Aino Laos - kultur 95 - April 2013

Elisabeth Einecke-Klövekorn trifft Aino Laos: Queen in SnoWhite

Ihre schriftstellerische Arbeit hat Aino Laos in der letzten Zeit ein wenig reduziert, weil die Musik im Vordergrund stand. Einen großen Roman hat sie aber schon angefangen. „Moone“ soll die Science-Fiction-Fantasy-Geschichte heißen, verrät sie. Die kleine Stadt Moone in Südirland, berühmt vor allem durch ein keltisches Hochkreuz aus dem 7. Jahrhundert, ist der Schauplatz. Mehrere Erzählungen hat Aino seit 2009 in verschiedenen Anthologien veröffentlicht. Ihre Texte tragen Titel wie „Unter dunklen Schwingen“ oder „Teufelskreis“. „Schlichter Realismus oder das Aufschreiben von eigenen Erlebnissen haben mich nie interessiert. Ich erfinde gern unheimliche surreale Welten“, sagt sie. Natürlich steht die in England aufgewachsene multitalentierte Künstlerin da literarisch in einer britischen Tradition.
Ihren deutschen Vornamen Gudrun verdankt sie ihrem bayrischen Geburtsort Bad Tölz. Aino Laos‘ deutsche Mutter und ihr aus Estland stammender, als Ingenieur tätiger Vater zogen bald ins mittelenglische Industriegebiet und später in die Nähe von Cambridge. „Künstlerisch vorbelastet war ich durch die Familie nicht, aber die Singstimme habe ich wohl von meiner Mutter geerbt. Außerdem hatte ich sehr gute Schulen, die meine Kreativität förderten und mir viel Entwicklungsfreiheit ermöglichten.“ Mit neun Jahren bekam Aino ihren ersten Geigenunterricht, fand dann Gefallen am E-Bass und gründete im zarten Alter von dreizehn zusammen mit ihrem älteren Bruder eine Rockband, mit der sie in Clubs und Pubs auftrat. Weil die Band eine Gesangsstimme brauchte, übernahm die junge Aino diesen Part und blieb dabei. Mit achtzehn Jahren machte sie nicht nur mit ausgezeichneten Noten ihren Schulabschluss, sondern trat auch in die All-Girl-Rockband „She“ ein. Nach ersten Erfolgen als Support für diverse Stars machte die talentierte, attraktive Künstlerin sich selbst einen Namen in der Londoner Szene und wurde immer öfter als Session Sängerin für Studio- und Live-Acts gebucht. Ihr Studium an der Londoner Royal Academy of Music brach sie nach einigen erfolgreich bestandenen Prüfungen ab, weil sie einfach zu neugierig war und eine unbändige Lust auf künstlerische Experimente hatte.
Die Liebe verschlug sie Anfang der 1990er Jahre wieder nach Deutschland. Hier gründete sie ihre eigene Rockband „Laos“, komponierte und tex­tete zahlreiche Songs, schuftete wie verrückt, erhielt Plattenverträge bei renommierten Labels, produzierte vier eigene Alben und wirkte bei etlichen Musikproduktionen und internationalen Tourneen mit. 1994 sang sie zwei von Dieter Bohlen komponierte Songs für den Soundtrack der ZDF-Serie Die Stadtindianer. 2010 war sie Gesangscoach der Cas­ting Show „Popstars“ bei Pro7. Die Förderung neuer Talente macht ihr Freude. In der saarländischen Kleinstadt Neunkirchen, wo sie inzwischen ihren Hauptwohnsitz hat, unterrichtet sie den Musical-Nachwuchs und plant mit ihrer Produktionsfirma „Aura Entertainment“ neue Projekte. Im Sommer 2012 hat sie hier ihr selbst verfass­tes und komponiertes Musical Wasserphantasie uraufgeführt. Inszeniert wurde es von dem weltweit gefragten Opern- und Musicalregisseur Elmar Ottenthal, der in Bonn auch die neue Version von Frank Nimsgerns SnoWhite auf die Bühne brachte. Privat und künstlerisch gefunkt hat es schon 2009 bei den Proben zu Phantasma mit dem gebürtigen Österreicher.
