Jenseits von Eden - Kammerspiele - kultur 119 - Oktober 2015

Jenseits von Eden, Kammerspiele Bonn
Foto: Thilo Beu
Jenseits von Eden, Kammerspiele Bonn
Foto: Thilo Beu

Kains-Kinder und die Äpfel der Erkenntnis



Die Stimme des alten Adam Trask zitiert zu Beginn die 16 Verse aus dem 4. Buch Mose, die von Kains Mord an seinem Bruder Abel berichten. Es ist die Keimzelle von John Steinbecks monumentalem Familienepos Jenseits von Eden (erschienen 1952), in dem der amerikanische Literatur-Nobelpreisträger über mehrere Generationen hinweg den sich wiederholenden Konflikt zwischen guten A- und schlechten C-Menschen erzählt. Vor allem ist es jedoch eine Geschichte von der Sehnsucht nach Liebe und deren rational nicht begreiflicher Verweigerung. Gott bevorzugte den unsteten Hirten Abel, wies das Feldfrüchte-Opfer des sesshaften Ackerbauern Kain zurück und verbannte ihn wie seine Eltern aus dem friedlichen Garten Eden.
Am Thanksgiving-Day 1917 schenkt der junge Caleb seinem Vater Adam einen hohen selbstverdienten Geldbetrag. Aber Adam nimmt die Gabe nicht an und freut sich nur über die Verlobung seines Sohnes Aron mit Abra. Cal rächt sich, indem er Aron zu seiner totgeglaubten Mutter, der Bordellbesitzerin Kate, führt und damit in tödliche Verzweiflung treibt. Der berühmte Film von 1955, der den im selben Jahr gestorbenen James Dean zum Jugendidol machte, konzentriert sich auf die letzten Episoden des Romans.
In der Bühnenbearbeitung der Regisseurin Alice Buddeberg und der Dramaturgin Nina Steinhilber ist nicht das legendäre Kino-Epos Vorbild. Die Inszenierung untersucht Steinbecks Roman vom Ende her auf seine gedankliche Substanz und nimmt den narrativen Duktus sehr geschickt auf. Adam und Kate blicken zurück auf die vergangenen Ereignisse und die Schnittpunkte ihres Lebens. Als teilnehmende Beobachter sind sie ständig präsent und befragen die grundsätzliche Möglichkeit selbstbestimmten Handelns. Alle Nebenstränge des Romans sind ausgeblendet; es geht nur um die Familie Trask, die sich einst in Connecticut ansiedelte.
Die enge Blümchentapeten-Idylle von Bühnenbildnerin Sandra Rosenstiel weitet sich später zur Früchte-Plantage im sonnigen Kalifornien, von dem der junge Adam träumt, Lieblingssohn des strengen Offiziers Cyrus. Wie der sich sein Heldentum im Bürgerkrieg erlogen und zu einem beachtlichen Vermögen gekommen ist, interessiert Adam kaum. Sein fleißiger jüngerer Bruder Charles schwankt zwischen Bewunderung und Hass.
Wie Hajo Tuschy in der Rolle des emotional vernachlässigten Sohnes wütend Äpfel zerhaut und dann brav putzend herumkriecht, ist ebenso berührend wie im zweiten Teil seine Verkörperung des Musterschülers Aron. Denn das ist in der bildstarken Aufführung (allein die Apfel-Symbolik ist schon sehenswert) ein geradezu genialer Kunstgriff: Tuschy spielt umwerfend gut Charles und Aron, der hervorragende Sören Wunderlich den schlaksigen jungen Adam und den zornigen Cal, der rasend die Apfelernte zerstört. Er weiß, dass er eine Frucht von Charles und Cathy sein könnte und damit ein doppeltes C mit sich herumträgt.
In einer der schönsten Szenen schminkt die brillante Sophie Basse als elegante Nobelhure Kate (Kostüme: Maria Küster) ihre frühere Erscheinung Cathy zum blutigen Opfer einer Zuhälterattacke auf. Die junge Sina Martens gibt damit ihr Gastdebüt am Bonner Schauspiel und mutiert vom Flittchen zur liebenswürdigen barfüßigen Abra im roten Trainingsanzug, die nicht erst nach Arons Kriegstod schon angezogen ist von Cals Melancholie. Die vielschichtigste Figur in der raffinierten Repetitionsstruktur ist Wolfgang Rüter als alter Adam, der gegenüber Kates klugem Widerspruch eine menschliche Entscheidungsfreiheit zwischen Gut und Böse behauptet und in jede Exis­tenzfalle tappt.
Um die Komplikationen der fünf fabelhaften Akteure zu begreifen, bedarf es hoher Konzentration. Die Aufführung verlangt also metaphorisches Mitdenken, belohnt dieses aber mit ungeheurer Sinnlichkeit (tonmalerisch unterstützt durch die Musik von Stefan Paul Goetsch) und (abgesehen von den üblichen verspielten Albernheiten) mit einer hochintelligenten Revision des epischen Stoffes und seiner ungelösten Fragen. Bei der Premiere mit viel Beifall bedacht und dringend empfehlenswert! E.E.-K.

Spieldauer ca. 2 ¾ Stunden, eine Pause
die Nächsten Termine :
1.10. // 9.10. // 18.10. // 23.10. // 7.11. // 21.11. // 28.11.15

Donnerstag, 08.10.2015

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