La Cenerentola - Oper - Kultur Nr.167 - Dezember 2021

La Cenerentola
Foto: Thilo Beu
La Cenerentola
Foto: Thilo Beu

Heiteres muikalisches Märchenglück

Braves armes Mädchen bekommt gegen alle Widerstände am Ende den begehrten schönen und reichen Prinzen: Das ist ein seit Jahrhunderten beliebtes Märchenmotiv, und Aschenputtel/Aschenbrödel/Cinderella ist die prominenteste Vertreterin der unterdrückten Stieftöchter, denen mit Hilfe von Zaubermächten die verdiente Gerechtigkeit zuteilwird. In Rossinis 1817 in Rom uraufgeführtem Dramma giocoso La Cenerentola ossia la bontà in trionfo heißt sie Angelina, ist von engelhafter Güte und Geduld und wird allen Widersachern verzeihen.
Der Regisseur Leo Muscato, in seiner italienischen Heimat an allen großen Häusern gefragt, in Deutschland bisher exklusiv an der Oper Bonn tätig (die großartige Inszenierung von Händels Xerxes 2018 und die bisher nur online gezeigte witzige Agrippina 2021 waren echte Highlights), erzählt die Geschichte mit köstlichem Spielwitz. Dass bei der Premiere nach der spritzigen Ouvertüre, die der damals gerade 25-jährige vielbeschäftigte Komponist seiner wenige Monate zuvor in Neapel uraufgeführten Oper La Gazzetta entnahm, der Vorhang klemmte, wäre auch als Inszenierungs-Gag vorstellbar. Auf der Bühne von Andrea Belli dreht sich eine riesige Wendeltreppe, mitunter fährt eine Balustrade für mehr oder minder heimliche Beobachter vom Schnürboden herunter, der Raum ist je nach Beleuchtung (Licht: Max Karbe) entweder das reichlich verrottete Schloss des Don Magnifico oder der Palast des auf Freiersfüßen wandelnden Prinzen Don Ramiro.
Damit beginnt auch schon ein irres komödiantisches Verwechslungsspiel, denn Don Ramiro will heimlich die Tugenden seiner Heiratskandidatinnen erkunden, gibt sich als sein Diener Dandini aus und schlüpft selbst in dessen Rolle. Als Kundschafter und souveräner Spielmacher fungiert Don Ramiros Erzieher Alidoro. Der aus Argentinien stammende Bassbariton Lisandro Abadie verkörpert die Partie eindrucksvoll, zaubert mal sogar ein Gewitter herbei und sorgt mit einer Schar weißgekleideter Engel dafür, dass Angelina als geheimnisvolle Schönheit auf dem fürstlichen Ball erscheinen kann. Denn als Bettler verkleidet hat er die Herzensgüte des Mädchens begriffen, das da unter einem niedrigen Treppenbogen am Herdfeuer haust. Die Mezzosopranistin Luciana Mancini singt mit wunderbar warmer Stimme die von ihrer Familie missachtete Cenerentola, die dann doch ihr Glück findet.
Der argentinische Tenor Francisco Brito brilliert als Don Ramiro mit Belcanto-Schmelz, Carl Rumstadt macht als Dandini mit noblem Bariton seinem Herrn alle Ehre. Cenerentola wählt die echte Liebe, selbst wenn es nur der vermeintliche Diener wäre. Blutige Schuhe und hilfreiche Tauben wie bei den Brüdern Grimm oder einen gläsernen Pantoffel wie bei der als direkte Vorlage verwendeten Fassung von Charles Perrault gibt es in dieser Oper nicht. Das Erkennungszeichen ist hier ein Armreif.
Als guten Weinen gern und reichlich zusprechender alter Baron Don Magnifico glänzt gesanglich und spielerisch der Bass Martin Tzonev. Kaum zu glauben, dass er mit dieser Partie im Oktober 2002 seinen Einstand an der Bonner Oper gab. An komischer Virtuosität kaum zu übertreffen sind indes seine beiden bösen Töchter Tisbe (Charlotte Quadt) und Clorinda (Marie Heeschen). Das schrill aufgeputzte Duo (tolle ­Kostüme: Margherita Baldoni) darf sich nach Angelinas Triumph seinen Katzenjammer sogar mit dem beliebten „Miau-Duett“ von den gekränkten Seelen singen.
Das Libretto von ­Jacopo Ferretti ist vor allem ein schnelles verbales Ping-Pong-Spiel, das Rossini mit musikalischem Witz und Tempo auf Hochspannung treibt. Unter der musikalischen Leitung des in Bonn bestens bekannten Barock­spezialisten Rubén ­Dubrovsky vibrieren die flotten Dialoge, und das Beethoven Orchester kommentiert all die feinen Spitzen und Sticheleien mit geradezu elektrisierender Spielfreude. Bei der Continuo-Begleitung beweist der neue Solorepetitor Elia Tagliavini am Hammerflügel stilsichere Genauigkeit. Nicht nur hörens-, sondern unbedingt auch sehenswert ist der Herrenchor unter der Leitung von Marco Medved. Als munter tänzelnde fürstliche Kavallerie ist diese Truppe einfach unschlagbar.
Begeisterter Premierenbeifall für einen höchst vergnüglichen, opulent inszenierten Opernabend mit vielen köstlichen Überraschungen. E.E.-K.

Spieldauer ca. 3 Stunden inkl. Pause
Die nächsten Termine: 27.11. // 5.12. // 29.12. // 31.12.21

Mittwoch, 01.12.2021

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Letzte Aktualisierung: 25.04.2024 16:01 Uhr     © 2024 Theatergemeinde BONN | Bonner Talweg 10 | 53113 Bonn