99 Luftballons ... der 80er Jahre Spass! - Malentes Theater Palast - kultur 159 - Oktober 2019

99 Luftballons
Foto: Barbara Frommann
99 Luftballons
Foto: Barbara Frommann

Traumhaft schön

Auf der Bühne ist eine Bühne – die der legendären Disko Tropical. Sie ist in den Farben mintgrün und hellgelb gehalten, dekoriert mit zweidimensionalen Palmen in weißer Glitzeroptik, zwei knallpinken Flamingos und einer orangefarbenen, untergehenden Sonne im Hintergrund – eine traumhaft schöne 80er-Jahre-Optik, die zu einer Reise in dieses Jahrzehnt, in die alte Bundesrepublik und ihre Lebenskultur, einlädt (Bühnenbild:?Heiko de Boer).
Die Reise beginnt in der Gegenwart: Benjamin Förster (Dirk Vossberg-Vanmarcke) und Dieter Weber (Knut Vanmarcke), die damals unvergessliche Abende in dieser Disko verbracht und gemeinsam in einer Wohngemeinschaft gelebt haben, treffen sich hier wieder: Der „Schuppen“ steht zum Verkauf, und der als Immobilienmakler tätige Benjamin bietet das Objekt Dieter an, der auf der Suche nach einem Standort für einen Drogeriemarkt ist. Unweigerlich beginnen die zwei, in Erinnerungen zu schwelgen – und nehmen das Publikum mit in das Jahr 1982. Damals wohnten sie (verjüngt gespielt von Tim Hunziker und Tobias Ziebold) in einer WG mit Tanja (Vera Marhold) und Rosi (Lara Grünfeld). Das Bühnenbild für die WG ist eine mintfarbene Küche mit orange-braunen Kacheln, am Kühlschrank prangt neben einer Prilblume und einem Umweltengel auch ein elho-Aufkleber (damals DAS Label für Trainingsanzüge und Windjacken, von der Jugend bevorzugt in Neonfarben).
Die Wohnung steht unter Beobachtung der Hausmeisterin Frau Sikorski (verkörpert von Dirk Vossberg-Vanmarcke mit Schürze und furchterregendem künstlichen Gebiss), die den jungen Männern anbietet, bei Geldmangel die Miete in Naturalien zu begleichen – was von Benny und Dieter zweifellos als Drohung aufgefasst wird.
Wir erleben den Alltag der damaligen Zeit, gewürzt mit den Songs, den Clips des Werbefernsehens, neuen technischen Erfindungen, den wichtigsten Protagonisten aus der High Society und den beliebtesten Fernsehserien. Regisseur Dirk Vossberg-Vanmarcke hat umwerfend komische Übergänge geschaffen zwischen dem Mikrokosmos WG und den medialen Einflüssen. So tritt Krystle Carrington aus der TV-Serie Denver-Clan perfekt gestylt mit 3-Wetter-Taft auf und singt mit ihrem geliebten Ehemann Blake Roland Kaisers „Manchmal möchte ich schon mit dir…“ bevor sie mit einem tragbaren Telefon einer frühen Generation mit riesiger Antenne telefoniert und erfahren muss, dass ihr Blake ein Verhältnis mit „Mutter Beimer“ aus der „Lindenstraße“ hat, die im legendären Chenille-Morgenmantel auftritt.
Dem enorm vielseitigen und sowohl sängerisch als auch spielerisch begeisternden sechsköpfigen Ensemble mit ausgewogener Rollenverteilung merkt man die Freude an diesem Programm an. Alle mit den zwei Hausherren auftretenden Gäste sind professionelle Musicaldarsteller. Vera Marhold gehört seit dem Jahr 2018 zum Ensemble des Düsseldorfer Schauspielhauses. Lara Grünfeld ist auch häufig als Solistin auf Kreuzfahrtschiffen unterwegs. Für Tim Hunziker ist es nach „Divas“ bereits seine zweite Rolle an Malentes Theater Palast. Tobias Ziebold war seit seinem Abschluss im Jahr 2015 bereits in zahlreichen Musicals engagiert, u. a. in der Hauptrolle des Wilhelm in Black Rider.
In wechselnden Formationen werden all die Einflüsse der 80er-Jahre, an die sich die heute über 40-Jährigen mit wissendem Grinsen oder fröhlichem Schaudern erinnern, präsentiert und sorgen für Begeisterung angesichts so viel Authentizität.
Das Songspektrum reicht von Nenas „99 Luftballons“ und „Bruttosozialprodukt“ von Geier Sturzflug über Nicky als „Bayerisches Cowgirl“ bis zu „Felicità“ von Albano und Romina Power und Madonna („Material Girl“). Die Welt jenseits des Eisernen Vorhangs hält Einzug mit Nina ­Hagens „Du hast den Farbfilm vergessen“. Dem folgt David Hasselhoffs Song „Looking for freedom“, der zum gesamtdeutschen Lied der „Wende“ wurde. Die „Malentes“ als Modern Talking erhalten Standing Ovations während der Show!
Auch die Elterngeneration fehlt nicht: Knut Vanmarcke spielt liebevoll Rosis Mutter, die vom Erwachsenwerden ihrer 18-jährigen Tochter überfordert ist und gleichzeitig Ausbrüche aus ihrem Hausfrauenkorsett wagt – mit einem hinreißend vorgetragenen „Ich war noch niemals in New York“ (Udo Jürgens).
„Sahen wir damals scheiße aus …“, hatten sich Benny und Dieter im Jetzt noch amüsiert. Die 80er-Jahre-Kleidung von Kostümbildnerin Melanie Rosewick ist wunderbar authentisch: u. a. Blousons, Bundfaltenhosen, tropische Muster und Aerobicdresses à la Jane Fonda.
Für Jubel sorgt E.T., der im Kühlschrank auftaucht und mitverantwortlich für die schwindelerregende Telefonrechnung ist. Die kaschierte Figur, die Hals, Lippen und Arme bewegen kann, ist ein bezauberndes bühnenkünstlerisches Meisterwerk. Viel Weiteres hätte verdient, erwähnt zu werden, aber wird hier nicht verraten, denn die dringende Empfehlung lautet: „Reingehen!“ in diese großartige musikalische Comedy-Revue! J.S.

Spieldauer ca. 2 ¼ Stunden, inklusive einer Pause
Vorstellungen mittwochs bis sonntags bis zum 10.11.2019.

Donnerstag, 10.10.2019

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