Ronja Räubertochter - Junges Theater - kultur 157 - Juni 2019

Ronja Räubertochter
Foto: Junges Theater Bonn
Ronja Räubertochter
Foto: Junges Theater Bonn

Frieden durch Kinder-Freundschaft

Es hat ordentlich gekracht in der stürmischen Gewitternacht, als Ronja zur Welt kam. Und ein Blitz hat die Mattisburg in zwei Teile gespalten, was die Mattisfamilie aber nicht weiter störte, bis zwölf Jahre später der Räuber Borka mit seiner Bande in den anderen Teil der Burg zog. Genug Platz ist da, aber die beiden Räubersippen pflegen seit langem eine innige Feindschaft und bekämpfen sich gegenseitig, wann immer sich die Gelegenheit bietet. Ronja und der gleichaltrige Borkasohn Birk haben dafür wenig Verständnis und erkunden lieber zusammen den Wald mit seinen geheimnisvollen Bewohnern.
Regisseur Bernard ­Niemeyer setzt in seiner neuen Inszenierung von Astrid Lindgrens beliebtem Kinderroman Ronja Räubertochter trotz allerhand sprachlicher Ruppigkeiten (Räuber reden halt gern Klartext) auf die märchenhafte Poesie der Geschichte. In der Rolle des Glatzen-Peer erzählt JTB-Urgestein Giselheid Hoensch mit leichtem Augenzwinkern die aufregenden, oft auch komischen Ereignisse, die schließlich zur Versöhnung der beiden Familien führen. Es ist die Geschichte einer ganz zarten, reinen Freundschaft, die alle bösen Geister überwindet. Bühnenbildner Stefan A. Schulz hat dafür einen eher abstrakten Zauberwald aus riesigen Baumstämmen geschaffen, zwischen denen immer wieder Grau­gnome, Rumpelwichte und Wilddruden auftauchen. Mal munter tänzelnd, mal auch ein wenig bedrohlich, stets wunderbar fantasievoll verkleidet von Kostümbildnerin Brigitte Winter. Bei den Geistererscheinungen ist fast das ganze Erwachsenen-Ensemble im Einsatz. Bis auf Oliver Kastner, der schon als Räuber Hotzenplotz die JTB-Bühne rockte und jetzt mit Vollbart und wilder Mähne den väterlichen Räuberhauptmann Mattis verkörpert.
Echt stolz ist er auf sein prächtiges Töchterchen Ronja. Die quirlige Lotta Lurch (Jahrgang 2006, alternierend mit der gleichaltrigen Lena Appel) spielt das mutige, eigenwillige Mädchen einfach hinreißend. Sie ist kein argloser Trotzkopf, sondern eine neugierige Erforscherin fremder Gestalten und Gefühle. Spontan, aber ganz selbstbewusst springt sie über den gefährlichen Höllenschlund – hier ein neongrüner Leuchtstreifen als Relikt des nächtlichen Blitzes – auf die Borkaseite, nachdem Birk von den Mattisräubern gefangen genommen wurde. Aurel Bender (alternierend mit Linus Moog) spielt höchst sympathisch den liebenswerten Jungen, der sich plötzlich auch der Verantwortung bewusst wird, die das Leben im Wald nach der gemeinsamen Flucht mit sich bringt. Zumal es nach einem glücklichen Sommer langsam kalt wird im Höhlenzelt und die kichernden Wichte alle Vorräte geklaut haben. Da kann’s im Liebesnest der kleinen Ausreißer auch schon mal krachen: Die Freiheit ist eben kein pures Zuckerschlecken, wenn die Sonne immer früher untergeht. Irgendwann ist die Zeit also reif für die Sehnsucht nach Geborgenheit.
Olja Artes, seit kurzem fest am JTB engagiert, spielt Ronjas Mutter Lovis als sehr kluge Frau, die Mann und Kind genau versteht. Lukas David Maurer gibt den Borka als frechen Punk-Typen. Andrea Brunetti als seine tapfere Gattin Undis lässt sich von den Jungs nichts gefallen. Daniel Coninx glänzt als Pelle mit einer aparten Dialektmischung. Sandra Kernenbach überzeugt als braver Klein-Klipp. Papa Mattis (nicht ganz dem Helden­ideal eines Robin Hood entsprechend) holt sein Kind nach Haus und gewinnt damit viel mehr. Nämlich Birk und das Vertrauen des Borkaclans.
Noch ein kleiner Freundschaftskampf unter Männern, dann ist Mattis Häuptling beider Stämme. Bis deren Sprösslinge ihr Erbe übernehmen und sich endgültig von der Räuberei verabschieden. Fast zu schön, um wahr zu sein, aber auf der sensiblen Klangspur mit ätherischen Geisterstimmen, komponiert und arrangiert von Christian Steinborn, ein ungetrübtes Vergnügen. Romeo und Julia müssen nicht sterben, um mit ihrer fabelhaften kindlichen Freundschaft den Frieden zu schaffen, für den sich das Erwachsenwerden lohnt.
Begeisterter Premierenbeifall. E.E.-K.


Spieldauer ca. 2 Stunden inkl. Pause
Die nächsten Vorstellungen: 9.-11.06. // 16.06. // 23.06.
Empfohlen für Publikum ab 6 Jahren.

Donnerstag, 29.08.2019

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