Desimo - kultur 162 - Januar 2020

Die Magie des Algorithmus - Desimo zeigt die Manipulation im Alltag auf

von Thomas Kölsch

Der freie Wille ist die größte Illusion des Menschen. Jede Entscheidung basiert in gewisser Weise auf Manipulationen, sei es durch die Hormone oder durch gesellschaftlichen Druck, durch Werbung oder neuerdings durch Algorithmen. Ein kleiner Schubs in die richtige Richtung reicht oft schon aus, um jemanden zu beeinflussen – und je mehr Informationen über eine Person vorliegen, um so leichter ist es, sie zu lenken. Detlef Simon kennt sich mit den Techniken im Hintergrund bestens aus: Der Zauberkünstler, Moderator und Entertainer präsentiert als Desimo in seiner funkelnagelneuen Show Manipulation – die Gedanken sind frei ... zugänglich die faszinierende Macht des Geistes, der sich als so wunderbar biegsam erweist und dabei schnell in so manche Falle tappt.

„Ich interessiere mich schon seit einiger Zeit sehr für die Mentalmagie, die auf einer Mischung aus Hypnose, Suggestion und Neurolinguistischem Programming beruht“, erklärt Desimo im Interview mit der ­kultur. „Diese Mechanismen sind inzwischen im Alltag omnipräsent, etwa wenn uns personalisierte Angebote von Unternehmen und Geschäften erreichen. Daher wollte ich ein Programm machen, bei dem ich letztlich mit Hilfe von Beobachtungen und dezenten Signalen genau dasselbe mache wie ein Computer, nur dass es bei mir wie Zauberei wirkt.“ Als Inspiration hat dabei unter anderem der britische Mentalist Derren Brown fungiert, der in seinen Sendungen unter anderem Geschäftsleute so beeinflusst hat, dass sie am Ende eines zweiwöchigen Seminars zu einem bewaffneten Überfall bereit waren. In einem anderen Fall hat er sogar versucht, ob er Menschen zu Mördern machen kann. „Ich habe zwei Live-Shows von Brown gesehen und muss sagen, dass er schon ein exzellenter Manipulator ist“, sagt Desimo.
„Gleichzeitig löst er ja immer wieder seine Methoden auf und versucht, sein Publikum für derartige Beeinflussungen zu sensibilisieren. Das ist ja letztlich auch mein Ziel.“ Schon vor Jahren habe er eine Nummer des Briten adaptiert. „Brown hat einmal eine Frau dazu gebracht, ihre Hand in eine Kiste zu stecken und zu erfühlen, was sich darin befindet. Er hat ihr eingegeben, dass es sich um einen Handschuh handele, obwohl es eine Vogelspinne war. In Deutschland könnte ich so was mit einem Tier nie machen, also habe ich es mit einer Wasserflasche und einer Streichholzschachtel umgesetzt.“

Im Gegensatz zu Brown will Desimo seinem Publikum allerdings keine Angst machen, auch wenn er in seinem aktuellen Programm auch durchaus ernste Töne anschlägt. „In erster Linie möchte ich die Menschen unterhalten“, sagt er. „Wenn sich dann einige zu mir auf die Bühne trauen, dann muss ich sie auch positiv bestärken und ihnen ein schönes Erlebnis mit auf den Weg geben. Deshalb würde ich nie jemanden vorführen.“ Und nie den Weg mancher Gurus gehen, die über das Internet Selbstheilungskräfte anpreisen. „Ich habe mich damals der Mentalmagie zugewandt, weil es zu jener Zeit fast nur Mystiker und Scharlatane gab. Dem wollte ich etwas entgegensetzen. Außerdem suche ich immer nach einer Herausforderung. In jedes meiner Programme habe ich deshalb ein oder zwei Nummern eingebaut, an die ich mich vorher nie herangetraut hatte. Wenn ich dann bei der Premiere merke, dass diese besonderen Eckpfeiler funktionieren, ist das ein tolles Gefühl.“

Ohnehin hat Desimo schon immer gerne Neues ausprobiert. „Ich habe Mitte der 80er Jahre bei Radio ffn in Hannover ein Volontariat gemacht und parallel gezaubert.“ Und das überaus erfolgreich: Deutscher Meister in Allgemeiner Magie 1990 und – mit dem Trio Plebsbüttel – in Komischer Zauberkunst 1993 waren nur die ersten Erfolge. 1994 heimsten er und seine Kollegen sogar bei der Weltmeisterschaft der Zauberkunst in Yokohama den ersten Platz in der Kategorie „Comedy Magic“ ein. 25 Jahre ist das jetzt her. „Schon irre, was seitdem alles passiert ist“, erinnert sich Desimo, dem in diesem Jahr der Sonderpreis des Deutschen Kabarettpreises zugesprochen wurde. „Damit hätte ich nie gerechnet. Es ehrt mich natürlich, vor allem da ich ja selbst seit 17 Jahren in Hannover einen Club für Kleinkunst habe. Mir persönlich ist immer wichtig, dass eine Pointe auch einen Gedanken enthalten muss. Ein reiner Lacher ist für die heutige Zeit zu wenig.“ Und auch ein Zaubertrick muss bei Desimo ein bisschen mehr sein. Ein kleiner Denkanstoß zum Beispiel, ein Grübeln darüber, woher der 53-Jährige denn schon wieder so viel über einen weiß. Oder die großen Konzerne. Das Prinzip dahinter, so versichert ­Desimo, ist letztlich das gleiche.

Donnerstag, 23.01.2020

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