Leonard Bernad - kultur 146 - Mai 2018

Leonard Benard in "Madama Butterfly", Theater Bonn
Foto: Thilo Beu
Leonard Benard in "Madama Butterfly", Theater Bonn
Foto: Thilo Beu

Elisabeth Einecke-Klövekorn trifft Leonard Bernad - Figaro, Loredano und Timur

Der junge Sänger kommt gerade von einer Probe zu I due Foscari. Verdis frühe Oper hat am 6. Mai in der Regie von Philipp Kochheim Premiere. Leonard Bernad singt den rachsüchtigen Jacopo Lore­dano, der die Familie des alten Dogen Foscari zerstört. „I am the bad guy“, sagt er, der im Gespräch das Englische bevorzugt, obwohl er die deutsche Sprache recht gut beherrscht. „Verdi hat für Loredano zwar keine große Arie komponiert, aber die Partie ist musikalisch ungemein reizvoll und charakterlich wirklich interessant. Aktuell singe ich am liebsten Figuren, die nicht wesentlich älter sind als ich. Selbstverständlich trotzdem sehr gern den Sarastro, der in der 20 Jahre alten Bonner Inszenierung eine tiefe, irgendwie zeitlose Glaubwürdigkeit ausstrahlt.“
Leonard Bernad, seit der Spielzeit 2016/17 festes Ensemble-Mitglied an der Oper Bonn, kam vor 30 Jahren in der Kleinstadt Slanic-Moldova im Osten Rumäniens zur Welt. „Meine Mutter wollte unbedingt, dass ich Klavierspielen lernte. Ich hatte aber keine Lust zum Üben und nervte sie mit furchtbar schlechten Pop-Songs, die ich in TV-Shows aufgeschnappt hatte. Dabei merkte sie, dass ich zumindest singen konnte und Rhythmus hatte. Ich bekam Gesangsstunden und mit 15 dann auch theoretischen Unterricht und systematische Stimmbildung. Wirklich überzeugt war ich aber immer noch nicht.“
In Bukarest begann er zunächst ein Studium der Philosophie und Politikwissenschaft. „Vor dem Hintergrund habe ich mich nun auch beschäftigt mit der Verfassung der Republik Venedig und der Funktion des Zehnerrats, dem Loredano ja angehört.“ Auf Anraten von Kollegen studierte er dann doch Gesang an der Nationalen Musikuniversität Bukarest. Während der Ausbildung sang er in diversen Hochschul-Aufführungen und debütierte nach seinem Studienabschluss an der Nationaloper Bukarest als Cancian in Wolf-Ferraris komischer Oper I quattro rusteghi, die auch in Venedig spielt.
Wirklich entscheidend war dann 2011 seine Aufnahme ins hoch begehrte Stipendienprogramm am Centre de Perfeccionament Plácido Domingo am Palau de les Arts Reina Sofia in Valencia. Domingo, der übrigens großen Anteil an der Wiederbelebung von Verdis I due Foscari hat und in den letzten Jahren als alter Doge u.a. an der Mailänder Scala und bei den Salzburger Festspielen Triumphe feierte, schuf diese Einrichtung zur Förderung junger Operntalente. Bernad schwärmt von der fabelhaften Architektur und Akustik des modernen Opernhauses in Valencia, wo er u.a. schon den Bartolo in Le nozze di Figaro verkörperte, den er nun auch einige Male in der herrlich witzigen Bonner Inszenierung von Aron Stiehl singt. Unter der musikalischen Leitung von Domingo spielte er 2011 in Valencia den Polizeihauptmann in Gian Carlo Menottis 1937 uraufgeführter komischer Oper Amelia al ballo.
Im Sommer 2012 war er an der Seite von Edita Gruberova in einer konzertanten Aufführung von Bellinis La straniera in der Münchner Philharmonie am Gasteig al Montolino zu erleben und sang im Februar 2013 die Partie auch im Wiener Musikverein zum 45. Bühnenjubiläum der ‚Königin des Belcanto‘. „Ich bin ein Belcanto-Fan und verstehe mich derzeit als Basso cantabile“, sagt er. „Mehr als die Stimmlage interessiert mich jedoch der dramatische Charakter und bei der Story eher das ‚wie‘ als das ‚was‘. Beim Fidelio würde mich deshalb der Pizarro mehr interessieren als der Rocco. Aktuell liegt mir besonders das klassische italienische Fach. Verbunden mit großer Neugier auf den Beginn der Moderne am Anfang des 20. Jahrhunderts.“ Deshalb freut er sich auch schon auf die Wiederaufnahme von Turandot in der Inszenierung seines Landsmanns Silviu Purcarete, bei der er den Timur singen wird, dem Puccini einer seiner raren Bass-Arien gönnte.
