Nein zum Geld! - Kleines Theater -Kultur Nr.168 - Januar/Februar 2022

Nein zum Geld
Foto: Patric Prager – die Prager Botschaft
Nein zum Geld
Foto: Patric Prager – die Prager Botschaft

Spiel mit dem Glück

Gern wird behauptet, dass Geld nicht glücklich mache. „Geld ist nicht alles. Aber viel Geld, das ist etwas anderes“, meinte der kluge George Bernard Shaw. Richtig viel Geld hat der junge Architekt Richard im Lotto gewonnen: 162 Millionen Euro! Er müsste also einer der glücklichsten Menschen in ganz Frankreich sein, doch er hat nach reiflicher Überlegung beschlossen, den Gewinn verfallen zu lassen. Diese Entscheidung will er bei einem netten Abendessen seiner Gattin Claire, seiner Mutter Rose und seinem besten Freund Etienne eröffnen. Stéphane Hessels Bestseller Empört Euch! kann er zitieren, Thomas Pikettys Das Kapital im 21. Jahrhundert hat er vermutlich auch gelesen. Richard sagt Nein zum Geld!
So heißt auch die 2017 in Paris uraufgeführte Komödie der französischen Schauspielerin, Filmregisseurin und Dramatikerin Flavia Coste. Es ist das dritte Stück der 1973 geborenen Autorin und mittlerweile auch in Deutschland ein großer Erfolg. Im Kleinen Theater hat Hausregisseur ­Stefan Krause den geistreichen Essay über die Macht des Geldes inszeniert und auch die Bühne gestaltet. Statt des erwarteten Lobes für seine mutige Entscheidung erntet Richard erst Spott, dann Wut. In der bescheidenen Wohnküche des Verehrers der Architekturikonen Le Corbusier und Frank Lloyd Wright mit entsprechenden Fotos an der Wand erhebt also bald der „Gott des Gemetzels“ sein drohendes Haupt, auch wenn Costes Dialoge nicht ganz die bissige Eleganz der Bühnentexte von Yasmina Reza erreichen.
Marcus Abdel-Messih spielt bei seinem Debüt im Kleinen Theater den sympathischen Lebenskünstler Richard im bunten Hemd, der mit seiner prekären Existenz recht zufrieden ist und die Liebe seiner Angehörigen über alle monetären Erfolge stellt. Zumal sein Glück purer Zufall ist, bekanntlich nur die Armen der Glücksspiel-Werbung auf den Leim gehen und etliche Bespiele beweisen, dass bürgerliche Existenzen an Lottogewinnen zugrunde gingen. Richard hat nur im Andenken an seinen verstorbenen Vater heimlich gewettet und regelmäßig auf das Hochzeitsdatum seiner Eltern gesetzt. Bei einer statistischen Chance von Eins zu rund 140 Millionen auf den Jackpot erschien das gefahrlos und eher als Einblick in seine psychische Verfassung.
„Mein Hochzeitsdatum!“ erklärt dann auch flugs die Mama zur Rechtfertigung ihrer Ansprüche. Heike Schmidt im eleganten kleinen Schwarzen gibt hinreißend komisch die lustige Witwe mit allerhand wenig erbaulichen Erfahrungen bei Dating-Portalen, mit hysterischen Asthma-Anfällen und furiosen Einblicken in die Familiengeschichte bis hin zu vorgeburtlichen Verbrechen ihres Sprösslings. Frank Baumstark spielt gewitzt im Kreativität signalisierenden Outfit den Freund, kurz vor der Pleite stehenden Arbeitgeber und politischen Netzwerker. Was hätte man alles machen können mit dem vielen Geld? Beispielsweise endlich Richards bahnbrechendes Projekt Seniorenwohnungen auf Pfählen realisieren. Zugegeben: Für die Rettung der Welt reichen 162 Millionen nicht ganz, aber wenn man’s schon nicht unmoralisch verprassen will, wäre doch mindestens eine großzügige Spende ans Theater nützlich gewesen.
Leonie Houber als Claire, die als Französischlehrerin den Lebensunterhalt für sich und Richard verdient, mimt die verständnisvolle Gattin, bis sie an der Kühlschranktür den ominösen „Glücks-Schein“ findet. Der ist noch wenige Stunden gültig. Aus dem hoffnungslosen Fall wird plötzlich eine veritable letzte Chance. Während Richard stocknüchtern zunehmend verstummt, tauscht der Rest den billigen Schaumwein bald gegen Höherprozentiges aus der Hausbar und geht zum Frontalangriff über. Die Küche wird zum Schlachtfeld mit wechselnden Bündnissen, während ­Claires Braten im Backofen zu Kohle (!) mutiert. Wie weit die drei Gefechtspartner beim Kampf um die fette Knete gehen und ob Richard das überlebt, erfährt man in der kurzweiligen, bissig-witzigen Inszenierung. Vergnügter Premierenapplaus. E.E.-K.

Spieldauer ca. 1 ¾ Stunden,
inkl. einer Pause
Die nächsten Termine: 22.-23.12. // 26. - 31.12.21

Samstag, 01.01.2022

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