12 Punkte für ein bisschen Frieden - Malentes Theater Palast - Kultur Nr.170 - April 2022

Plakat "12 Punkte für ein bisschen Frieden"
Foto: Stefan Mager
Plakat "12 Punkte für ein bisschen Frieden"
Foto: Stefan Mager

Die schönsten Evergreens aller ESC-Zeiten

Endlich hat der Grand Prix einen eigenen Platz in Bonn. Zugegeben: Es ist eine besondere Variante und nicht ganz offiziell, aber dafür live und ohne Konkurrenzdruck. Vor vierzig Jahren gewann erstmals Deutschland den Eurovision Song Contest. Die damals 17-jährige Nicole überzeugte 1982 mit ihrem sympathischen Lied „Ein bisschen Frieden“. Mehrere Wochen nach dem Beginn des brutalen Krieges eines russischen Despoten gegen ein europäisches Land ist die Hoffnung auf Frieden in der Welt brüchig geworden. Am Ende der neuen Show in Malentes Theater Palast bat Dirk Vossberg-Vanmarcke denn auch darum, beim ESC im Mai 2022 in Turin der Ukraine als Zeichen der Solidarität unabhängig von der Qualität ihres Wettbewerbsbeitrags zwölf Punkte zu geben. Mittlerweile sind Russland und Belarus von der Teilnahme ausgeschlossen worden, und bei allen gängigen Buchmachern wird die Ukraine als klarer Favorit gehandelt.
Bereits 2010 hatten die Malentes unter dem Titel Zwölf Punkte für ein bisschen Frieden die ­ersten 50 Jahre des ESC im Kleinen Theater auf ihre sehr spezielle, heiter-ironische Art Revue passieren lassen. Nun haben Knut Vanmarcke und Dirk Vossberg-Vanmarcke das größte Ereignis der europäischen Song-Kultur in ihr Spiegelzelt an der B9 geholt. Mit den schönsten Tops und Flops der mittlerweile über 60-jährigen Grand-Prix-Geschichte. Zum Abheben ins Blaue gibt es natürlich „Volare“, das 1958 zwar nur den dritten Platz belegte, aber einer der größten Hits aller Schlagerzeiten wurde. Da ist Mitsingen erwünscht, bis Trapattoni fertig hat. „Zwei kleine Italiener“ kam als deutscher Beitrag 1962 auch nur auf den sechsten Platz (kein einziger Punkt aus Italien!), aber selbst das Publikum unter 60 kennt noch die Sehnsucht der beiden nach dem heimatlichen Napoli.
Schön war die Zeit, als die Lieder noch in den jeweiligen Landessprachen präsentiert wurden und es einen verbindlichen Dresscode gab. Apropos Dress: Die rasanten Kostüm- und Perückenwechsel – ein Markenzeichen der Malentes – funktionieren wieder mit solch perfektem Timing, dass man fest daran glauben darf: „Wunder gibt es immer wieder“ (dritter Platz 1970). Und plötzlich steht Katja Epstein mit kessem Berliner Akzent auf der Bühne (ihr Lied „Theater“ reichte 1980 leider nur für den zweiten Platz), während Punk-Lady Nina Hagen eine radikale Osterweiterung des ESC und zwölf Punkte für Bangladesch fordert, um dann mit einem grimmigen „Omm!“ den Kollegen Shivas Segen zu wünschen. „Waterloo“, mit dem ABBA beim ESC 1974 siegte (die Jahreszahlen werden per Bildschirm angezeigt), gehört zu den Glanznummern der schillernden Show. In weißen Kostümen (angefertigt wieder von Melanie Rosewick) auf atemberaubenden silbernen Plateauschuhen stellen sie die unverwüstlichen schwedischen Popstars beinahe in den Schatten. Wobei die opulente Lichtmaschinerie für blendende Strahlengewitter sorgt. Es sind die vielen kleinen, mitunter auch monströsen parodistischen Übertreibungen, die mit typisch malentiösem Unernst zu einem Cocktail gemixt sind, der selbst notorische ESC-Verweigerer (inkl. -innen und allen anderen) mitreißt ins Schlager-Traumland. Die witzige Choreografie von ­Sebastian Kraft ist dabei ein echtes Highlight.
Kein Klischee ist sicher vor dem spielerischen Genie der beiden Hausherren und der zwei Damen, die sie sich für die historische Reise ins Boot geholt haben. Allen voran Stephanie Lamm, die fast schon zur Familie gehört. Mit ihrer grandiosen Bühnenpräsenz und ihrer voluminösen Stimme ist sie ein Energiezentrum im Wechselbad der echten und falschen Gefühle. Fabelhaft bewährt sich auch die zierliche Annemarie Reuter. Allein ihr Auftritt als zappelige Lena mit ­„Satellite“ (deutscher Überraschungssieg 2010 in Oslo) ist die Höchstpunktzahl wert. Entzückend ist auch ihr Auftritt als France Gall mit „Poupée de cire“.
Friedens-Nena taucht gleich vierfach auf, ebenso wie das hebräische „Hallelujah“ (1979 Sieg für Israel) und die bärtige Conchita Wurst (2014 Sieg für Österreich). Der Österreicher Udo Jürgens gibt sich die Ehre ebenso wie Dschingis Khan und viele andere, die in den internationalen Charts aufstiegen oder verschwanden.
Eine amüsante Lehrstunde zur europäischen Länderkunde (Jugoslawien verschwand von der Karte, neue Staaten wurden zwar nicht Teil der EU, aber der Eurovision) gibt’s auch noch. Auf „Guildo hat euch lieb!“ (siebter Platz 1998) sollte man eher nicht vertrauen, aber das musikalische Vergnügen bleibt ungetrübt im Bonner Theater Palast. Zwölf Punkte für die Malentes sind dort so gut wie sicher.
Standing Ovations bei der fast bis auf den letzten Platz besetzten Vorpremiere. Zu den animierten Gästen zählten u. a. auch der Bonner Ex-OB Sridharan und Stadtdechant Picken. E.E.-K.

Spieldauer ca. 2 Stunden inkl. Pause

Freitag, 01.04.2022

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