Tango unterm Regenbogen - Kleines Theater - Kultur Nr.171 - Mai/Juni 2022

Tango unterm Regenbogen
Foto: Patric Prager – die Prager Botschaft
Tango unterm Regenbogen
Foto: Patric Prager – die Prager Botschaft

Plädoyer für eine bunte Gesellschaft

Philipp Sonntags schillernde Dreiecksgeschichte Maria Stuart & Elisabeth mit ihren geschliffenen Dialogen ist mittlerweile abgespielt. Nun wird Tango getanzt im Kleinen Theater. Tango: Das ist Verlangen, Leidenschaft, Verdacht, Eifersucht, Hass, Schmerz. In genau dieser Reihenfolge schafft es Anne in einer knappen Viertelstunde, aus heiterem Himmel eine handfeste Ehekrise zu provozieren. Reichlich beschwipst mit ihrem Gatten Martin von der Feier ihres siebten Hochzeitstages bei Freunden heimgekehrt ins bürgerliche Wohnzimmer, scheint alles auf ein zärtliches Finale im Bett zuzulaufen. Doch was wie ein lustvolles verbales Vorspiel beginnt, wird zum ehelichen Desaster. Ihre liberale Freundin Juliane, Verfechterin offener Beziehungen als Garantie für ein glückliches Eheleben, hat voller Stolz vom Coming Out ihres Sohnes Simon berichtet. Obwohl wirklich nichts darauf hindeutet, hat Anne plötzlich die fixe Idee, Martin sei schwul. Dabei vergöttert der seine Frau, ist hemmungslos treu und keinen außerehelichen Abenteuern zugeneigt. Zugegeben: Sein Hass auf die Schwiegermutter ist weit überdurchschnittlich, seine Witze sind nicht sonderlich geistreich, und Annes Tanzbegeisterung teilt er nachdrücklich nicht. Bei Annes strengem Verhör kommt dann auch noch eine Jahrzehnte zurückliegende kurze pubertäre Lovestory mit seinem Schulfreund Dominik heraus. Und schon ist Schluss mit der Liebe und der ach so eifrig beschworenen Aufklärung und Toleranz.
Um die bürgerliche Doppelmoral kreist die Komödie Tango unterm ­Regenbogen, die jetzt im Kleinen Theater ihre mit herzlichem Beifall belohnte Premiere feierte. Verfasst haben das muntere Stück der 2020 mit 83 Jahren verstorbene, bekannte Schauspieler Folker Bohnet und sein aus Bad Godesberg stammender Lebenspartner Alexander Alexy. Manche ihrer eigenen Familienerfahrungen sind in das Drama eingeflossen. Inspirieren ließen die Autoren sich zudem von Carlos Sauras Film Tango (1998), aus dem mehrere Musikstücke zitiert werden. Selbstverständlich darf auch ein Lied des berühmten argentinischen Tango-Erneuerers Astor Piazzolla nicht fehlen. Eigentlich sollte Bohnet, der mehrfach im Kleinen Theater zu Gast war, das Werk hier noch selbst inszenieren. Nun hat Theaterchef Frank Oppermann (Regie, Bühne, Kostüme) es auf die Bühne gebracht. Charmant, ein bisschen frivol mit leichthändig gesetzten Pointen, witziger Überzeichnung der klischeehaften Figuren und vor allem im zweiten Teil mit eleganten Tangonummern, die Patrick ­Scheurer von der Bonner Tanzschule Lepehne-Herbst den Schauspielern auf den Leib choreografiert hat. Angeregt auch von der argentinischen Queer-Tango-Szene, die die traditionellen Geschlechterrollen aufbricht und unter dem Zeichen des Regenbogens neue Ausdrucksformen dieses Tanzes erprobt. Die Produktion wurde außerdem freundlich unterstützt vom Konsulat der Republik Argentinien in Bonn.
Bevor das Darstellerquartett nach der Pause seine tänzerischen Qualitäten beweisen kann, muss ein Handlungskonstrukt gebaut werden, das die Gründe dafür liefert. ­Josephine Gey gibt die ebenso attraktive wie verklemmte blonde Anne, die ihre glückliche Ehe an den Abgrund treibt, um sich dann bei Martins altem Teddybär auszuweinen. ­Judith ­Speckmaier ist ihre temperamentvolle beste Freundin Juliane, die zwischen Friseur und ­Mode­salon hin und her hetzt, ständig in den sozialen Medien unterwegs ist und bei Annes ­hysterischem Lamento kurz ­einnickt. Daniel Baaden spielt den anhänglichen Martin, ein gutaussehender Typ, der stets nur das Beste will. Im Gegensatz zu diesen arrivierten Mittvierzigern erscheint Pascal Schürken in der Rolle des langhaarigen jungen Simon als quirliger Lebenskünstler. Als den beiden Damen kurz vor einem großen Turnier die Tanzpartner abhandenkommen, übernimmt der begabte Tangofan das Training und ­animiert sogar Martin zu koketten Hüftschwüngen. Alle Paarkonstellationen sind möglich, und Simon mit seiner spielerischen Intelligenz hat noch allerhand Überraschungen parat … E.E.-K.


Spieldauer ca. 2 Stunden 15 Minuten, inkl. einer Pause

Sonntag, 01.05.2022

Zurück

Merkliste

Veranstaltung

Momentan befinden sich keine Einträge in Ihrer Merkliste.



Letzte Aktualisierung: 06.12.2024 21:01 Uhr     © 2024 Theatergemeinde BONN | Bonner Talweg 10 | 53113 Bonn