Prix Pantheon 2019 - Comedy- und Satire-Preis im Pantheon, 2.-3.04.2019 - kultur 156 - Mai 2019

Prix Pantheon 2019: Preisträger und Moderator
Foto: Harald Kirsch
Prix Pantheon 2019: Preisträger und Moderator
Foto: Harald Kirsch

Die Gewinner sind ... TV-geeignet?

In diesem Jahr feierte eine Institution der Kleinkunstszene ihr 25. Jubiläum: Der Prix Pantheon! Anfang April fanden die German Spaß und-Satire-Open im Pantheon Theater in Beuel statt – mit TV-Aufzeichnung durch den WDR. Tobias Mann, Gewinner des Prix-Pantheon-Publikumspreises im Jahr 2008, schaffte als Moderator mit munterer Gelassenheit und gut gesetzten Pointen den Spagat, den aufgeregten Nachwuchskünstlern, dem Publikum und den Anforderungen des WDR gerecht zu werden. Er betonte, dass angesichts des Trends, die gute alte Zeit zu idealisieren, dringend frische neue Satire nötig sei – und es daher ein Glück sei, „zehn fangfrische Humorhechte“ beim Prix Pantheon aufbieten zu können. Eigentlich waren es in diesem Jahr sogar elf – neun Einzelkandidaten und das Duo Reis Against The Spülmachine.
Am ersten Wettkampftag stellten sich alle Kandidaten in knapp zehnminütigen Auftritten vor. Anschließend bestimmte das Publikum per geheimer Abstimmung seine zwei Favoriten, weitere drei wurden von der fünfköpfigen Jury unter der Leitung von Susanne Pätzold in die Finalrunde befördert. Bei nur einem Auftritt blieb es für
- den Stand-Up-Comedian David Kebekus (*1984 in Bergisch Gladbach), der dafür plädierte, jenseits der „Schallmauer 30. Geburtstag“ zu entspannen und eine neue To-do-Liste fürs Leben aufzustellen, auf der sich Punkte wie „nie wieder bei einem Umzug helfen“ befinden,
- für den afghanisch-deutschen Rapper, Literaturwissenschaftler und Poetry-Slammer Suleiman Masomi (*1979 in Kabul), der leicht verbittert von seiner Stellung als „Poet gefangen im Körper eines Kanaken" sprach, gefolgt von seinem genialen Text „Der Rat der Sprache“ , in dem alle Elemente der Grammatik als Personen auftreten,
- die Heidelberger Sängerin und Pianistin Anna Piechotta, u. a. mit einem Liebeslied für „Eckard aus der ersten Reihe“,
- die NRW-U20-Poetry-Slam-Meisterin Ella Anschein (*1996 in Bonn), deren Pointen in einem Max-Giesinger-Bashing und einem Statement zum Thema Impfgegner nicht so recht zu zünden vermochten, und
- das norddeutsche Liedermacher-Duo Reis Against The Spülmachine (Hanke Blendermann und Philipp Kasburg) mit ihrer originellen, mit Gitarrenbegleitung gesungenen Kampagne „Ein Herz für die Nudeln“.
In die zweite Wettkampfrunde gelangten
- der österreichische Jung-Kabarettist Christoph Fritz, der mit seinen Problemen aufgrund seines sehr jungenhaften Aussehens („wie ein elfjähriger Ministrant“) kokettierte und für Lacher sorgte mit seinem Eingeständnis, einen lebenslangen Vorrat von 750 Duschgel-Flaschen gekauft zu haben – bei dessen Aufbrauchen die Vergänglichkeit so unangenehm spürbar sei, dass er ihn doch immer wieder aufstocke.
- die Singer-Songwriterin Miss Allie, die von ihrem Leben in Lüneburg im Kampf gegen den weiblichen Niedlichkeitsfaktor berichtete. Eine kleine Person mit großer Stimme!
- Martin Frank (*1992 in Hutthurm), der mit charmantem bayerischen Dialekt Einblicke auf die Geschehnisse auf dem elterlichen Bauernhof mit Hotelbetrieb gab – wo z. B. eine Händel-Arie auf ein totes Huhn gesungen wurde („Oa Hendl is verreckt“ – mit Opernstimme vorgetragen!). Trocken konstatierte er seine Meinung zur „Bachelor-Seuche“, kurz: „Wenn man als Depp studiert, bleibt man Depp.“
