Frühstück bei Monsieur Henri - Kleines Theater Bad Godesberg - kultur 150 - November 2018

Frühstück bei Monsieur Henri
Foto: Kleines Theater Bonn
Frühstück bei Monsieur Henri
Foto: Kleines Theater Bonn

Sensible Zwischentöne

Der grantige alte Witwer hat überhaupt keine Lust auf eine junge Mitnutzerin seiner angestammten geräumigen Pariser Wohnung. Weil Henri inzwischen ein bisschen gebrechlich ist, hatte sein Sohn Paul („Mein Sohn ist ein Idiot“) die Idee, ein Zimmer an eine Studentin zu vermieten. Sie soll sich nebenbei um den Alten kümmern. So schneit Constance, die – anders als ihr Name es vermuten lässt – eher flatterhaft und unordentlich ist, in den Salon, den Bühnenbildnerin Anita Rask-Nielsen mit Ess­tisch, Stühlen, Bücherwand und Klavier möbliert hat. Dort prallen zwei Lebensweisen aufeinander: Henri, der am Ende eines langen Lebens steht, und Constance, die gerade anfängt und noch keine rechte Vorstellung von der Zukunft hat.
Aus der erfolgreich mit dem Kino-Star Claude Brasseur 2015 verfilmten Komödie (als Theaterstück 2012 in Paris uraufgeführt) des Franzosen Ivan Calbérac macht Intendant Walter Ullrich in seiner letzten Inszenierung am Kleinen Theater Bad Godesberg eine fulminante Liebeserklärung an die Bühnenkunst. Er spielt selbst den ruppigen Patriarchen Henri, der für seine Familie immer schön herzlose Sprüche parat hat („Immer noch nicht tot, tut mir leid“), aber seine Leute eigentlich zutiefst mag. Eva Wiedemann spielt hinreißend das Mädchen aus der tiefsten Provinz, das sich nicht nur an Henris Klavier vergreift, sondern auch noch seine Schildkröte mag und in seinen Pantoffeln rumschlurft.
Außerdem hasst Henri seine Schwiegertochter Valérie und bietet ­Constance einen moralisch heiklen Deal an: Sie soll gegen vorläufig ­kostenloses Wohnrecht den drögen Paul zur Trennung von seiner Gattin bewegen. Ein Komödienstoff also, der hier durch die ungemein feinen Charakterstudien überzeugt. Allen voran Prinzipal Walter Ullrich, der mit minimalen schauspielerischen Mitteln den einsamen Misanthropen zeichnet. Den Tod seiner Frau hat Henri nie verwunden, schwankt zwischen Melancholie, Altersstarrsinn und listiger Bosheit. Ab und zu huscht ein Lächeln über sein Gesicht, wenn ihm wieder mal eine freche Pointe gelungen ist. Ganz leise ­entwi­ckelt er großväterliche Gefühle für die junge Frau, die von einem Musikstudium träumt, aber regelmäßig die Prüfungen nicht schafft.
Eva Wiedemann spielt Constance, mal mit unbekümmerter Munterkeit und Koketterie, dann aber doch voller Selbstzweifel und Zukunftsängste. Verführerisch gekleidet ­(Kostüme: Sylvia Rüger) kommt sie dem von Henri gesteckten Ziel schon ziemlich nahe. Wolf-Guido Grasenicks Paul verwandelt sich vom naiven Ehetrottel zu einem selbstbewuss­ten Mann mit Prinzipien. Auch Isabella Nagy als anfangs reichlich verklemmte Valérie ­entwi­ckelt sich von der humorlosen Witzfigur zu einer attraktiven Frau und zukünftigen Mutter.
Am Ende ist Ullrichs Henri nur noch als Stimme präsent. Der Schluss rührt dann bei aller unsentimentalen Spielweise fast zu Tränen. Es war Ullrichs letzte Premiere als Regisseur und Schauspieler am Kleinen Theater Bad Godesberg. Vom Publikum mit großem Beifall für das exzellente Darsteller-Quartett bedacht.

Wer das Frühstück bei Monsieur Henri in Bad Godesberg verpasst hat (die letzte Vorstellung war am 22.10.), bekommt eine letzte Gelegenheit im Mai 2019 am Schlosstheater Neuwied. E.E.-K.

Spieldauer ca. 2 Stunden, inkl. Pause

Montag, 21.01.2019

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