Kölner Philharmonie

Gürzenich-Orchester Köln

Ivor Bolton
Foto: Nancy Horowitz
Ivor Bolton
Foto: Nancy Horowitz

Tiefenscharf
Konzert - Haydn, Britten & Beethoven

Andrew Staples, Tenor
Ivor Bolton, Dirigent


Joseph Haydn (1732 – 1809)
Sinfonie Nr. 95 c-Moll Hob. I:95 (1791)

Im Herbst 1790 war Joseph Haydns Dienstherr Fürst Nikolaus I. Esterházy gestorben, der für beinahe 30 Jahre Haydns Gönner und Dienstherr gewesen war. Dessen Nachfolger Fürst Paul Anton hatte umgehend sämtliche Musiker, Sänger und Schauspieler entlassen. Haydn indes blieb im Amt, wurde von jeglichen Pflichten freigestellt und erhielt eine stattliche Pension. Er war also ein freier Mann, als ihn im November der Geiger und Konzertunternehmer Johann Peter Salomon in Wien aufsuchte und sprach: „Ich bin Salomon aus London und komme, Sie abzuholen; morgen werden wir einen Akkord schließen.“ Gegen ein Honorar von 5000 Gulden willigte Haydn ein, für London mehrere neue Werke, darunter sechs neue Sinfonien, zu komponieren und deren Aufführungen selbst zu dirigieren. Haydn sah der neuen Aufgabe mit großer Vorfreude entgegen, und als sein Freund Mozart ihn warnte: „Papa, Sie haben keine Erziehung für die große Welt gehabt und reden zu wenige Sprachen“, soll er geantwortet haben: „Meine Sprache verstehet man durch die ganze Welt“. Die Reise führte über Dover nach London, das Haydn bereits am 2. Januar 1791 erreichte. Es erwartete ihn ein fürstlicher Empfang, Lobeshymnen wurden gedichtet und der berühmte Musikhistoriker Dr.
Charles Burney hielt das Geschehen für die Nachwelt fest. Begeistert tauchte Haydn als Zuhörer in das Londoner Musikleben ein und wirkte ab März selbst mit, als er in der Konzertreihe Salomons mehrere Aufführungen seiner neuen, für London komponierten Werke leitete. Die auf diese Weise entstandenen zwölf „Londoner“ Sinfonien gelten als krönender Abschluss im sinfonischen Schaffen von Joseph Haydn, zugleich aber auch als Werke, die ganz neue Dimensionen für diese Gattung eröffnen. Angespornt durch das interessierte und musikliebende Londoner Publikum wie durch das hohe spieltechnische Niveau eines auch zahlenmäßig starken Orchesters schrieb Haydn Werke, die alle ein eigenständiges, ganz individuelles Profil zeigen. So auch die Sinfonie c-Moll Hob. I:95, die für Haydns erste Londoner Reise (1791/92) entstand: Sie gehört zwar zu den weniger gespielten Kompositionen unter den Londoner Sinfonien, offenbart jedoch Haydn, den originellen Sinfoniker, auf eine faszinierende Weise. Es ist das einzige Werk unter den Londoner Sinfonien, das in einer Moll-Tonart steht und auf eine langsame Einleitung im Eröffnungssatz verzichtet – doch diese braucht Haydn hier nicht, denn der „Konflikt“ zwischen dem leidenschaftlichen Tutti-Unisono des
Anfangs und der sanften, kammermusikalischen Fortsetzung bestimmt den Habitus des ganzen Werkes. Das Anfangsthema des 1. Satzes („Allegro moderato“) eignet sich für anspruchsvolle motivische Verarbeitungen; die lyrische Fortsetzung findet ihre Ausarbeitung im Seitenthema, dessen mehrmaliges Auftauchen wiederum als raffinierter Effekt benutzt wird, um den Eintritt der Reprise zu verschleiern. Der langsame 2. Satz („Andante“) bringt ein lyrisches Thema mit drei Variationen, die jedoch keineswegs „konfliktfrei“ bleiben: Die 2. Variation z.B. ist von scharfen dynamischen Kontrasten geprägt, und in der Coda wird das Thema durch ungewöhnliche Modulationen verfärbt. Auch das „Menuett“ des 3. Satzes lebt von kontrastierenden Abschnitten: Der Hauptteil lässt die Scherzo-Sätze eines Beethoven vorausahnen, während das Trio mit seinem Cellosolo auf die 1. Variation des langsamen Satzes zurückweist. Der Finalsatz („Finale. Vivace“) vereint die Rondoform mit einer kunstvoll- kontrapunktischen Textur und lässt dadurch unverhohlen die „Jupiter“-Sinfonie von Mozart assoziieren.
Spieldauer: ca. 21 Min.

