Amadeus - Contra-Kreis-Theater

Amadeus
Foto: Contra-Kreis-Theater
Amadeus
Foto: Contra-Kreis-Theater

Der Meister und das Genie

Plötzlich war da dieses „obszöne Kind“ aus Salzburg mit seiner himmlischen
Musik. Von Gott geliebt, wie sein Vorname Amadeus schon sagte.
Der nur sechs Jahre ältere Italiener Antonio Salieri hatte sich mit Talent
und Fleiß hochgearbeitet zum kaiserlichen Hofkomponisten inWien. Ein
hochbegabterMusiker, der begriff, dass da ein begnadetes Genie sich anschickte,
die Welt zu erobern. Es war wie eine Strafe Gottes, dass nur er
das erkannte und verbittert auf Rache sann. Salieri eroberte so immerhin
einen unsterblichen Ruf alsMörderMozarts, der 1791 völlig verarmt
mit 35 Jahren starb.
In Beethovens sogenannten „Konversationsheften“ heißt es 1824: „Mit
Salieri geht es wieder sehr schlecht. (…) Er phantasiert stark, dass er an
dem Tode Mozarts schuld sei.“ Der sterbende Salieri will beichten und
bittet das Publikum zum Zeugen seiner Selbstanklage. So beginnt das
1979 uraufgeführte Drama Amadeus des Briten Peter Shaffer (1926 –
2011). Es ist eine hochintelligente Mischung aus Historie und Fiktion, großen Gefühlen und tiefen Einsichten über
Musik. Im Contra- Kreis hat der Regisseur Lajos Wenzel das außerordentlich erfolgreiche Stück mit viel Esprit und Tempo auf die Bühne gebracht.
Die Inszenierung ist erneut eine Koproduktion mit demJungen Theater Bonn (JTB) und hat das Zeug, ein totaler Hit zu werden wie in der vergangenen Spielzeit Terror, ebenfalls in Wenzels Regie.
Einfach grandios verkörpert Matthias Schuppli den Salieri. Der Schweizer Schauspieler debütierte übrigens Anfang der 1980er Jahre am Theater Bonn als Hamlet in der Regie von Rudolf Noelte. Schuppli ist der gebrechliche alte Salieri im Rollstuhl. Bis in feinste mimische Nuancen hinein zeigt er den greisen Künstler, bei dem man nicht weiß, ob er geistig verwirrt ist oder doch die Wahrheit sagt. In seiner Erzählung wird er wieder der 31-jährige Hofmusiker, der einen Begrüßungsmarsch schreibt zur
Ankunft des ehemaligen Wunderkinds Mozart in Wien. Und flugs baut
der kleine Irrwisch das einmal gehörte Stückchen ein in seine nächste
Oper.
Schuppli und das ganze Ensemble unter der musikalischen Leitung von
Stephan Ohm, der als Kapellmeister Bonno auftritt, können nämlich
auchmusizieren. Vieles erklingt also live in demvon BrigitteWinter (Ausstattungsleitern
amJTB) gestalteten Wiener Salon. Nur wenn Salierimit
wachsender Verzweiflung in den Noten seines jungen Konkurrenten blättert,
wehen die Töne wie von fern her aus dem Off ins Ohr. Wieso hat
Gott diese unerhörten Klänge nicht seinem treuen Diener, sondern einem
ungezogenen Bengel geschenkt?
Hermann Bedke als Mozart wirbelt ungemein beweglich über die Bühne.
Zum feuerroten Rokoko-Outfit trägt er lässige Sneakers – die Kostüme
von Judith Peter und Uta Hafke sind ein echter Hingucker. Dieser naiv
selbstbewusste jungeMann wechselt innerhalb von Sekunden von sorgloser
Begeisterung zu tiefer Melancholie, von albernen Späßen zu wirklichen
Gefühlen. Er bezaubert die Frauen und vergreift sich sogar an Salieris
Lieblingsschülerin Katharina Cavalieri, verkörpert von der Sopranistin
Sarah Bouwers,Mitglied derOpernwerkstatt Köln. Salieri beschließt:
Mozart muss zerstört werden! Er wird alles tun, damit jener den ersehnten
sicheren Job bei Hofe nicht bekommt.
Mozarts Vertrauensseligkeit macht ihm das Spiel ziemlich leicht. Salieri
setzt alle ein für seine Intrigen: Kaiser Joseph II. (Thomas Kahle) mit seinemständig
als Running Gagwiederholten Satz „Spektakelmüssen sein“,
den aalglatten Operndirektor Orsini-Rosenberg (Bernard Niemeyer),
den braven Kammerherrn von Strack (Nima Conradt) und den einflussreichen,
jovialen Baron van Swieten (Axel Hinz). Selbst Mozarts entzückende
Gattin Constanze, hinreißend gespielt von der jungen Olja Artes. Ganz wunderbar entsteht da aus einem zärtlichen Dialog das berühmte Duett Papageno/Papagena aus der Zauberflöte.
Selbst ein winziges Glockenspiel-Klavier kommt zum Einsatz.
Das macht ohnehin den großen Reiz der Vorstellung aus:
Stets werden die bekannten musikalischen „Nummern“ wie selbstverständlich aus der Erzählung heraus entwickelt. Dialoge auf perfektem Italienischinklusive.
Salieris letzter böser Coup geht unter die Haut: Als steinerner Gast des Don Giovanni fordert er von seinemtodkranken Gegner die Komposition
eines Requiems.Ob tatsächlich Gift beiMozarts qualvollem Ende im Spiel
war, werden wir nie erfahren. Direkt zu Herzen geht indes die Sterbeszene
in den Armen seiner liebevollen, von seinen Feinden zuvor brutal gedemütigten
Constanze.
„Ich glaube es nicht“, raunt wie amAnfang der schwarze Geisterchor, der
mehr als drei Jahrzehnte später um den Rollstuhl des sterbenden Salieri
tänzelt. Trotz aller komischen Momente ist Amadeus eine Künstlertragödie.
Präsentiert von einem exzellenten Ensemble, das bei der Premiere
mit Ovationen geradezu überschüttet wurde. Nicht nur für Mozartkenner
ein absolutes Muss! E.E.-K.
LajosWenzel, der am Kleinen Theater zum Saison-Start den „Fall Luther“
(s. Kritik in dieser kultur) auf die Bühne brachte, inszeniert am Contra-
Kreis gleich auch die nächste Produktion: die irrwitzige Weihnachtsgeschichte
„Der Messias“.

SPIELDAUER CA. 2 ½ STUNDEN INKL. PAUSE
DIE NÄCHSTEN VORSTELLUNGEN:
TÄGLICH AUßER MONTAGS UND 5. UND 8.10. BIS ZUM 29.10.17

Dienstag, 14.11.2017

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Letzte Aktualisierung: 17.04.2024 21:01 Uhr     © 2024 Theatergemeinde BONN | Bonner Talweg 10 | 53113 Bonn