Kölner Philharmonie

Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen

Matthias Pintscher
Foto: Franck Ferville
Matthias Pintscher
Foto: Franck Ferville

Konzert - Ravel, Pintscher & Schumann

Leila Josefowicz, Violine
Matthias Pintscher, Dirigent


Maurice Ravel (1875 - 1939)
Ma mère l'oye
Cinq Pièces enfantines für Klavier zu vier Händen. Fassung für Orchester
Maurice Ravel (1875 - 1939)

Über die Entstehung dieses Werkes äußert sich Ravel in seinen autobiografischen Aufzeichnungen folgendermaßen: „'Ma mère l'oye', Kinderstücke für Klavier zu vier Händen, stammen aus dem Jahre 1908. Die Absicht, in diesen Stücken die Poesie der Kindheit wachzurufen, hat mich dazu geführt, meine Art zu vereinfachen und meine Schreibweise durchsichtiger zu machen. Ich habe aus diesem Werk ein Ballett gemacht, das vom Théatre des Arts einstudiert wurde. Das Werk wurde in Valvins für meine jungen Freunde Mimi und Jean Godebski geschrieben.“ Die Uraufführung der von Ravel erwähnten Ballettfassung fand am 21.1.1912 in Paris statt und wurde vom Publikum begeistert aufgenommen. Hierfür orchestrierte der Komponist nicht nur die Klavierversion, sondern fügte auch noch zwei neue Stücke sowie vier Zwischenspiele hinzu. Gleichzeitig fertigte Ravel noch eine zweite Orchesterfassung für den Konzertsaal an, die auf die für das Ballett hinzukomponierten Teile verzichtet und im wesentlichen eine Instrumentation der ursprünglichen fünfteiligen Klavierkomposition darstellt. Der eigenartige Titel „Ma mère l'oye“ bedeutet, wörtlich übersetzt, „Meine Mutter Gans“. Ravel übernahm ihn aus einer Märchensammlung des berühmten Franzosen Charles Perrault (1628 - 1703), die berühmt wurde als „Contes de ma mère l'Oye“ (Märchen meiner Mutter Gans), wie die Inschrift auf dem Titelblatt der Erstausgabe lautet. Darunter versteht man in Frankreich Erzählungen, die so alt sind wie die sagenhafte germanische Königin Bertha mit dem Gänsefuß (la reine Pédauque). Perrault kreierte in dieser Sammlung viele auch im deutschen Sprachraum berühmte Märchenfiguren, wie etwa das Rotkäppchen, den Gestiefelten Kater, das Aschenputtel oder den Herzog Blaubart. Dennoch beziehen sich nur zwei der fünf Stücke Ravels auf Perraultsche Märchen. Für die übrigen Stücke griff Ravel auf andere Märchensammlungen des 17. und 18. Jahrhunderts zurück. Am Anfang steht die „Pavane de la Belle au bois dormant“ (Pavane des Dornröschens), ein zartes und zerbrechliches Stück. Mit allereinfachsten Mitteln, mit einer kindlich anmutenden in sich kreisenden Melodie beschwört Ravel die Verzauberung eines Märchenwaldes und die magische Aura der schlafenden Prinzessin. In „Petit Poucet“ (Kleiner Däumling) versucht Ravel durch Achtelbewegungen, stufenweise ansteigende und plötzlich abbrechende Terzen sowie durch häufigen Taktwechsel das ängstliche und ziellose Umherirren der im dunklen Wald ausgesetzten Geschwister musikalisch darzustellen. Ein Kabinettstück der spielerischen Aneignung chinesischer Musik stellt der dritte Satz mit dem Titel „Laideronette, Impératrice des Pagodes“ dar. Ravel imitiert die Musik chinesischer Spieldosen. In hoher Lage erklingt ein kleiner Marsch. Das ganze Arsenal chinesisch klingender Schlaginstrumente wird aufgeboten. In der Oberstimme werden in Nachahmung der chinesischen Fünftonleiter nur Töne verwendet, die denen der schwarzen Klaviertasten entsprechen. „Les entretiens de la Belle et de la Bete“ (Die Gespräche zwischen der Schönen und dem Tier) schildern in sehr gedrängter Form die
wichtigsten Elemente der entsprechenden Märchenhandlung. Zunächst erklingt die sanfte Melodie der Schönen, die gefolgt wird vom düsteren, in extremer Tiefe angesiedelten Thema der Bestie. Eine lebhafte Unterhaltung entspinnt sich zwischen den ungleichen Partnern, in deren Verlauf das Thema der Bestie allmählich in die Höhe der Schönen emporsteigt. Schließlich vereinigen sich die beiden Themen zu einer neuen Melodie. Ein Glissando der Harfe kündet die Rückverwandlung der Bestie in einen schönen Prinzen an. Das Motiv der Bestie steigt aus den Tiefen der Verzauberung in sphärische Höhen und verwandelt sich in einen von den Violinen in höchsten Tönen getragenen Gesang. Dem Schlussstück mit dem Titel „Le jardin féerique“ (Der Feengarten) liegt kein Märchenprogramm zugrunde. Es bildet die feierliche Apotheose dieses Märchenreigens, Ravels Huldigung an die unschuldige, unberührte und allem Zauber zugängliche Seele des Kindes.
Spieldauer: ca. 20 Min.