Benjamin Britten (1913 - 1976)
Nocturne für Tenor und Kammerorchester op. 60 (1958)

Benjamin Britten wurde am 22. November 1913 in Lowestoft, England, geboren. Schon in seiner Kindheit zeigte er bemerkenswertes musikalisches Talent und begann frühzeitig Klavier und Komposition zu studieren. Seine Ausbildung setzte er an der renommierten Royal Academy of Music in London fort. Britten begann seine musikalische Karriere als Pianist, Komponist und Dirigent. Bereits in seinen frühen Arbeiten zeigte er eine starke Neigung zur Modernität und zur Verwendung unkonventioneller musikalischer Elemente. Ein wichtiger Meilenstein in Britten's Karriere war die Uraufführung seines Chorwerks „A Boy Was Born“ im Jahr 1934. Doch es war seine Oper „Peter Grimes,“ die 1945 uraufgeführt wurde und ihn international bekannt machte. Ein weiteres bedeutendes Werk von ihm ist das „War Requiem“ aus dem Jahr 1962. Dieses Anti-Kriegs-Werk, das Texte des Kriegspoeten Wilfred Owen verwendet, wird als eines seiner wichtigsten und eindringlichsten Stücke angesehen. Britten gründete 1948 das „Aldeburgh Festival“ in Suffolk, England, das zu einem wichtigen Zentrum für zeitgenössische Musik wurde.
Er lebte in einer langjährigen Beziehung mit dem Tenor Peter Pears, der auch sein musikalischer Partner war. Britten lebte offen als schwuler Mann, und seine sexuelle Orientierung beeinflusste einige seiner Werke, darunter die Oper „Billy Budd.“ Er verbrachte sein späteres Leben in Aldeburgh, wo er weiterhin komponierte und das Festival leitete. Er starb am 4. Dezember 1976 in Aldeburgh. Brittens Nocturne, op. 60 ist ein Orchesterliederzyklus für Tenor, sieben obligate Instrumente und Streicher. Die sieben Instrumente sind Flöte, Englischhorn, Klarinette, Fagott, Harfe, Horn und Pauke. Uraufgeführt wurde das Werk am 16. Oktober 1958 in der Leeds Town Hall im Rahmen des hundertjährigen Leeds Festivals von Peter Pears und dem BBC Symphony Orchestra unter der Leitung von Rudolf Schwarz.
Das Werk ist eine geheimnisvolle und ergreifende Erkundung von Schlaf und Dunkelheit und wird wegen seiner feinen Evokation des Phantasmagorischen oft als „Studie“ für den zwei Jahre später vollendeten Sommernachtstraum des Komponisten bezeichnet. Nocturne entfaltet sich über einen einzigen Satz, der durch acht kontrastierende poetische Texte strukturiert ist, von denen jeder (mit Ausnahme des ersten) von einem der obligaten Instrumente begleitet wird. Mit dem üblichen Eklektizismus erkundet Britten eine breite Palette von Textquellen, sowohl was das Alter als auch den Ton betrifft. Er greift dabei auf Shelleys „Prometheus Unbound“, Tennysons „The Kraken“, Coleridges „The Wanderings of Cain“ und „The Cain“, Thomas Middletons „Blurt, Master Constable“, Wordsworths „The Prelude“, „The Kind Ghosts“ von Wilfred Owen, „Sleep and Poetry“ von Keats und schließlich Shakespeares Sonnet 43 - „When most I wink, then do mine eyes best see“ zurück. Die kontrastierenden Abschnitte werden durch ständiges Hin- und Herbewegen zwischen Des- und C-Dur untermauert und durch die Wiederkehr eines wiegenden, atmenden Motivs verbunden, das das Nocturne eröffnet und das Werk auch zu seinem schimmernden Ende bringt.
Spieldauer: ca. 27-30 Min.

