Der Postillon - kultur 157 - Juni 2019

Eigentlich müssten wir häufiger zitiert werden - Das Satire-Magazin „Der Postillon“ kommt mit einer Live-Show in die Oper Bonn

von Thomas Kölsch

In 90 Minuten lässt sich über vieles berichten. Auf der Welt passiert jeden Tag schließlich mehr als genug, um die „Tagesthemen“ dreimal zu füllen. Und im Gegensatz zu Caren Miosga und Ingo Zamperoni dürfen die „Postillon“-Moderatoren Thieß Neubert und Anne Rothäuser dies auch tun, wenn sie auf der Bühne sitzen und mit nüchternem Ton ihre Nachrichten verlesen. Fakten, Fakten, Fakten. Gespickt mit Pointen, Pointen, Pointen. Gnadenlos überzeichnet, mitunter um die Ecke gedacht, aber stets mit einem wahren Kern. Satire eben, wie man sie von dem populären Satire-Online-Magazin kennt, das sich erstmals in seiner (fiktiven) 174-jährigen Geschichte mit einer Live-Show an sein Publikum wendet. Im Rahmen von „Quatsch keine Oper“ kommt der „Postillon“ auch nach Bonn – und hat dabei neben der Unterhaltung auch eine ernste Mission.

„Satire zielt immer darauf ab, einen Nerv zu treffen“, erklärt „Postillon“-Autor Peer Gahmert im Interview mit der kultur. „Sie überspitzt und überzeichnet natürlich, hat aber einen wahren Kern.“ Und der kann durchaus ernst sein. Auch wenn es mal weh tut. „Flüchtlinge nehmen ­Babykatzen mit aufs Boot, damit man sie nicht ertrinken lässt“, schreibt der „Postillon“ etwa. Eine böse Schlagzeile. Aber eine, die den Finger in die Wunde legt. „Herzerfrischendes Gelächter wäre an dieser Stelle natürlich völlig fehl am Platze“, gesteht Gahmert. „Aber da muss der mündige Bürger durch. Man kann uns für derartige Aussprüche kritisieren, aber niemand kann uns vorwerfen, dass wir unsere Haltung verbergen würden.“ Über die macht der „Postillon“ schließlich keine Scherze. Ganz im Gegenteil. „Ich würde schon sagen, dass wir ein seriöses Nachrichtenmagazin mit einer beträchtlichen Reichweite sind“, sagt Gahmert. Wenn auch eines, das mit anderen Methoden und Stilmitteln arbeitet als „Der Spiegel“ oder „Die Zeit“. Das soll aber nicht bedeuten, dass etwa Redaktionskonferenzen auf die leichte Schulter genommen würden: „Die nehmen wir schon sehr ernst“, betont Gahmert. „Wir sitzen über die gesamte Republik verteilt, daher läuft vieles im Chat, aber wir arbeiten dabei sehr konzentriert, sprechen über aktuelle Themen, über das, was die Welt und die Menschen bewegt und was wir mit den Mitteln der Satire kommentieren müssen. Ich kann natürlich nicht für alle Redaktionsmitglieder sprechen, aber für mich kann ich sagen, dass ich bei den Konferenzen nur sehr selten wirklich lache.“

Seit 2008 sorgt der „Postillon“ so regelmäßig für Schlagzeilen, nicht zuletzt weil immer wieder Prominente die Meldungen des Magazins für bare Münze nehmen: Beatrix von Storch glaubte 2016 an die Einführung einer europäischen Nationalmannschaft, Erika Steinbach 2018 an die Meldung, dass ein Muslim wegen eines christlichen Kreuzes auf dem Etikett keinen Jägermeister mehr trinken wolle. „Es sagt viel darüber aus, wie heutzutage Medien konsumiert werden, wenn nach der Schlagzeile nicht mehr weitergelesen wird“, kommentiert Gahmert. „Grundsätzlich bin ich aber schon der Meinung, dass der 'Postillon' häufiger zitiert werden sollte.“ Dazu will die Live-Show ihren Beitrag leisten. „Wenn man vollständig informiert sein will, sollte man sich den Abend nicht entgehen lassen. Wir liefern natürlich ständig aktualisierte Kommentare und Beiträge, dazu Videoclips, Umfragen und Kurzmeldungen, so wie auch bei den 'Tagesthemen'. Unsere beiden Moderatoren haben das gottgegebene Talent, all das mit dem angemessenen Tonfall vorzutragen. Das Publikum kann darüber lachen oder sich empören, ganz wie es will.“ Und hoffentlich hinter die Satire blicken, um die mitunter erschreckende Wahrheit zu erkennen. Etwa was den Umgang vieler Menschen mit Katzenbabys angeht. Und mit Flüchtlingen. Wenn das gelingt, dann hat der „Postillon“ gewonnen.

Mittwoch, 04.09.2019

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