Matthias Pintscher (*1971)
Assonanza
für Violine und Kammerorchester

Matthias Pintscher ist ein deutscher Komponist, der 1971 in Marl geboren wurde. Seine Lehrer waren Giselher Klebe und Manfred Trojahn, er ließ sich von Hans Werner Henze, Helmut Lachenmann und Peter Eötvos beeinflussen und nennt als wichtige Vorbilder Anton Webern und Luigi Nono. Klavier, Violine und Schlagzeug waren die Instrumente mit denen Pintscher aufgewachsen ist. Musikalisch befasst er sich mit allen großen Herausforderungen der Tradition wie Streichquartett, Orchestermusik oder Oper. Fast unbeeindruckt, bisweilen gar etwas erstaunt über den vielfältigen, mittlerweile auch internationalen Zuspruch, arbeitet er kontinuierlich an jenem Phänomen, welches heute mehr denn je Ausdruck höchster Authentizität sein dürfte: an seinem eigenen Personalstil. Zudem arbeitet Pintscher auch als Dirigent, nicht nur von eigenen Werken. Ab 2007 war Matthias Pintscher Professor für Komposition an der Hochschule für Musik und Theater München sowie seit 2014 an der Juilliard School in New York. Matthias Pintscher ist ab der Saison 2024-25 der neu ernannte Musikdirektor des Kansas City Symphony. Zuvor hat er ein erfolgreiches Jahrzehnt als Musikdirektor des Ensemble Intercontemporain hinter sich gebracht, dem von Pierre Boulez gegründeten ariser Ensemble für zeitgenössische Musik, das 2022 mit dem Polarpreis der Königlich Schwedischen Akademie ausgezeichnet wurde. Pintschers drittes Violinkonzert „Assonanza“ entstand im Jahre 2021 und wurde am 28.01.2022 in Cincinnati uraufgeführt. Die Widmungsträgerin ist Leila Josefowicz, die das Werk auch uraufgeführt hat. Es steht in der Nachbarschaft und Nachfolge zu dem im November 2020 entstandenen Violin-Solowerk „la linea evocativa“, das in expressiven Figuren die überwältigende Unsicherheit und die dissonanten Emotionen widerspiegelt, die der Ausbruch der Corona-Erkrankungen mit sich brachte. "Assonanza“ ist analog zur Wortbedeutung ein Spiel mit Anklängen und Variationen musikalischer Klangerkundungen zwischen Soloinstrument und Resonanzraum des Orchesters. Es ist ein Stück der Extreme, in dem sich Eruption, Resignation, Aufbäumen und Tonmeditationen abwechseln und den Dialog zwischen Geige und Orchester prägen. In diesem Konzert ist der Solist der Hauptträger der motivischen und thematischen Entwicklung, und der Resonanzraum des Orchesters wiederholt und variiert diese Ideen. Aber auch der umgekehrte Fall ist zu hören, bei dem das Orchester neue Ideen generiert, die die Solistin in ihre Linie einbaut. Dieser Ideenaustausch schafft eine Umgebung, in der das Orchester und die Solistin einander zuhören und immer wieder einmal für kurze Augenblicke verschmelzen dürfen.
Spieldauer: ca. 28 Min.