- Lennart Schilgen (*1988 in Berlin), der insbesondere mit seinem Song „Alles nicht mehr wichtig, seit wir uns begegnet sind" begeisterte, in dem es um den Verlust eines Kaugummipapiers mit einer Mädchentelefonnummer ging. Schräg schön und ein bisschen retro in Zeiten, in denen den meisten Menschen ihre Smartphones beinahe angewachsen sind. Ebenso gut punktete er am zweiten Tag mit seiner grotesk-sentimentalen Ballade eines Spanners.
- der aus Israel stammende und seit dem Jahr 2002 in Deutschland lebende Kabarettist Shahak Shapira (*1988). Frech-provokant berichtete er von seiner Einbürgerung als Deutscher und den Folgen. Vielleicht für das Votum des Publikums zu gewagt war sein Herunterspielen der Terrorgefahr in Deutschland. Er könne so manchem deutschen Dorfbewohner sagen: „Du hast nicht die Infrastruktur, um terrorisiert zu werden“.
Das Programm des zweiten Tages wurde durch Auftritte der Ehrengäste Torsten Sträter, Rainald Grebe und Dieter Wischmeyer garniert, wobei insbesondere Sträters Erzählung, was passieren könne, wenn man seiner verstorbenen Mutter weiterhin SMS schreibe, für Begeisterung sorgte.
Um die Spannung noch ein wenig zu steigern, wurde zuerst der außerhalb des Wettbewerbs stehende Prix-Pantheon-Ehrenpreis Reif und Bekloppt verliehen:?Olli Dittrich (*1956 in Offenbach am Main) wurde nach einer Laudatio seines langjährigen TV-/Bühnenpartners Wigald Boning ausgezeichnet. Beide erinnerten anekdotenreich an ihre gemeinsame Zeit in den 1990er Jahren als Duo Die Doofen bei RTL Samstag Nacht. Schade, dass es keine kleine Revival-Einlage gab. Die Jury begründete die Auszeichnung mit Dittrichs wunderbarer Wandlungsfähigkeit und der Kombination aus Improvisationslust und Perfektionismus.
Schließlich war es soweit: Rainer Pause verkündete feierlich den Gewinner des Publikumspreises Beklatscht und Ausgebuht: Martin Frank!
Susanne Pätzold zeichnete den Gewinner des Jury-Preises Frühreif und Verdorben aus: Lennart Schilgen, der gezeigt habe, „wie leise man schreien und wie eindrucksvoll man flüstern kann“.
Bei aller Sympathie für die wohlverdienten Gewinner bleibt ein leichtes Bedauern über das Ausscheiden von Suleiman Masomi und Shahak Shapira. Es fällt auf, dass alle in diesem Jahr Nominierten recht „klassisch“ auftreten: Text pur oder mit Gitarren- oder Pianobegleitung. Keine extravaganten Bühnenfiguren oder Verkleidungen, kein Klamauk, kein Tanz, keine größeren Ensembles, keine ungewöhnlichen Instrumente, keine nennenswerten Requisiten. In den Vorjahren war der Querschnitt „bunter“. Ob die Nachwuchsgeneration ihren Worten nicht durch Show die Schau stehlen möchte? Oder war die Selektion durch die vom WDR geprägte Jury entscheidend, da sich „pur“ auftretende Künstler besser in den üblichen Comedy-TV-Formaten vermarkten lassen? Man könnte weiter sinnieren über den geringen Frauenanteil unter den Nominierten und die Tatsache, dass zwei Personen gewonnen haben, die in ihren Auftritten brennende gesamtgesellschaftliche Probleme umschifft haben. Aber lassen wir das. Ein Sonderlob verdient auf jeden Fall das schöne Lichtdesign mit vielen in unterschiedlichen Farben und Formationen strahlenden Moving Lights und dem Bühnenportal aus farbig changierenden Lichtsäulen, das jedem Auftritt einen individuellen Rahmen gab. In der WDR-Mediathek kann man sich die Wettkampftage 2018 und 2019 noch anschauen: https://www1.wdr.de/fernsehen/prix-pantheon/ J.S.

Montag, 26.08.2019

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