Leitmotiv

kultur 35 – März 2007

Mit Leitmotiv wird ein meist kürzeres musikalisches Gebilde bezeichnet, das im Verlauf eines dramatischen (z.B. einer Oper) oder programmatischen Musikstücks (z.B. der Symphonie phantastique von H. Berlioz) immer wieder in Verbindung mit einer bestimmten Idee, Sache oder Person erklingt. Welche Bedeutung ein Leitmotiv hat, ergibt sich in der Regel aus seinem ersten Auftreten in einer bestimmmten Situation oder zu bestimmten Worten in Verbindung mit seinen weiteren Erscheinungsweisen im Verlauf der Musik. Das Leitmotiv kann auch auf ein Geschehen hinweisen, indem es eine Person ankündigt, oder eine Situation kommentiert, z.B. in der "Götterdämmerung" von Wagner, 1. Akt, 2. Szene: Hagen begrüßt Siegfried auf die Töne des „Fluch-Motivs“. Die Gestalt des Leitmotivs unterliegt auch Veränderungen; beispielsweise erscheint das „Wallhall-Motiv“ nur anfänglich in seiner ganzen Pracht - danach erklingt es lediglich als Erinnerung, Zitat oder Zerrbild und spiegelt so den Verfall der Macht, die es symbolisiert.
Bevor H. v. Wolzogen 1876 den Begriff Leitmotiv in seinen Wagner-Analysen verwendet, benutzte ihn schon F. W. Jähns 1871 für das „strenge Durchführen aller einzelnen Charactere“ in Opern C. M. v. Webers. Wagner selbst spricht nicht von Leitmotiven, sondern u.a. von Grundthemen oder Ahnungs- und Erinnerungsmotiven. Die Technik des Erinnerungsmotivs war bereits seit dem späten 18. Jahrhundert verbreitet, u.a. in den Opern der französischen Schule nach Gluck. Wagner erhob diese Technik jedoch zum tragenden musikdramatischen Formungsprinzip. Die „neue Form der dramatischen Musik“ soll „die Einheit des Symphoniesatzes aufweisen ... Diese Einheit gibt sich ... in einem das ganze Kunstwerk durchziehenden Gewebe von Grundthemen, welche sich ähnlich wie im Symphoniesatze, gegenüberstehen, ergänzen, neu gestalten, trennen und verbinden: nur daß hier die ... dramatischen Handlung die Gesetze der Scheidungen und Verbindungen gibt“ (Wagner).
In der Nachfolge Wagners wird die Leitmotiv-Technik von vielen Komponisten angewendet. Im Bereich der so genannten Neuen Musik nutzt vor allem Alban Berg die „Möglichkeit, durch Leit- oder, besser gesagt, durch Erinnerungs-Motive Zusammenhänge und Beziehungen herzustellen und damit wieder Einheitlichkeit zu erreichen“ (Berg, Wozzeck-Vortrag).
Auch im Bereich der Filmmusik werden Leitmotive verwendet, die jedoch eher plakathaft wirken. Bekannte Beispiele sind die wiederkehrenden Themen und Motive in "Star Wars" oder "Der Herr der Ringe".
Erwähnt sei auch der Einfluss des Leitmotiv-Verfahrens auf die Literatur: Vor allem Thomas Mann hat diese Technik als Mittel epischer Gestaltung kunstvoll angewendet - in ausdrücklicher Anknüpfung an Wagner. E.H.

Dienstag, 25.02.2014

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