Oh Alpenglühn - Malentes Theater Palast - kultur 161 - Dezember 2019

Oh Alpenglühn!
Foto: Barbara Frommann
Oh Alpenglühn!
Foto: Barbara Frommann

Glamour, Gaudi, Slapstick

Der Berg ruft. Poldi schmettert den Klassiker „La Montanara“ so fröhlich in die blauen Fernen aller Alpengipfel, dass Malentes Theaterpalast gleich eine Anmutung von bajuwarischem Festzelt bekommt. Viele im Premierenpublikum sind auch stilecht im feschen Dirndl oder in Lederhosen erschienen, was bei der neuen Show durchaus erwünscht ist. Schlagerqueen Charlotte hat sich ihre Auszeit von atemlosen Nächten freilich etwas anders vorgestellt. Charlotte ist nicht Helene, und der Leopold bedient auch nicht im „Weißen Rössl“. Tatsächlich hat Charlotte („Ich bin eine klassische Schlagersängerin“) in etlichen Jahren nicht sonderlich viele Hits gelandet. Verfügt aber immerhin über mindestens ein Handy, das trotz nicht vorhandenem Netz und leerem Akku enervierende Anrufe mit speziellen Klingeltönen signalisiert. Dran ist oft ihr alter Manager, dessen neuen jungen Lover Charlotte am liebsten zur Hölle schicken möchte. Der Wahnsinn mit „Hölle, Hölle“ zum Mitsingen kommt jedoch erst später. Was mit Charlottes im Aufschneiden geübtem Gatten (der Mann ist Chirurg!) geschieht, verschweigt man ohnehin besser. Verraten sei nur: Das uralte Wählscheiben-Telefon in der Bauernstube funktioniert durchaus.
Alles noch mal auf Anfang: Die Möchte-Gern-Diva Charlotte (ungemein witzig und stimmstark verkörpert von Charlotte Heinke) möchte sich kurz erholen in einem bayrischen Luxus-Wellnesshotel und stöckelt also im grünen Pelz auf High-Heels in eine Bauernhütte, die alle Reisebuchungs-Portale Lügen straft. Die Lady ist geschockt, aber flugs per hochprozentigen Tröstungen sternhagelblau wie ein ganzes Enzianfeld, kotzt aufs Fell der kreischenden Hauskatze und wird dann zum Kuhstall-­Ausmisten gezähmt wie Shakespeares widerspenstige Katharina. Der Besitzer der bescheidenen Hütte (das Bühnenbild stammt aus dem Fundus des Schlosstheaters Neuwied) ist jedoch nicht nur schamlos charmant, sondern überzeugt auch noch mit strammen Waden oder weiter oben ­befindlichen Körperteilen. Benjamin ­Sommerfeld spielt den bodenständigen Sunny-Boy (auch auf Hochdeutsch) stimmlich und komödiantisch wirklich hinreißend. Das sympathische Darsteller-Duo lässt auch nie einen Zweifel daran, dass alles bloß Theater ist.
Das Stück Oh Alpenglühn von Mirko Bott, das 2011 am Hamburger Schmidt-Theater das Licht der bekanntlich sündlosen Almen erblickte und mittlerweile zum Bühnenrenner avancierte, pendelt sowieso zwischen ironischen Comedy-Abgründen, genialem Blödsinn und echtem Trash.
Die Inszenierung von Nik Breidenbach, der bei der Uraufführung den­ ­Leopold spielte, ist hier natürlich noch ein bisschen mit bönnschem Lokalkolorit angereichert, bevor nach der Pause unter dem Einfluss von Charlottes mit allerhand Kräutern geladener Wasserpfeife „Psycho“ (das Jugendbildnis von Leopolds kürzlich verstorbener Mama hängt nicht grundlos an der Wand!) auf „Spiel mir das Lied vom Tod“ und „Heidi“ trifft, Horrorfilmparodie auf mehr oder minder ewige TV-Serien-Seligkeit und die komplett durchgeknallte musikalische Farce auf ein fröhliches Ende.
Klatschmarsch und die üblichen Standing Ovations. Ein bisschen geistige Furchtlosigkeit und Schwank-Resistenz sollte man für den völlig abgedrehten Lustspielspaß schon mitbringen. E.E.-K.

Spieldauer ca. 2 ½ Stunden, inkl. einer Pause
Die nächsten Vorstellungen:
Do., Fr., Sa. bis 15.02.20

Mittwoch, 08.01.2020

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