Michel aus Lönneberga - Junges Theater Bonn - kultur 161 - Dezember 2019

Michel aus Lönneberga
Foto: Thomas Kölsch
Michel aus Lönneberga
Foto: Thomas Kölsch

Sympathischer Lausbub

So frech, wie manche meinen, ist dieser Michel aus Lönneberga gar nicht. Fast immer meint er es gut, auch wenn die Erwachsenen manchmal nicht so begeistert sind von seinen Ideen. Wie er seinen Kopf so tief in die Suppenschüssel steckt, dass die Befreiung schwierig wird, darf selbstverständlich nicht fehlen in der Auswahl von lustigen Episoden aus Astrid Lindgrens beliebten „Michel“-Erzählungen. Dass ausgerechnet die verfressene autoritäre Armenhaus-Chefin in seiner Wolfsgrube landet, war zwar so nicht geplant, erscheint aber durchaus als Akt höherer Gerechtigkeit.
Michels Schwester Ida ist übrigens Malerin geworden, weshalb das Elternhaus sich in eine Galerie mit Bilderkopien vom Barock bis zum Impressionismus verwandelte. In der Mitte ein großer Video-Rahmen mit Winterlandschaften oder häuslichen Idyllen: Die Bühne von Anneliese Jankowicz ist optisch ein Vergnügen für sich, zumal sie auch noch im Handumdrehen rasante Schlittenfahrten oder sonstige Ausflüge erlaubt. Der Regisseur Bernard Niemeyer und der Theaterkomponist Michael Barfuß (Stoffbearbeitung, Texte, Lieder und mitreißende Musik) haben aus Michels Abenteuern ein wundervolles Vergnügen gemacht mit vielen Überraschungen für Klein und Groß. Das weckt schon vor der Adventszeit Weihnachtsfreude, zumal Michel ein Herz für die Armen hat und ihnen gern ein richtiges Festessen ermöglichen möchte.
Olja Artes spielt bezaubernd die erwachsene Ida, die als Erzählerin zurückführt in ihre Zeit als Klein-Ida, die manchmal aufpassen musste auf ihren ebenso gewitzten wie menschenfreundlichen Bruder Michel. Das ganze winzige schwedische Dorf Lönneberga weiß, dass der Knabe ein Lausbub ist, der es faustdick hinter seinen ungewaschenen Ohren hat. Lukas David Maurer spielt den kindlichen Sonnyboy einfach hinreißend. Jan Hermann als strenger Papa Anton hat für alle Notlagen Reparaturmaterial, Mama Alma Seelenbalsam für jedes Weh. ­Andrea Brunetti läuft jedoch zu großer Form auf als böse Hexe im opulenten Pelz-Outfit (tolle Kostüme: Katharina Kastner), die ihre armen Schäfchen brutal kommandiert. Gehorsam ist nicht so ganz Michels Ding, weshalb das üppige Weihnachtessen seiner Familie bei den Unterdrückten landet, die leider kaum einen Wurstzipfel vom Tisch der Reichen erhaschen können. Der Weihnachtsbraten und die Kartoffeln im Korb sind übrigens gemalte Abbildungen. Die Inszenierung vermeidet jeden Kinorealismus zugunsten spielerischer Bühneneinfälle.
Als mehr oder minder heiratswilliges Paar sind Sandra Kernenbach (Magd Lina) und Nima Conradt (Knecht Alfred) sehr herzhaft verbunden. Aber niemand raunt so ­düster von Werwölfen und ­Blutvergiftung wie Giselheid Hoensch als Seniorin des fabelhaften Profi-Ensembles. Michel tut ganz einfach mutig das Richtige und bringt den kranken Alfred trotz wildem Schneesturm zum Arzt. Denn Michel will bloß den Menschen helfen, denen es nicht so gut geht, macht dabei mal kleine Fehler, aber mit Vergnügen auch eine Menge ganz vernünftig. Wenn er zum Nachdenken im Schuppen landet und dort zur Strafe fleißig Holzfigürchen schnitzen muss, schadet das seinem Selbstbewusstsein kaum. Ein paar erzieherische Maßnahmen müssen halt sein, damit der liebenswürdig naive Bengel seine Talente und seine spontane Empathie nicht mehr bloß für lustige Ideen nutzt. So wird die ungemein witzige, hochintelligente Inszenierung ohne pädagogischen Zeigefinger, aber mit viel musikalischem Esprit zu einem ungetrübten Genuss für Kinder und Erwachsene. Beglückter Applaus bei der ausverkauften Premiere.
Empfohlen für Publikum ab 5 Jahren.

Spieldauer ca. 90 Minuten, inkl. einer Pause

Mittwoch, 08.01.2020

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