Madama Butterfly - Oper Bonn - kultur 126 - Mai 2016

Madama Butterfly
Foto: Thilo Beu
Madama Butterfly
Foto: Thilo Beu

Großartiger Puccini-Abend


Die Enttäuschung ist tödlich. Die junge Japanerin Cio-Cio-San hat unerschütterlich an die Liebe und Treue des Amerikaners Pinkerton geglaubt. Doch sie war für ihn nicht mehr als ein exotischer Schmetterling. Ganz kurz hat sie es geahnt, als sie in der Hochzeitsnacht den Geliebten darauf ansprach, dass man in seinem Land Schmetterlinge mit Nadeln durchsteche, um sie in Sammlungen auszustellen. Giacomo Puccinis japanische Tragödie Madama Butterfly, bei der Uraufführung 1904 in Mailand ein eklatanter Misserfolg, lässt zwei Welten aufeinanderprallen: fern­östliche Traditionsverbundenheit und westliche Rationalität.
Der Regisseur Mark Daniel Hirsch, an der Bonner Oper seit vielen Jahren als Spielleiter tätig, enthält sich jeder aktualisierenden Neudeutung des Stoffes. Seine Inszenierung präsentiert die Geschichte freilich auch ohne falsche Sentimentalität. Perfekt unterstützt vom musikalischen Leiter Stephan Zilias am Pult des exzellenten Beethovenorchesters. Der neue Erste Kapellmeister macht in seiner ersten eigenständigen Bonner Opernarbeit Puccinis Musik wunderbar durchsichtig – auch für kritische Untertöne. Trotz der straffen Tempi gibt er den Gefühlen viel Raum, gönnt den Akteuren feinste Nuancen und bringt die impressionistische Klangwelt mit ihren Japonismen zum Leuchten, ohne je in die Kitschfalle zu tappen.
Eine Augenweide ist das japanische Bühnenbild des bekannten Ausstatters Helmut Stürmer. In Anlehnung an das Kabuki-Theater verschiebt ein Kuroko (Annika Bonerath), eine Art Bühnendiener, anfangs ganz in Schwarz, später in der fernöstlichen Trauerfarbe Weiß, die transparenten Wände. Im Hintergrund sieht man gelegentlich Pinkertons Schiff und den Hafen von Nagasaki. Ein echter Blickfang sind die schönen japanischen Kostüme von Dieter Hauber.
Weiß geschminkt im traditionellen japanischen Gewand erscheint die junge Geisha Cio-Cio-San zur Hochzeit. Yannick-Muriel Noah ist als Butterfly, die sie sie schon an diversen Häusern gesungen hat, einfach hinreißend. Ihr warmer, strahlkräftiger Sopran ist wie geschaffen für die emotionalen Höhen und Tiefen dieser Frau, die sich ein Lebensglück erträumt und an der brutalen Wahrheit zerbricht. Auch darstellerisch ist Noah sehr präsent, spielt überzeugend die zärtliche Liebessehnsucht, die trotzig auf ihren Illusionen beharrende, von ihrer Familie verstoßene und vereinsamt Wartende und die Mutter des Kindes, das sie – nun westlich gekleidet – für den Beweis ihrer amerikanischen Ehe hält.
Liebe war jedoch nicht im Spiel bei dem attraktiven Offizier B.F. Pinkerton. Nur ein flüchtiges Begehren, durch ein lästiges Ritual gesichert und mit kurzer Kündigungsfrist versehen. George Oniani mit seinem metallisch glitzernden Heldentenor lässt keinen Zweifel daran, dass die hübsche Japanerin nicht seine Frau fürs Leben ist. Ihr ganzes Leben in den Dienst von Cio-Cio-San stellt hingegen die treue Dienerin Suzuki. Die Mezzo­sopranis­tin Susanne Blattert hat die große Partie schon bei der letzten Bonner „Butterfly“ in der Spielzeit 1998/99 gesungen und ist auch nun wieder stimmlich und spielerisch ein Glücksfall der Aufführung. Das gilt auch für den hervorragenden Bariton Giorgos Kanaris als Konsul Sharpless. Puccini hat dieser Figur leider keine große Arie in die Kehle geschrieben. Die sängerische und darstellerische Noblesse, mit der Kanaris den vorsichtigen Diplomaten versieht, lässt das aber schnell vergessen.
Bei der in Bonn gespielten zweiaktigen Fassung ist von der Partie der Kate Pinkerton wenig übrig geblieben, die mit Kathrin Leidig sehr hochkarätig besetzt ist. Wieviel Liebe bei der tatsächlichen amerikanischen Ehe des Opportunisten Pinkerton im Spiel war, bleibt fraglich. In einem plausiblen Kunstgriff erscheint der einst so strahlende Lover bei der Rückkehr nach Nagasaki als leicht ergrauter, kriegsversehrter Mann auf Krücken. Ansons­ten hält die Regie sich angenehm uneitel zurück, setzt auf sorgfältige Personenführung und berührende Momente.
Als quirliger Immobilien- und Brautmakler Gozo glänzt Jonghoon You aus dem Opernchor. Der junge Bass Daniel Pannermayr (Kaiserlicher Kommissar), der Tenor Johannes Mertes (Fürst Yamadori) und der Bass Priit Volmer (Onkel Bonzo) überzeugen in kleineren Rollen. Letzterer wird Bonn leider nach dieser Spielzeit verlassen, um wieder näher bei seiner Familie in Estland zu sein.
Der Chor hat bei Madama Butterfly keine Protagonistenaufgabe, ist aber insbesondere beim weiblichen Teil reizend anzuschauen mit seinen Kimonos und Sonnenschirmen und musikalisch bestens einstudiert von Marco Medved. Ein Sonderlob verdient der kleine Carl Koch als Sohn der Butterfly. Es berührt zutiefst, wenn er sich beim Vorspiel zum zweiten Teil des zweiten Aktes die weiße Uniformjacke seines unbekannten Vaters überstreift und seine Mutter an ein vergangenes Glück erinnert, bevor sie zum heiligen Harakiri-Dolch ihres verehrten Vaters greift.
Das Kind ist übrigens der einzige Gast in der vom Publikum begeistert gefeierten Produktion. Alle anderen Rollen sind aus dem Bonner Ensemble besetzt, das damit erneut seine hohe Leistungsfähigkeit beweist. E.E.-K.


Spieldauer ca. 2¾ Std. inkl. einer Pause
die Weiteren Termine:
8.05. // 14.05. // 28.05. // 1.06. // 5.06. // 11.06. // 17.06. // 26.06. // 30.06.16

Donnerstag, 25.08.2016

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