Die Feuerzangenbowle - Kleines Theater Bad Godesberg - kultur 149 - Oktober 2018

Die Feuerzangenbowle
Foto: Kleines Theater Bonn
Die Feuerzangenbowle
Foto: Kleines Theater Bonn

Quietschlebendiges Schulmuseum

Der Stoff ist einfach unwiderstehlich. Weniger das titelgebende hochprozentige Getränk als die heimliche Sehnsucht nach der guten alten Zeit lange vor Pisa und Lehrkräften im Multitasking-Stress. Also Penne, Pauker, Oberprimaner – und das in Zeiten, in denen Fack ju Göhte die Kinos füllt und heiße Diskussionen über G8 oder G9 geführt wurden. Mit der Institution Schule hat jeder so seine Erfahrungen und verklärt oder verteufelt die eigenen Erlebnisse gern. Nur der erfolgreiche junge Schriftsteller Dr. Johannes Pfeiffer (wie jeder weiß: mit drei f) ist in dieser Hinsicht ein unbeschriebenes Blatt und braucht folglich Nachhilfe in Klassenzimmer-Erziehung, die um 1900, als Lehrer noch Professoren genannt wurden, liebenswürdige Originale waren, Fachkompetenz durch Autorität ersetzten und gymnasiale Bildung hoffnungsvollen Knaben vorbehalten war.
Die 1944 uraufgeführte Verfilmung des gut ein Jahrzehnt zuvor erschienenen humoristischen Romans Die Feuerzangenbowle von Heinrich Spoerl mit Heinz Rühmann in der Hauptrolle war schon damals ein nostalgischer Ausflug ins ungetrübte Glück höherer Lehranstalten. Heiteres Kino angesichts des kriegsbedingten Lehrermangels und letzter Kanonenfutter-Reserven. Dennoch blieb die „Feuerzangenbowle“ bis heute ein Dauerbrenner, was vor allem an ihrem witzigen dramatischen Rezept und der listigen Kritik am repressiven Konzept von Wissensvermittlung liegt.
Im Kleinen Theater spielt ein munteres großes Ensemble in der Regie von Jan Bodinus einfach ohne alle abgründigen politischen Verrenkungen eine animierte Komödie mit dem klassischen Spiel im Spiel. In der Ausstattung von Christian Baumgärtel – sehenswert: die perspektivisch verschobenen Kulissen und die historischen Kostüme – funktioniert das exzellent. Nachdem eine per Feuerzangenbowle hinreichend beflügelte Altherrenrunde den Pfeiffer als pfiffigen Lausbuben einem Kleinstadt-Gymnasium untergejubelt hat, nimmt der Spaß seinen turbulenten Lauf. Buchstäblich haarsträubend für Direktor Knauer (genannt Zeus und glänzend verkörpert von Peter Nüesch). Professor Crey (genannt Schnauz, perfekt gespielt von Manfred Molitorisz) schnarrt sein „Sätzen Sä säch, Sä sänd albern“ mit solch lächerlich harter Haltung in die Runde, dass kein Auge trocken bleibt. Der grundsympathische Physikprofessor Bömmel (hinreißend: Helmut Büchel) braucht dagegen nur eine legendäre Dampfmaschine und ein rheinisch-herzhaftes „Stelle mer uns mal janz dumm“.
An der Seite dieses Trios aus der schwärzesten Pädagogik ist das helle Schülerquintett gut beschäftigt. Die hochbegabten Nachwuchsschauspieler Leo Kamphausen, Simon Greichgauer, Michael Mayer, Nicolas Folz und Justin Benedikt Dörpinghaus liefern bestechende Figurenstudien vom ehrgeizigen Streber (Schillers heilige Johanna wird zur grotesken Feuerprobe) bis zum Mobbingopfer. Der hervorragende Tino Leo als Pfeiffer braucht ja nur zu spielen, um die süße blonde Musiklehrerin Eva (entzückend: Michelle Wiesemes) zu erobern. Schwarm aller pubertierenden Zöglinge und aufgewecktes Töchterchen des Schulleiters, der angesichts der Einkommensteuererklärung seines prominenten potenziellen Schwiegersohns über alle Schulstreiche gnädig hinwegsieht. Für Getränkenachschub in Pfeiffers Logis sorgt ansonsten Frau Windscheid (Carole Schmitt), sofern nicht Schnauz seinen selbstgebrauten Heidelbeerwein kredenzt und die Jungs verbotenen Jazz tanzen lässt. Köstlich wie die ganze Aufführung, mit der das Kleine Theater zum Auftakt seines letzten Saison-Menüs unter der Intendanz von Walter Ullrich ein fein gewürztes Amuse-Gueule serviert hat. E.E.-K.

Spieldauer ca. 2½ Stunden, inkl. Pause
Die Letzte Vorstellung war am 21.09.18
Ein Tipp:
Vom 2.-23.10. läuft diese Inszenierung im Schlosstheater Neuwied.

Donnerstag, 17.01.2019

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