Lieber Gold im Mund als Porzellan im Safe - Werkstatt - kultur 163 - Februar 2020

Lieber Gold im Mund als Porzellan im Safe
Foto: Thilo Beu
Lieber Gold im Mund als Porzellan im Safe
Foto: Thilo Beu

„Es ist ein mächtig Ding, das Gold“, singt Rocco in Beethovens Fidelio. Gold lässt sich nicht künstlich herstellen. Alchemisten haben es über Jahrhunderte versucht. Gold ist das Produkt einer Sternenkollision. Gold ist schwer, scheinbar unvergänglich, beliebt als Schmuck und Zahlungsmittel. Dem sagenhaften König Midas bekam seine Goldgier bekanntlich schlecht. Zahllose Mythen und Märchen ranken sich um den glänzenden Stoff. In der Werkstatt des Bonner Schauspiels hat der Regisseur Frank Heuel sich mit sechs Schauspielern auf die Suche nach der Faszination des Goldes begeben. Lieber Gold im Mund als Porzellan im Safe heißt die von der Kulturstiftung des Bundes im Rahmen des Projekts „Doppelpass“ geförderte Koproduktion des freien fringe ­ensembles mit dem städtischen Theater Bonn. Dritter Partner ist das Kulturzentrum „Espace Culturel Gambidi“ in Ouagadougou, der Hauptstadt der westafrikanischen Republik Burkina Faso.
Vor einem Jahr kam dort die Uraufführung des Stücks ­Brillante Saleté – Glänzender Dreck mit afrikanischen und europäischen Künstlern ­heraus (Ende Mai 2019 auch in der Bonner Werkstatt zu erleben), das die sozialen und ökologischen Verwüstungen des weltweiten Verlangens nach dem Edelmetall untersuchte. Dieser Aspekt erscheint deshalb in der neuen Produktion eher am Rand. Die Musik stammt wieder von dem türkischen Sounddesigner Ömer Sarigedik, die fabelhafte Ausstattung (Bühne, Kostüme, Video) wieder von Annika Ley. Wie sie aus vorproduziertem Bildmaterial, Live-Aufnahmen, Comiczeichnungen und viel goldenem Flitter (gern per Windmaschine in Bewegung gebracht) Theatermagie entwickelt, ist auch bei dieser ­witzig-­­­iro­n­ischen Revue für viele Überraschungen gut.
Heuel und sein Team haben sich aus der schier unendlichen Fülle von physischen und symbolischen Verwendungen des Edelmetalls einige Momente herausgesucht, verschiedene Menschen nach ihrer Beziehung zum Gold befragt und daraus kostbar verrückte Szenen ­ent­wickelt. Sören Wunderlich entführt am Schreibtisch ins emblematische „Making-Of“ der sogenannten Entdeckung Amerikas und grüßt herzlich aus „Eldorado“, wo Gold noch keine Dominanz im Wertesystem besaß. Kiloweise kam die heilig-unheilträchtige Substanz nach Spanien, wurde eingeschmolzen, landete auf gekrönten Häuptern und in Tresoren. Oleg Zhukow verfolgt die winzigen Spuren eines rituellen Halsschmucks aus Guanahani, dessen Herkunft noch in heutigen Objekten wissenschaftlich nachweisbar ist. Andreas Meidinger hat einen grandiosen Auftritt als Kapital-Guru mit bizarren Empfehlungen zum Erhalt von Vermögensreserven. Gold und Geld haben nicht nur sprachlich gemeinsame Wurzeln. Weltschatzkammern wie Fort Knox werden immer noch massiv bewacht (kürzlich in Dresden war’s halt nicht so ganz perfekt). Manuel Klein zitiert virtuos mit Gitarre und Stimme sogar den „Goldfinger“ aus dem berühmten James-Bond-Kinoepos. Die Filmmusik erhielt bekanntlich eine Goldene Schallplatte.
Die junge Julia Philippi findet als Studentin Gold total altmodisch, taucht dann aber doch in schimmernder Folie verpuppt wieder auf. Richtig wütend tobt Laila Nielsen im goldenen Tüllrock gegen die Märchen-Zumutung, dauernd aus Stroh Gold zu spinnen. Rumpelstilzchen lässt grüßen. Dabei hat das Ganze eigentlich nur was mit dem Feuer zu tun (Prometheus lässt grüßen), farbigen Lichtfrequenzen und deren physiologischen Folgen. Zu feinem Blattgold geschlagen könnten ein paar Gramm Gold schon Götterbilder, Bankpaläste oder Bonner Bausünden auf Hochglanz bringen. Es in Barren zu horten, ist pure „Glanzverschwendung“. Porzellan wird in der Inszenierung bei aller Kritik am Tanz ums Goldene Kalb nicht zerschlagen, nur schön bissig gekratzt am ewigen Goldrausch. Die Vorräte auf unserem Planeten sind sowieso bald erschöpft. Nachdenklicher Beifall. Die Produktion wird im Sommer 2020 auch nach Burkina Faso reisen. E.E.-K.

Spieldauer ca. 90 Minuten, keine Pause
Die nächsten Vorstellungen:
28.01. // 6.02. // 14.02.20

Freitag, 24.04.2020

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