Figaros Hochzeit - Oper Bonn - kultur 144 - März 2018

Figaros Hochzeit
Foto: Thilo Beu
Figaros Hochzeit
Foto: Thilo Beu

Hinreißende musikalische Komödie

Schon die Ouvertüre ist ein Kunststück für sich. Unter der musikalischen Leitung von Generalmusikdirektor Dirk Kaftan deutet das Beethoven Orchester wunderbar genau das erotische Verwirrspiel an, geistreich nuanciert mit subtilen ironischen Brechungen, frischem Tempo und federnder Eleganz. Das Schönste dabei: Was die Musik verspricht, wird von der Inszenierung perfekt eingelöst. Der Regisseur Aron Stiehl erzählt eine heitere Geschichte mit ein paar melancholischen Momenten. Er macht aus dem Stoff kein sozialrevolutionäres Drama, sondern ein munteres Lustspiel um verwirrte Herzen. Irgendwo angesiedelt im 20. Jahrhundert: Es gibt schon Telefone und elektrische Schlagbohrer, und Susanne hackt den Brief im Salon der Gräfin schön im Takt der Musik in eine Schreibmaschine.
Klar: Beaumarchais‘ Theaterstück Der tolle Tag oder Die Hochzeit des Figaro enthielt 1778 politischen Sprengstoff, und es grenzt an ein Wunder, dass Mozart und sein genialer Librettist Lorenzo da Ponte die keineswegs harmlose Oper Le nozze di Figaro trotz der Zensur am 1. Mai 1786 in Wien zur Uraufführung bringen konnten. Sie ist beileibe kein musikalisches Leichtgewicht, was freilich insbesondere am psychologischen Feinschliff der Figuren liegt, der hier sorgfältig hochpoliert wird. Das alte fürstliche Recht auf die erste Nacht ist längst abgeschafft und spielt hier auch keine Rolle, weil es vor allem um mehr oder minder echte Gefühle geht.
In der Ausstattung von Timo Dentler und Okarina Peter sieht das Schloss des Grafen Almaviva ziemlich renovierungsbedürftig aus. Immerhin hält er sich schwitzend fit in einer hölzernen Dampfkiste (Vorläufer der modernen Sauna), läuft gern im bunten Morgenmantel herum und hegt in seiner bröckelnden Gartenloggia einen vermutlich selbst erlegten Strauß. Wenn er seiner Gattin als Morgengabe einen frisch geschossenen Hasen aufs Bett wirft, sieht das nicht nach glücklicher Ehe aus. Dass der Hausherr gern die hübsche Kammerzofe Susanna vernaschen möchte, passt zur aktuellen „me-too“-Debatte. Giorgos Kanaris gibt stimmlich und körperlich einen ausgesprochen vitalen Almaviva, dessen männliche Attraktivität die kokette Susanna nicht ganz kalt lässt. Die Sopranistin Sumi Hwang singt und spielt hinreißend charmant die junge Angestellte, die freilich standesgemäß den gräflichen Diener Figaro heiraten wird.
Für diese Partie hat man in Bonn den Bassbariton Wilfried Zelinka aus Graz engagiert, der früheren Wirkungsstätte von Dirk Kaftan. Zelinka gibt einen stimmlich eleganten, selbstbewussten Figaro, der bei den ganzen Verwechslungen nicht immer alles begreift. Witzig sind die Rezitative zur Hammerklavierbegleitung (Julia Strelchenko), in die die Regie ab und zu ein paar deutsche Sätze einfließen lässt. (weiter S. 4)
Die Gräfin tröstet sich derweil mit Alkohol, Zigaretten und Regalen voller Schuhe. Anna Princeva (alternierend mit Johanni van Oostrum) beschwört mit leuchtendem Sopran ihr bitteres Liebesleid. Der pubertierende Page Cherubino ist noch auf der Suche nach dem fremden Wesen des Weiblichen. Die Mezzosopranistin Kathrin Leidig ist eine Idealbesetzung für die wohl schönste Hosenrolle der Opernliteratur. Die schicke Soldatenuniform, in der die eifersüchtigen Herren den liebestollen Knaben entsorgen möchten, tauscht er bald gegen Mädchenkleider. Dass er am Ende die niedlich kurzsichtige Gärtnerstochter Barbarina zur Gattin bekommt, ist bestimmt keine Strafe angesichts der entzückenden Sopranis­tin Marie Heeschen, die in einigen Vorstellungen bereits die Susanna singt. Papa Antonio (in seinen kurzen Auftritten erzkomödiantisch: Boris Beletsky) ist geistig auch leicht unterbelichtet. Der Intrigant Don Basilio belauscht gern vom maroden Dachboden aus das Geschehen. Der Tenor Christian Georg macht aus der Nebenfigur einen wirklichen Akteur.
Vor die Hochzeit des Figaro hat Mozart indes noch ein skurriles Hindernis gestellt: Die gräfliche Hausdame Marcellina, die frühere Ansprüche auf seine Hand erhebt. Grandios komisch verkörpert Susanne Blattert die angejahrte Zicke. Im Bündnis mit dem alten Doktor Bartolo, der mit der Herrschaft noch ein paar Rechnungen zu begleichen hat und von Martin Tzonev mit kraftvollem Bass ausgestattet wird. Weil die beiden sich aber plötzlich als Figaros Elternpaar entpuppen, gibt’s sogar eine Doppelhochzeit. Bei so viel Glück muss der Dirigent im hochgelegten Graben einfach sein Handy zücken und ein Foto schießen.
Zum nächtlichen Finale im gräflichen Garten fährt das ganze Haus hoch. Enervierend bellt ein Hund (Marcellina: „Scheißköter!“), der Himmel hängt nicht voller Geigen, sondern voller Flinten und Geweihe. Bis alle ihre richtigen Partner gefunden haben, treibt der Verwechslungsspaß im Dunklen seine letzten Blüten. Bis das Licht der Aufklärung angeht und alle ziemlich ernüchtert die Wirklichkeit erkennen. Noch ein wenig benommen von den irren Turbulenzen, aber „tutti contenti“.
Das galt auch für das Premierenpublikum, das in seinen begeisterten Beifall den Opernchor unter der Leitung von Marco Medved und das exzellente Orchester ausdrücklich einschloss. Ein toller Abend also, den man sich nicht entgehen lassen sollte! E.E.-K.

Spieldauer ca. 3½ Stunden, inkl. Pause
Die nächsten Vorstellungen:
2.03. // 18.03. // 1.04. // 14.04. // 5.05. // 12.05. // 17.05.18

Donnerstag, 06.12.2018

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