Mit SnoWhite begann im Jahr 2000 die Musical-Karriere von Aino Laos. „Bei einem Konzert in Wuppertal erzählte mir ein Tontechniker vom Casting am Staatstheater Saarbrücken. Frank Nimsgern lud mich zum Vorsingen ein. Du kannst weder tanzen noch schauspielern, hast aber eine Superstimme, sagte man mir dort. Und vertraute mir gleich die große Rolle der Queen an.“ Sie stellte sich der Herausforderung, nahm privaten Schauspielunterricht und triumphierte – wie jetzt wieder in Bonn. „Selbstverständlich bin ich älter geworden und spiele die Figur heute anders als damals“, erklärt die immer noch jugendlich wirkende Frau mit dem langen blonden Haar und dem nachdenklich hellwachen Blick. „Die Eifersucht der Königin auf ihre Stieftochter Schneewittchen hat neue Dimensionen bekommen. Die Wut auf die Vergänglichkeit der Schönheit macht sie aggressiv. Sie will ein Superstar bleiben und Macht über die Menschen erlangen. Ich habe jetzt viel mehr Mut zum Charakter und zur Hässlichkeit.“
Persönlich interessiert Aino Laos sich für ein Megastar-Dasein kaum. „Was mich fasziniert, ist die Dreidimensionalität der Musiktheaterbühne, die lebendige Menschlichkeit und die emotionale Energie, die sich direkt in den Zuschauerraum überträgt. SnoWhite ist gewiss kein Kindermärchen, wie übrigens alle Grimmschen Stories. Aber gestern hat mich ein ca. zehnjähriger Junge beim Applaus so angestrahlt, dass mir wieder klar wurde: Man muss nicht jede raffinierte Anspielung erkennen, um die Aufführung zu begreifen.“
Buchstäblich durchs Theaterfeuer gegangen ist Aino Laos schon bei ihrem ersten Bonner Auftritt als Brunhild in Frank Nimsgerns Wagner-Musical Der Ring in der Spielzeit 2007/08. Mehrere Kolleginnen und Kollegen aus dieser Produktion hat sie hier wiedergetroffen. „Wir sind Gäste und gehören nicht zum festen Ensemble, aber das Arbeitsklima im Bonner Opernhaus ist wunderbar.“ Kurz nach unserem nachmittäglichen Gespräch wird sie sich in die Mas­ke begeben. Mindestens eine Stunde braucht es immer, bis aus der freundlichen Künstlerin in Jeans und Pulli das schillernde Kunstgeschöpf mit böser Miene und tollkühner Garderobe wird. „Ich bin gern früh da, weil dann ja noch die vielen Zwerge und Hexen hergerichtet werden müssen.“ Nach der letzten Vorstellung in Bonn am 27. April ist erst mal schöpferische Pause, bevor SnoWhite mit einem etwas verkleinerten Cast und reduzierter Bühnentechnik auf Tournee geht.
Mit dem Komponisten und Bandleader Frank Nimsgern verbindet Aino Laos seit der ersten Begegnung eine enge Produktivgemeinschaft. Sie arbeitete u.a. intensiv mit an seinen Musicals Poe und Phantasma und übernahm die weiblichen Hauptrollen. „Wir sind wie Geschwister, die sich manchmal erbittert fetzen und dann gleich wieder zusammenraufen.“ Mit Frank Felicetti, dem Librettis­ten von SnoWhite“, verfasste sie viele poetische Musical-Songs. Nur Sängerin zu sein, war ihr freilich immer zu wenig, erfahrene Marketingfachfrau ist sie ohnehin. „Das pure Geschäft mit der musikalischen Unterhaltung finde ich aber so krass, dass ich keine Lust mehr drauf habe.“ Revuen und Konzerte liebt sie zwar, möchte aber die künstlerische Substanz selbst bestimmen.
Ihre englische Staatsangehörigkeit hat sie trotz ihrer (1996 geschiedenen) Ehe mit einem deutschen Musiker behalten. Sie wohnt auch lieber in der Provinz als in Metropolen. „Ich schätze dieses bodenständig Greifbare, wo die Menschen den gesellschaftlichen Wandel anpacken wie in meinen heimatlichen britischen Midlands oder im Ruhrgebiet, wo ich einige Jahre lebte.“ Aino Laos fühlt sich magisch angezogen von Verwandlungen. „Stillstand ist mir gänzlich fremd“, bekennt sie ganz klar. „Tales of Transformation“ lautet entsprechend der Arbeitstitel ihres neuen Buches. Zum ersten Mal möchte sie ihre Texte dort auf Englisch („mein Wortschatz ist in dieser Sprache größer“) und auf Deutsch („für die Grammatik gibt’s Lektorate“) nebeneinanderstellen. Obwohl sie gern selbst malt und zeichnet, hat sie sich bei der Gestaltung für einen jungen Buch-Illustrator entschieden.
Ihren eigenwilligen Kopf durchgesetzt hat sie regelmäßig, und an Zukunftsideen wird es ihr vorläufig ganz sicher nie mangeln.

Dienstag, 01.10.2013

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