schwimmweste nicht schaden kann.
„Du wirst oft mit Karl Valentin verglichen. Hat das was mit deinen bayrischen Wurzeln zu tun?“ - „Es liegt wohl eher an meinen sehr langen Armen und Beinen…allerdings: Die ersten Platten, die ich von meinem Vater bekam, waren von Valentin. Sein Humor und seine philosophischen Seitensprünge haben mich und meinen Fritz immer inspiriert.“ Kein Wunder, dass er auch regelmäßig in München zu Gast ist, seit drei Jahren inszeniert er auch beim Bayrischen Rundfunk die Sylvester­show Schimpf vor 12, nimmt es also als Botschafter des kritischen rheinischen Witzes gern mit allen Bären und Löwen der Welt auf.

Dienstag, 25.02.2014

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