Ludwig van Beethoven 1770-1827)
Sinfonie Nr. 6 F-Dur op. 68 »Pastorale« (1807–08)

Beethovens „Pastorale Sinfonie,“ Opus 68, ist eine der bekanntesten und beliebtesten Sinfonien des deutschen Komponisten. Sie wurde zwischen 1806 und 1808 komponiert. Das Werk zeichnet sich durch ihre idyllische und programmatische Naturschilderung aus, da sie musikalisch die Schönheit der ländlichen Natur darstellt. Beethoven fand stets Trost in der Natur, wenn es um öffentliche Konflikte oder private Sorgen ging. In der Abgeschiedenheit von Feld und Land, weit weg von der Gesellschaft und den Menschen, war auch die fortschreitende Verschlechterung seines Gehörs weniger belastend. Er schrieb: „Wie froh bin ich, einmal in der Natur zu wandeln, fernab von Menschen, unter Bäumen, Kräutern und Felsen. Sie sprechen zu mir auf eine Weise, die kein Mensch vermag.“ Für ihn war die Natur heilig. Diese innige Verbindung zur Natur spiegelt sich auch in seiner „Pastorale“ wider Es handelt sich nicht nur um eine bloße programmatische Beschreibung der Natur, sondern um einen Dialog des Menschen mit ihr. Beethoven drückte seine Empfindungen und Emotionen aus und schuf musikalische Stimmungen, die er in der Natur und im Leben erlebte. „Mehr Ausdruck der Empfindung als Malerei“ hatte Beethoven ausdrücklich zu diesem Werk vermerkt.
Die „Pastorale“ ist ein einziger Hymnus auf die Schönheiten der Natur. Beethovens Naturliebe trifft so sehr auf unsere eigenen inneren Empfindungen, dass wir uns beim Anhören ganz mit ihr verbinden – und dass wir fast erschrocken Anteil nehmen, wenn im dritten Satz, dem „Lustigen Zusammensein der Landleute“, die heitere Stimmung plötzlich in Gewitter und Sturm umschlägt. Nach dem dritten Satz, der so überraschend mit einem ländlichen Gewitter endet, und nach dem vierten mit der Überschrift „Gewitter, Sturm“, bringt der Schluss noch einen beglückenden Hirtengesang. Nach Beethovens eigenen Worten schildert er „Frohe und dankbare Gefühle nach dem Sturm“, und die Sinfonie endet denn auch tatsächlich mit einem innigen Dank an die Natur, an die Gottheit. Beethovens oft geäußerte Liebe zur Schöpfung, hier gewinnt sie noch einmal eine ergreifende musikalische Gestalt, und vor diesen letzten Klängen der „Pastorale“ sei noch einmal an seine Worte erinnert: „Allmächtiger im Walde! Ich bin selig, glücklich im Wald. Jeder Baum spricht durch dich. O Gott! welche Herrlichkeit! In einer solchen Waldgegend, in den Höhen ist Ruhe, Ruhe ihm zu dienen.“
Spieldauer: ca. 45 Min.


Christoph Prasser

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Letzte Aktualisierung: 28.04.2024 21:01 Uhr     © 2024 Theatergemeinde BONN | Bonner Talweg 10 | 53113 Bonn