Best of Gestern - Malentes Theaterpalast - Kultur Nr. 180 - Oktober 2023
- Best of Gestern
Foto: Barbara Frommann
Best of Gestern
Foto: Barbara Frommann
Vergnügliche Zeitreise
Im Sommer wurde Malentes Theater Palast zum Kreuzfahrtdampfer, landete an der Reeperbahn und ging auf große Fahrt über alle Ozeane. Natürlich nur in der von Schiffsglocken, Küstennebel und Sylter Fischbrötchen beflügelten Fantasie: Das Spiegelzelt der bekennenden Nordlichter Knut Vanmarcke und Dirk Vossberg-Vanmarcke bleibt fest verankert in seinem neuen Heimathafen in Pützchen. Die sehr persönliche Show Meer Malente kommt Anfang 2024 wieder auf die Bühne der „Beuel Albert Hall“.
Zum silbernen Jubiläum sind sie nun auf eine Zeitreise gegangen auf den Spuren der malentiös magischen Momente aus 25 Jahren. Tatsächlich reicht die Zeitspanne der neuen Revue über mehrere Jahrzehnte Schlagergeschichte. Die Hausherren haben ihr Archiv durchstöbert und das Beste von Gestern herausgesucht. Aus den vier Jahrzehnte-Shows von den 50ern bis zu den 80ern und der European-Contest-Revue Zwölf Punkte für ein bisschen Frieden wurde ein Programm, das bei jeder Vorstellung anders sein kann. Denn das Publikum bestimmt mit, was auf die mit riesigen Schallplatten-Attrappen dekorierte Bühne kommt. Auf ein „Stop“ aus dem Zuschauerraum hält die ratternde Slot-Maschine – der Zufallsgenerator wurde amtlich überprüft! – an und zeigt, wo es die nächsten 20 Minuten hingeht. Jedes Jahrzehnt kann auch mehrfach vorkommen. Jeweils drei Blöcke mit – nach Angaben des Theaters – insgesamt 148 Kostümen und 64 Perücken sind vorbereitet. Aber jede Vorstellung wird anders. Sicher ist nur: Vor dem unverwechselbaren parodistischen Genie der Malentes bleibt keine Epoche sicher. Manche Gags sind aufgefrischt; auch wer alle Produktionen schon erlebt hat, darf mit Überraschungen rechnen. Als großartige weibliche Verstärkung haben die beiden Herren sich dafür die bewährten Mitstreiterinnen Stephanie Lamm und Annemarie Reuter ins historische Spiegelzelt geholt.
Bei der Premiere machten die 70er den Anfang. Und schon stürmen die „Fahrenden Musikanten“ los. Der Spatz von Avignon blickt hinter die Kulissen von Paris, und eine beliebte Kaffeemarke krönt den Frühstückstisch. Zurück in die 50er und zu der Revue, mit der 2005 im Kleinen Theater die Bonner Erfolgsgeschichte der Malentes begann. Tanzstunden entfalten ungeahnte Tücken, Petticoats fliegen, und Trude Herr will keine Schokolade. Ein bisschen bleibt man noch in dieser Epoche beim Rückblick auf den ESC. Der hieß noch „Grand Prix Eurovision de la Chanson“, als 1958 das Lied „Volare“ nur den dritten Platz belegte, aber ein Welthit wurde. An den italienischen Sänger Domenico Modugno erinnert sich kaum noch jemand, aber das Publikum singt auch 65 Jahre später noch begeistert mit. Die „Sommermelodie“ von Cindy & Bert kam 1974 auf den letzten Platz, aber 1982 schaffte die damals 17-jährige Nicole mit „Ein bisschen Frieden“ den ersten Sieg für Deutschland. Im Theater Palast erscheint sie gleich vierfach und mehrsprachig, bevor das brillante Quartett nach der Pause in die 80er springt.
„Dann heirat‘ doch Dein Büro“ von Katja Ebstein singt die wütende Mama im feschen Dirndl beim Bügeln, während das aufmüpfige Töchterchen nicht mehr mit den Eltern Urlaub in Bad Reichenhall machen will, sondern per Interrail ganz Europa bereisen. Der Denver-Clan erobert die deutschen Bildschirme, die wütende Nina Hagen klagt immer noch über den vergessenen Farbfilm, und Madonnas „Material Girl“ im geblümten Morgenrock lässt die Lachtränen fließen. Ireen Sheers „Feuer“ erklingt als kleine Hommage an die Bonner Feuerwehr. Womit es fast nahtlos weitergeht zum ESC (bei der Premiere zum zweiten Mal ausgelost) und „Dschingis Khan“. Bei Ebsteins „Theater“-Song hält es kaum noch jemanden auf den Sitzen. Zum Finale haben die vier fabelhaften Spieler noch jeweils ein persönliches Lieblingslied aus dem schier unerschöpflichen Fundus geholt. Dass der kleine Friesenjunge, der bekanntlich hinterm Deich wohnt, regelmäßig auftauchen wird, ist also wahrscheinlich. Der Rest ist Glücksspiel. Aber egal, was der Automat aus der KI-Steinzeit fixiert: Sängerisch und tänzerisch (Choreografie: Luca Graziosi) bleibt die Revue einfach unwiderstehlich. Wie das aufgeweckte Team sich mit atemberaubendem Tempo und ironischem Witz (Regie und Moderation: Dirk Vossberg-Vanmarcke) durch die Hitparaden jongliert, macht großen Spaß. Garantiert bei jeder Vorstellung anders. Selbst die Akteure wissen vorher nicht, in welche Rolle und welches Kostüm sie nachher schlüpfen werden. Ein Sonderlob verdienen deshalb der Tontechniker Jim Taubitz, der alle Zufälle im Griff behält, und der neue Maskenchef Andreas Hintz, der hinter der Bühne für Ordnung im Wahnsinn sorgt. Fulminanter Premierenbeifall. E.E.-K.
Spieldauer ca. 2 ¼ inkl. Pause
Freitag, 01.12.2023
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