Traurigkeit und Melancholie - kultur 118 - Juli 2015

Einsame Riesenschildkröte


Der junge Autor Bonn Park, 1987 geboren in Berlin, aufgewachsen in Berlin, Korea und Paris, hat sein Stück „Lonesome George“ gewidmet, einer Galapagos-Schildkröte, die 2012 mit ca. 100 Jahren verstarb. ­George war der letzte seiner Art und ist jetzt auf der Bühne angekommen. Als der „aller aller einsamste George aller aller Zeiten“, wie das Stück im Untertitel heißt, für das Park 2014 mit dem Else-Lasker-Schüler-Dramatiker-Preis ausgezeichnet wurde.
George hat einige Millionen Jahre auf dem Panzer und alles erlebt. Er war bei allen Krisen und Kriegen zugegen, machte Gewinne und Verlus­te und hat nur noch einen Wunsch: „Ich würde gerne sterben. In der Sandmulde, in der ich geboren wurde. Mit Blick auf das Meer. Ganz friedlich bei Sonnenuntergang.“ Leider geht das nicht. Das Weltgeschehen läuft einfach immer weiter ohne Sinn und Konsequenzen. Die Ereignisse werden austauschbar; die großen Themen hinterlassen wenig Spuren auf dem gepanzerten Rücken des Individuums, das ich-versonnen melancholisch die Zeit hinnimmt. Das Leben steckt in einer endlosen Wiederholungsschleife. Georges Beziehungsversuche waren und sind vergeblich, auch wenn es – mühsam – mit der Nachwuchsproduktion doch noch geklappt hat. Aber auch das ist lange her und blieb so folgenlos wie der Versuch, die ganze Tierwelt ineinander zu stopfen und in Georges Magen zu entsorgen. „Und was wollen wir jetzt tun? – Halt nichts mehr.“ In Bonn Parks Text klingen Motive des absurden Theaters an, vermischt mit Märchen wie dem ständig wiederkehrenden von Rapunzel mit dem blonden Zopf.
Die Uraufführungs-Inszenierung von Mina Salehpour, geboren 1985 in Teheran, 2013 mit einem Faust-Preis für die beste Regie im Kinder- und Jugendtheater geehrt, spielt intelligent mit dem surrealen Vergeblichkeitston der Geschichte. Das famose Schauspieler-Trio Hajo Tuschy, Daniel Breitfelder und Maya Haddad wechselt munter zwischen Erzählung und der Rolle des lebensmüden George. Wie uralte Kinder lümmeln sie sich mit einer überdimensionalen Fernbedienung auf dem Sofa, wagen ein Rollator-Tänzchen oder ein bisschen Gerammel, knabbern mal an Riesenrosen (köstliche Ausstattung: Maria Anderski) oder drücken den Buzzer für amüsante Musikeinspielungen und Meeresrauschen. Sie bewegen sich mitunter schildkröten-langsam mit leerem Blick, dann wieder unverschämt hellwach sprachspielerisch durch den grotesken Historien-Müll. Gelangweilte Tristesse und Slapstick-Komik (ist auch kein großer Unterschied) verbinden sich indes zu einem sehr kurzweiligen Abend. Einsame Reptiliendämmerung – höchst menschlich, angereichert mit bitterem Humor, einer Prise Depression und dem faustischen Verlangen nach dem schönen Augenblick, der dem Dasein im ewigen Kreislauf ein Ende macht. Sehenswert! E.E.-K.

Spieldauer ca. 75 Minuten, keine Pause

Dienstag, 25.08.2015

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