Der Volkshai - Werkstatt - kultur 114 - März 2015

Der Volkshai
Foto: Thilo Beu
Der Volkshai
Foto: Thilo Beu

Flache Posse

eEin Sarg im Urlaubsparadies. Und das mitten in der Feriensaison, während ganz Italien im Fußball-WM-Fieber schwitzt. Zugegeben: Rimini hat kein Spiel abbekommen, aber die Adriaküste zieht Touristen an. Bürgermeister Umberto ist stolz auf seine Stadt, weshalb seine Trauerrede auch schnell in einen Dank an seine Wähler übergeht. Außerdem war der Junge, der da arg verstümmelt aus dem Meer gefischt wurde, letztlich selbst daran schuld, dass er nun tot ist. Bademeisterin Giulia glaubt freilich nicht an einen bedauerlichen Unfall, sondern vermutet eine Hai-Attacke.
Das derzeit ziemlich angesagte Autorenduo Jakob Nolte und Michel Decar hat im Auftrag von Theater Bonn ein neues Stück verfasst, das gut ein Jahr nach ihrer schrillen Farce Helmut Kohl läuft durch Bonn in der Werkstatt seine Uraufführung erlebte. Inszeniert von Matthias Ritter, Regiestudent am Wiener Max-Reinhardt-Seminar, das auch als Koproduzent fungiert. Ein paar ordentliche Brocken haben Nolte Decar sich aus Ibsens Volksfeind herausgebissen und zusammengekaut mit Spielbergs Kino-Hit Der weiße Hai. Wobei ­Giulias antikapitalistischer Freund und Espresso-Büdchen-Betreiber Dino (lustig mit Marx-Perücke und -bart: Robert Höller) sich als „Pretty-Woman“-Fan entpuppt, was die Beziehung irgendwann empfindlich stört.
Als Störfaktor sieht der brave Umberto, der selbst beim Golfen einen quietschbunten Morgenmantel trägt, den neugierigen Enthüllungs-Journalisten Cesare (Hajo Tuschy), der seine Nase etwas zu weit ins trübe Korruptionsgebräu steckt. Was aber leicht zu verhindern ist mit Einladungen auf den schnieken Golfplatz und sonstigen Annehmlichkeiten. Köstlich ist der putzige Kirmes-Autoscooter für die gemeinsamen Spritztouren. Der brillante Sören Wunderlich (kurz vor der Premiere eingesprungen für den erkrankten Bernd Braun, der die Rolle aber wieder übernimmt) mimt mit viel Schminke und kokettem Blondschopf den jovialen Stadtvater, der notfalls auch Mafia-Zähne zeigt. Bis die Dusche im Bühnenbild von Fabian Liszt und Selina Traun ihre Funktion als Badetraum erfüllt. Dino und Cesare schrubben den Politiker so diensteifrig, dass wirklich kein Partikelchen Schmutz mehr an seinem Saubermann-Image hängen bleibt.
Nur Giulia (mit kessem Baywatch-Charme und unbestechlichem Durchblick: Anne Kulbatzky) bleibt dabei: Dieser Strand ist kein Delfin-Revier. In der flugs als Marketingprojekt installierten „Adria-Aqua-World“ ist die Luft voller Haie. Einige Särge später werden die Herren dran glauben müssen: „Ciao Jungs!“ Im schäumenden Kalauer-Ozean dümpelt die Geschichte hübsch belanglos ihrem blutigen Finale entgegen, die Party-Musik von Yu-Chun Huang stört nicht weiter. Für ein Hochschuldiplom dürfte die Vorstellung – dank der guten Schauspiel-Crew – aber reichen. Als amüsant bissiger Studentenulk akzeptabel. E.E.-K.
Spieldauer ca. 70 Minuten
keine Pause
die Nächsten Termine:
26.02. // 13.03. // 30.03. // 10.04. // 29.04.15

Dienstag, 01.09.2015

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