Timo Wopp - kultur 165 - April 2020

Komödiantische Daseinsberechtigung auf dem Prüfstand - Timo Wopp sucht nach dem verlorenen Witz

von Thomas Kölsch

Menschsein ist schwierig, Künstler sein noch sehr viel schwieriger. Welche Existenzberechtigung hat ein Kabarettist schon heutzutage angesichts alternativer Fakten, die für wahr gehalten werden, angesichts erodierender Solidarität und wachsendem Egoismus in der Filterblase? Was spricht noch ein Publikum an, das sich potenziell von allem angegriffen fühlt? Und welche Pointen können in dieser Situation noch zünden? Diesen Fragen stellt sich Timo Wopp schon seit längerem. Drei Programme hat er auf der Suche nach der eigenen Daseinsberechtigung bereits auf die Bühnen der Republik gebracht, jetzt soll mit „Ultimo“ pünktlich zum zehnten Bühnen-Jubiläum ein Schlussstrich unter das Thema gezogen werden.

Wopp hat einen langen Weg hinter sich: Einst hatte er als erster deutscher Jongleur mit ­einem Solo-Vertrag beim Cirque du Soleil die Leute beglückt, sich dann aber dem Kabarett zugewandt – und spielte zunächst vor 20 Leuten. „Manche meiner Bekannten haben mich deswegen für verrückt erklärt“, erinnert er sich im Interview. „Aber rückblickend war das meine beruflich beste Entscheidung.“ Inzwischen füllt er mit seiner bissigen Satire wieder die Hallen, indem er seinem Publikum den Spiegel vorhält und die vermeintlichen Aufreger-Themen hinterfragt. „Es ist schon ein bisschen paradox, dass wir uns einerseits über alles echauffieren können und andererseits die Aussagen von Leuten wie Donald Trump gar nicht mehr als Tabubruch wahrnehmen“, sagt Wopp, der daraus auch Leitlinien für sein eigenes Wirken ableitet. „Früher war letzteres Aufgabe der Kunst, inzwischen muss ich mich fragen, ob ich darauf überhaupt noch Lust habe. Denn wenn ich krampfhaft nach Pointen suchen muss, die keinen ­Shitstorm auslösen, lande ich irgendwann bei Gemüse-Witzen.“ Und die sind wirklich nicht amüsant.

Bei seiner Sinnsuche geht Timo Wopp nicht zimperlich vor, reizt Grenzen aus und dringt gar in den „Marianengraben des Niveaus“ vor. „Man muss manchmal das Tal der Lächerlichkeit durchschreiten, um zu wahrer Größe zu gelangen“, weiß er. „Und mitunter findet man gerade in den Niederungen des Humors die intellektuellsten Perlen.“ Oder in den Selbstoptimierungs-Kursen mit den vermeintlich brillanten Experten, die asoziale Kompetenz mit präventiver Arroganz paaren und dem Rest der Bevölkerung raten, es ihnen gleich zu tun. Entsprechende Erfahrungen hat der studierte BWLer während seiner Zeit als Kommunikationsberater gemacht und schon in seinem ersten Programm Passion verarbeitet. Jetzt, in Ultimo, könnte der Coach ein Comeback erleben, der mit seinen derben Sprüchen mitunter die Grenzen des guten Geschmacks unterschreitet. „Ach, wir müssen heutzutage so viel aushalten, da sollten ein paar schlechte Witze zu verkraften sein“, so Wopp. Und wenn doch jemand daran Anstoß nimmt, dass er sich etwa über Jesus lustig macht? „Dann hat man mich falsch verstanden“, sagt dieser. „Ich will niemanden beleidigen. Ich möchte aber schon die Frage stellen dürfen, ob Jesus mit seiner Art heute noch im Prenzlauer Berg eine Chance gehabt hätte oder ob er wegen Verhaltensauffälligkeiten ausgelacht worden wäre.“

Ohnehin ist ein Programm von Timo Wopp immer auch ein Gesamtkunstwerk, satirisch gebrochen und überzeichnet, ständig an der Grenze zwischen Fettnäpfchen und political correctness und im Zweifel lieber zum ersteren als zum letzteren tendierend. „Homöopathisches Kabarett“ hat er das einmal genannt, Klischees bedienend, um sie so zu entlarven. Dabei ist es ihm wichtig, dass zunächst einmal über ihn gelacht wird. Und nicht über andere. „Ich mag es nicht, die Blödheit anderer zu benennen und mich dann darüber lustig zu machen“, gesteht er. „Ich muss mich immer fragen, ob ich auch Teil dessen bin, worüber gelacht wird, denn ich muss das ja ebenfalls ertragen können. Ich richte die Waffe der Satire daher in erster Linie auf mich selbst.“

Sonntag, 10.05.2020

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