Oh wie schön ist Malta - Werkstatt - kultur 156 - Mai 2019

Oh wie schön ist Malta
Foto: Thilo Beu
Oh wie schön ist Malta
Foto: Thilo Beu

Reif für die Insel
Steuerhinterziehung, Geldwäsche, korrupte Machthaber, unglaubliche Netzwerke von Wirtschaft und Politik – klar doch. „Es gibt überall Gauner, wo man hinschaut. Die Lage ist ausweglos.“ Daran wird auch Simon Solbergs faktenreicher Recherche-Thriller nichts ändern. Oh wie schön ist Panama Malta ist trotz aller Bitterkeit ein höchst unterhaltsames Stück, das perfekt zum diesjährigen Schauspiel-Motto „Aufklärung“ passt.
Um Aufklärung skandalöser Machenschaften ging es der maltesischen Journalistin Daphne ­Caruana Galizia, die im Oktober 2017 durch eine Autobombe getötet wurde. Sie war einer Korruptionsaffäre auf der Spur, in die vermutlich auch der maltesische Ministerpräsident ­ver­wickelt war. Malta, der kleine Inselstaat im südlichen Mittelmeer, liegt in jeder Hinsicht strategisch günstig. Die westeuropäischen Finanzmetropolen Frankfurt und London (okay: momentan etwas unsicher) liegen nur wenige Flugstunden entfernt. Ideal für Privatjet-Besitzer, die für ihre Geschäfte gern mit der maltesischen Staatsbürgerschaft einen EU-Pass erwerben. Und zwar völlig legal, die Regierung wirbt öffentlich mit dem fairen Preis von rund 1,2 Millionen Euro. Der amortisiert sich schnell, denn Malta ist eine Steueroase, in der sich Gewinne leicht am Fiskus vorbeischieben lassen.
Von Briefkastenfirmen und Cum-Ex-Gewinnen bis zur kalabrischen Ndrangheta mit ihren kriminellen Müll- und Drogengeschäften: Alles ist drin in den Pappkartons, mit denen Hausregisseur Solberg die Werkstattbühne vollgestellt hat. Darin die „Panama Papers“, die im April 2016 ans Licht der Öffentlichkeit gelangten, nachdem ein anonymer Whistleblower die Daten des in Panama ansässigen Offshore-Dienstleisters Mossack-Fonseca 2015 einer deutschen Zeitung zugespielt hatte. Ein Jahr lang wertete das gemeinnützige „International Consortium of ­Investigative Journalists“, ein globales Netzwerk von Journalisten aus 70 Ländern, die Dokumente aus. Unfassbar Viele (darunter auch etliche deutsche Unternehmer, Sportler und Politiker) waren verwickelt in das System aus legaler Steuervermeidung und lukrativem Betrug.
Annika Schilling spielt famos die junge deutsche Journalistin Laura, die aus den irren Papiermengen (ihr Vorgänger wurde darüber anscheinend wahnsinnig) eine Story konstruieren soll. Ein Auftrag, den man nicht ablehnen kann, selbst wenn der Partner sich lieber seiner künstlerischen Kreativwerkstatt als dem kleinen gemeinsamen Sohn widmen möchte. In Malta trifft Laura ihre Kollegin Daphne (beeindruckend: Doris Dexl), die ebenso nüchtern wie unermüdlich ihre Nachforschungen betreibt. Auf der Bühne wird’s dagegen zunehmend chaotisch und damit auch so tragikomisch, dass es eigentlich schon egal ist, wieviel Nullen die Zahl der entgangenen Steuereinnahmen hat und welche prominenten Firmenlogos an die Pinnwand gepappt werden.
Die männlichen Darsteller wechseln ihre Rollen rasant. Klaus Zmorek mutiert vom Redaktionschef zum nicht mehr ganz nüchtern palavernden Jean-Claude Juncker und parodiert ­ u. a. witzig Wolfgang Schäuble, der immerhin im Bonner Königshof den Automatenkönig Gauselmann empfing, der seine in Deutschland verbotenen Online-Glücksspiele von Malta aus betreibt. Alois Reinhardt glänzt als überforderter Papa und als trickreicher Schweizer Banker. Gustav Schmidt mimt einen wendigen Finanzmakler ebenso energisch wie den Barrikadenkämpfer beim Hamburger G20-Gipfel 2017. Alle Klischees werden bedient bei diesem auf Hochtempo laufenden Krimi aus der weder neuen noch schönen Welt der finanziellen Transaktionen. Das Üble daran: Die Realität übertrifft all unsere amoralischen Fantasien.
Es gibt einen mit Blumen geschmückten Sarg für die Frau, die der wie geschmiert laufenden Komödie der gierigen Profiteure tapfer ihre aufklärerische Energie entgegenstellte. Die Lage bleibt weiterhin ausweglos. Im Theater zumindest heiter zynisch mit dem gebotenen Impuls, nicht jede bare Münze für gutes Geld zu halten.
Nachdenklich vergnügter Beifall für das gesamte großartige Uraufführungsteam. E.E.-K.

Spieldauer ca. 1 ½ Stunden, keine Pause
Die nächsten Vorstellungen: 7.05. // 26.05.19

Montag, 26.08.2019

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