Arabische Nachtmusik - Oper - Kultur Nr. 177 - April 2023

Musikalisches Traumspiel mit dem Kinder- und Jugendchor

„Schwer liegt auf uns die Nacht“, singen sie. Die Erfahrung der Einsamkeit während der Pandemie klingt nach in der neuen Produktion des Kinder- und Jugendchors der Oper Bonn. Nach den erfolgreichen Stücken Fremd bin ich eingezogen und Faust hat der Autor und Regisseur Jürgen R. ­Weber zusammen mit der musikalischen Leiterin Ekaterina Klewitz ein weiteres Werk für das große junge Ensemble geschaffen. Es ist eine spielerische Weltreise zwischen Zukunft und Gegenwart und ein spannendes interkulturelles Experiment.
Wie eine Albtraumwelt mutet das Dasein auf dem Planeten Aioù an, wo kleine menschliche Wesen namens Aoa leben. Eher künstlich am Leben gehalten werden von einer geheimnisvollen Maschinerie. Sicherheit garantiert das Verschwinden jeglicher Individualität in der Masse. Alle tragen spitze Mützen und vor dem Bauch seltsam anthropomorphe magentafarbene Luftsäcke (Bühne und Kostüme: Tristan Jaspersen), aus denen sie den Stoff zum Atmen beziehen. Sie reden und singen in einer bizarren Comicsprache mit skurrilen Wortspielen. Gesteuert werden sie von einer Künstlichen Intelligenz, die sie Klabüff nennen. In dieses Fantasy-Reich dringen plötzlich Töne von fremdartiger Schönheit. Es ist der Traumsänger Feirefiz (manche kennen den Namen des Sohns verschiedenfarbiger Eltern aus dem mittelalterlichen „Parzival“-Epos), der in den Aoa die Sehnsucht nach fernen Ländern weckt. Verkörpert wird er von dem syrischen Bariton Hussain Atfah, der 2015 aus seiner Heimat fliehen musste und nun in Hamburg und Lübeck singt.
Mozarts „Kleine Nachtmusik“ – witzig vertextet – ist der musikalische Ausgangspunkt des Abenteuers. Natürlich darf der „Türkische Marsch“ aus der Klaviersonare Nr. 11 nicht fehlen, und ein rheinischer Lindwurm wird per Zauberflöte besänftigt. Nur mit Wagner hat Klabüffs Programm einige Schwierigkeiten, so dass aus Siegfrieds „Heiliger Waffe“ unversehens eine „Eilige Waffel“ wird. Im Hintergrund entfalten die fantasievollen Videos von Gretchen Fan Weber (alias Filmemacher Jürgen R. Weber) ihre sugges­tive Wirkung von Horrorfratzen bis Märchenorient.
Der riesige Chor und die jungen ­Solisten haben vor dieser dominanten Kulisse zwar spielerisch nicht viel zu tun, musikalisch um so mehr. Von ­Atfah, der auch die Oud spielt, erklingen sogar zwei neue eigene Kompositionen. Ekaterina Klewitz hat das Ganze nicht nur arrangiert für Kammerorchester und orientalische Instrumente (Oud, Ney, Tombak, Daf und Santur), sondern führt am Pult des klein besetzten Beethoven Orchesters auch souverän durch alle Merkwürdigkeiten. Eine Übersetzung ins Arabische gibt es auch. Das überwiegend junge Publikum jubelte nach der fast ausverkauften zweiten Vorstellung wie bei einem Popkonzert. E.E.-K.

Spieldauer ca. 75 Minuten, ohne Pause
Die nächsten Termine: 22.03. // 30.03. // 18.05. // 4.06.23

Montag, 01.05.2023

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