Die Currywurst-Queen - Contra Kreis Theater - Kultur Nr. 177 - April 2023

Witzige Schlager-Revue

„Um Geld verachten zu können, muss man’s haben“, weiß Dörte, Pächterin einer Currywurst-Bude irgendwo in einer mittleren Großstadt. Und was passiert, wenn man’s plötzlich hat? So zerronnen wie gewonnen? Die alte Märchenmoral steht jedoch nur im Hintergrund der fabelhaften Show Die Currywurst-Queen im Contra-Kreis, einer Koproduktion mit der Landesbühne Rheinland-Pfalz. Das muntere Team in der Inszenierung von Axel Weidemann lässt Gags und Pointen so witzig prasseln, dass es völlig ‚wurst‘ ist, wer sich hinter den Autoren-Pseudonymen verbirgt, die die Story angebraten haben. Viele alte Schlager-Hits liefern den eigentlichen Zündstoff zwischen Pommes und süßscharfer Soße. Wunder gibt es immer wieder, hier wird’s zum spielerischen Ereignis.
Und immer wieder geht die Sonne auf, wenn Dörte (hervorragend: Katrin Höft) morgens ihren Kittel überzieht und ihren Imbiss öffnet. Da treffen sich der müde Taxifahrer Heiner (Thomas Peters), der wieder mal zu wenig lukrative Fahrten hatte und wie üblich anschreiben lässt, der freundliche Müllwerker Günni (Sören Ergang), eine nicht ganz nüchterne Nonne, ein Obdachloser, der nette Mann im peinlichen Geflügelkostüm von der Nachtschicht am Hähnchengrill und die junge Mutter Mandy (Stella ­Withenius) mit dem enervierend krähenden Baby, dessen Vater als Lehrer kurz vor Unterrichtsbeginn nicht gestört werden möchte. Wobei Bendix‘ Babysitter-Boogie von 1961 schnell seine Wirkung zeigt. Die aufgeweckten Senioren auf der Suche nach Supermarkt-Schnäppchen kommen etwas später, die Hippies und die hippen Start-Up-Typen erst, wenn der Tag schon weiter fortgeschritten ist. Es ist also ein bunter Querschnitt durch die Gesellschaft mit Stammgästen eher aus der unteren Einkommensklasse und Zufallsgästen aus höheren Regionen. Das überraschend auftauchende Flugbegleiterinnen-Ballett in türkisfarbenen Uniformen macht jedenfalls klar: Wenn der Nahverkehr schon nicht funktioniert, muss die Freiheit über den Wolken wohl grenzenlos sein.
Die sympathische Dörte hat für alle ein gutes, gern auch robustes Wort und vor allem ein großes Herz. Leider sieht es – deswegen oder trotzdem – finanziell nicht so rosig aus, weshalb eine strenge Gerichtsvollzieherin (Thea Seibert von Fock) mit der Pfändung der Currywurstbude droht. Da hilft auch Dörtes geliebter Goldfisch Polly nichts, der sich in seinem Glas wahrscheinlich für einen sündhaft teuren Koi hält. Womit die Geschichte der Currywurst-Queen, die im Februar ihre stürmisch umjubelte Bonner Premiere feierte, fast schon erzählt ist. Dörte findet also einen Haufen Geld und möchte damit aus ihrer schlichten Hütte einen Gourmet-Treffpunkt für die urbane Schickeria machen. Für Leute mit „Style“ und Kohle: Mit Currywurst atemlos durch die Nacht.
Im Bühnenbild von Tom Grasshof hat sich das alte Lokal-Büdchen nach der Pause in einen schick beleuchteten urbanen Edel-Imbiss verwandelt mit Champagner-Ausschank und französischem Koch (köstlich auch als Tänzer: Tobias Ziebold), der seine Menü-Lyrik sternverdächtig zelebriert. Immer wieder für Überraschungen gut sind auch die Kostüme von Monika Seidl. Rund fünfzig Outfits hat sie den neun, irrwitzig schnell die Rollen ­wechselnden Akteuren auf den Leib geschneidert, was eine perfekte ­Logistik hinter den Kulissen verlangt. Nur Dörte bleibt in der höchst vergnüglichen Mischung aus Situationskomik und Schlager-Seligkeit stets sie selbst, auch wenn sie sich nun Dolores nennt. Geschmacklich tollkühnes Diven-Gewand, Sprach- oder Model-Coaching, Currywürste aus Athen oder der Hair-Guru aus der Aquarius-Epoche – alles vergeblich. Das Geld ist rasch futsch, aber mit dem hinreißend tanzenden (Choreografie: Alina Schaumburg) und singenden (musikalische Leitung: Thomas Guthoff) ­Ensemble kann alles nur gut ausgehen: Du gehörst zu uns, und ihr gehört zu mir: Wir-Gefühl ironisch heiter gegrillt.
Neben den bereits genannten Mitgliedern des erfrischend agilen Ensembles (überwiegend Contra-Kreis-Debütant/innen, aber erfahrene Musical-Darsteller/innen) sorgen noch Vera Gobetz und Kenny S. Cassel in kaum zu zählenden Rollen für beste Laune. Spätestens bei Wolfgang Petrys Hit Wahnsinn singt das Publikum den „Höllen“ Refrain begeistert mit. Den größten Spaß machen jedoch die beiden trippelnden Rollator-Omas, die sicher wissen: „Liebeskummer lohnt sich nicht“. Bevor alle die Bühne rocken und niemand mehr daran zweifelt: Für diese Currywurst-Queen muss es rote Rosen (pardon: natürlich Currywürste) regnen. Verraten sei: In Neuwied, wo das Stück im Dezember 2022 uraufgeführt wurde, gibt es tatsächlich ein Currywurst-Festival. Aber auch etwas weiter rheinabwärts macht die Königin des jahrzehntelang zu den kulinarischen Highlights der deutschen Küche zwischen Spree, Elbe und Ruhr zählenden Kalorienbombe einfach Riesenspaß. Beglückter Premierenapplaus mit Standing Ovations im ausverkauften Contra-Kreis. E.E.-K.

Spieldauer ca. 2 ¼ Stunden inkl. Pause
Im Spielplan bis zum 26.03.23

Montag, 01.05.2023

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