Robert Schumann (1810 – 1856)
Sinfonie Nr. 1 B-Dur op. 38
»Frühlingssinfonie«

Schon zwei Jahre bevor Schumann mit den ersten Skizzen zu seiner ersten Sinfonie begann, beschrieb seine Frau Clara den Weg, den er 1841 tatsächlich einschlagen sollte: „Ich glaube das beste ist, er componiert für Orchester, seine Phantasie kann sich auf dem Klavier nicht genug ausbreiten“. Auch Schumann selbst hatte zu dieser Zeit schon die ersten Impulse für den Einstieg in die „oberste Gattung der Instrumentalmusik“ erhalten, schienen seine in Wien gewonnenen Eindrücke von Schuberts „Großer“ C-Dur-Sinfonie doch endlich zu bestätigen, dass nach Beethovens Neunter ein neuer Weg möglich sei. Schuberts Sinfonie wurde zum neuen „Ideal“, das die „völlige Unabhängigkeit“ von Beethoven zu demonstrieren vermochte. Sie war es auch, die Schumann motivierte, „auch solche Sinfonien zu schreiben“. Im Januar 1841 gelangte er über die bis dahin Fragment gebliebenen sinfonischen Versuche hinaus und skizzierte innerhalb von vier Tagen seine Erste – ein Werk, das auch musikalisch dem neuen Vorbild verpflichtet ist: Sie nimmt nicht nur die Idee der „prunkhaft romantischen Einleitung“, sondern stellt dem Werk auch in Unisono der Bläser ein Motto voran, das hörbar an Schubert anknüpft. Schumann selbst schreibt über diese Sinfonie, deren ursprüngliche Satzbezeichnungen „Frühlingssinfonie - Abend - Frohe Gespielen - Voller Frühling“ lauteten, an Louis Spohr: „Ich schrieb diese Sinfonie (...) in jenem Frühlingsdrang, der den Menschen wohl bis in das höchste Alter hinauf und in jedem Jahre von neuem überfällt. Schildern, malen wollte ich nicht; dass aber eben die Zeit, in der die Sinfonie entstand, auf ihre Gestaltung und dass sie gerade so geworden ist, wie sie ist, eingewirkt hat, glaube ich wohl“. Der erste Satz (Andante un poco maestoso - Allegro molto vivace) beginnt mit der bereits oben erwähnten Fanfare der Blechbläser. Das Orchester antwortet mit rauschenden Läufen, dann kündigt ein Flötensolo den Frühling an. Klarinetten mit Fagotten und Hörnern bringen das zweite Thema, der Kampf des Frühlings mit dem weichenden Winter beginnt und wird gewonnen. Der Frühling hält unter dem Jubel des Orchesters seinen Einzug. Der zweite Satz (Larghetto) beginnt in märchenhafter, elegischer
Stimmung. Eine melancholische Linie wird entgegengeführt, träumerisch klingt der Satz aus, bis pathetische Posaunen-Töne zum Scherzo des dritten Satzes überleiten, das die Streicher mit einem robusten Thema beginnen. Zum Ausklang wird ein neues Thema herangeführt, was den poetischen Charakter des Satzes, das Lyrisch-tänzerische im Gegensatz zu schroffer Leidenschaft betont. Die zwei Trios des Scherzo gehören zu einem der schönsten Einfälle des Komponisten. Das Finale des vierten Satzes (Allegro animato e grazioso) ist ein rauschendes Frühlingsfest, klingt aber mehr pianistisch als sinfonisch. Das erste Thema entfacht ein munterer Wirbel, das zweite lässt das Orchester voll Freude über den angebrochenen Frühling ausklingen.
Spieldauer: ca. 35 Min.

Christoph Prasser

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Letzte Aktualisierung: 28.04.2024 21:01 Uhr     © 2024 Theatergemeinde BONN | Bonner Talweg 10 | 53113 Bonn