In der Saison 2012/13 war Bernad Mitglied des Kölner Opernstudios und sang verschiedene Rollen an der Oper Köln, darunter in Puccinis Trittico unter der musikalischen Leitung von Will Humburg in Gianni Schicchi den Betto di Signa, den er in der semikonzertanten Aufführung unter der musikalischen Leitung von Jacques Lacombe Anfang 2018 auch in Bonn verkörperte. In Köln war er zudem u.a. bei der Premiere 2013 als 2. Senator in Schrekers Die Gezeichneten zu erleben.
Von 2013 bis 2015 war er dann Mitglied des hervorragenden Opernstudios an der Bayerischen Staatsoper München und stand dort in vielen kleineren Rollen auf der Bühne. „Es war eine sehr spannende Zeit, in der ich viele interessante Dirigenten und Regisseure kennenlernen durfte.“ In einer Produktion des Opernstudios von Martinus komischer Oper Mi­randolina in der Regie von Christian Stückl spielte er 2014 den Marchese di Forlimpopoli. „In pinkfarbenen Boxershorts! Ich bin kein nostalgischer Typ, aber am liebsten sind mir Regisseure, die nicht nur eine eigene Idee forcieren, sondern möglichst klar eine Geschichte erzählen und dafür sorgen, dass man sich als Sänger auf der Bühne wohlfühlt. In der Tannhäuser-Inszenierung von Calixto Bieito an der Vlaamse Opera musste ich eine halbe Stunde mit dem Kopf über dem Orchestergraben herumliegen, was ziemlich anstrengend war.“ Bernad sang bei seinem Wagner-Debüt den Biterolf.
In der Saison 2015/16 war er an der flämischen Oper mit Standorten in Antwerpen und Gent engagiert. „Die beiden Häuser haben zwar fast die gleiche Platzzahl, sind aber akustisch völlig unterschiedlich. Ich habe in dem Jahr 74 Aufführungen in sieben verschiedenen Produktionen gesungen und viel dabei gelernt. Zu seinen Highlights gehören der Astarotte in Rossinis Armida (Regie: Marianne Clément), der Ludovico in Verdis Otello (Regie: Michel Thalheimer), der Colline in La Bohème (Regie: Robert Carson) und besonders der Joe in Kurt Weills Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny (Regie wieder Calixto Bieito).
In Bonn gab er nach der Übernahme des Sarastro 2016/17 seinen Einstand als Komtur in Don Giovanni. In Attila hatte er einen spektakulären Auftritt als Papst Leo, sang in Peter Grimes den windigen Bürgermeister Swallow und bei der Wiederaufnahme von Tosca (Regie: Philipp Kochheim) den Angelotti. In der laufenden Saison folgten der Zuniga in Carmen, der Bartolo in Hochzeit des Figaro und bei der Wiederaufnahme von Madama Butterfly der Onkel Bonzo. Seine Traumrolle ist momentan natürlich Mozarts Figaro, den das Theater Bonn ihm in einigen Vorstellungen bereits anvertraut hat.
In der Stadt am Rhein fühlt Bernad sich sehr wohl: „Ich wohne nicht so gern in kalten Ländern und mag Orte am Wasser. Bonn hat eine reiche kulturelle Tradition. Man spürt, dass das Publikum hier seine Künstler mag. Toll finde ich die Ensemble-Arbeit. Es ist außerordentlich, wie hier das ganze kreative Team an Details arbeitet, um gemeinsam ein von allen akzeptiertes Produkt zu schaffen. That is in my mind the trademark of a high quality theater.” Klar ist auch: „Wie meine Stimme sich ent­wickelt, kann man jetzt noch nicht sagen. Irgendwann könnte ich mir jedoch einen Wotan vorstellen.“ Aktuell beschäftigt er sich jedoch schon mit dem mächtigen Venezianer Alvise in La Gioconda von Amilcare Ponchielli. Mit dieser Musiktheater-Rarität startet die Oper Bonn ins Jahr 2019. „Der Typ ist allerdings wieder so ein giftiger ‚bad guy‘ …“.

Dienstag, 15.01.2019

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