Henning Venske - kultur 145 - April 2018

Schluss mit lustig - Henning Venske verabschiedet sich vom politischen Kabarett

Henning Venske hat genug. 57 Jahre lang war er eine beständige Größe des deutschen Kabaretts, einer der letzten Mohikaner mit schneidendem Blick und scharfer Zunge – doch zumindest mit dem politischen Alltagsgeschehen will er in Zukunft nichts mehr zu tun haben. „Die Themen wiederholen sich, und das Personal ödet mich nur noch an“, gesteht er im Interview. „Ich habe keine Lust mehr, aus Figuren wie Martin Schulz den kabarettistischen Honig zu saugen. Mir fehlt dabei die Herausforderung. Sich über einen einfältigen Geist lustig zu machen, ist mir zu einfach.“ Also zieht Venske die einzig logische Konsequenz und geht auf Abschiedstour. Ein letztes Mal will er sich im Dienst des kleinen Mannes mit der Politprominenz und den Konzernbossen anlegen, will gegen Amts­inhaber und Würdenträger granteln, so wie er es schon immer gemacht hat. Jetzt, so sagt er, kommt die Schlussabrechnung. Und sein wirklich letztes Solo: Summa Summarum.

Dabei fällt es Kabarett-Kennern schwer, sich die Szene ohne Venske vorzustellen. Immerhin ist er ein Urgestein der deutschen Satire, der vor allem in den 70er Jahren aufgrund seiner mitunter radikalen Schärfe gerne mal von diversen Rundfunkanstalten mit Haus- und Sendeverboten belegt wurde und eine Zeit lang als „Deutschlands meistgefeuerter Satiriker“ galt. Den Mund hat er sich deshalb dennoch nicht verbieten lassen, war eben aus Überzeugung unbequem. Der damals wie heute gerne aufgegriffenen Einschätzung, er sei bitterböse, kann er dagegen nichts abgewinnen: „Ich bin weder bitter noch böse, sondern nüchtern und analytisch“, sagt er. „Aber ich lege eben immer meinen eigenen Maßstab von Dummheit an.“ Und der hat nicht immer allen gepasst. Wohl aber dem Ensemble der Münchner Lach- und Schießgesellschaft, der Venske von 1985 bis 1993 angehörte. „Das war eine schöne Zeit“, erinnert er sich. „Ich habe es immer genossen, mit anderen Menschen auf der Bühne zu stehen und dabei etwas zu lernen. Daher denke ich sehr gerne an meine Jahre am Schillertheater zurück, wo ich unter anderem mit Samuel Beckett arbeiten durfte – und eben an meine Erlebnisse mit der Lach und Schieß.“

25 Jahre lang hat er danach weitergemacht, gerne solistisch, noch lieber mit Kollegen. Mit Jochen Busse verbindet ihn seit Jahren eine enge Freundschaft, und auch mit Kai Magnus Sting war er zuletzt sowohl im Duo als auch im Rahmen von Krimi-Lesungen unterwegs. „Das hat mir wirklich sehr viel Freude bereitet“, bekennt er, „und auch wenn ich mich jetzt vom aktuellen politischen Kabarett zurückziehe, heißt das nicht, dass ich der Bühne den Rücken kehre. Es gibt bereits ein paar Projekte, über die ich Gespräche führe. Und ich könnte mir auch vorstellen, noch mal Theater zu spielen, wenn sich die richtige Rolle findet. Ich kann natürlich nicht zum Hamburger Schauspielhaus gehen und sagen, dass ich gerne den König Lear machen möchte. Aber es gibt durchaus Produktionen, die mich reizen würden.“ Bislang seien derartige Projekte häufig an Zeitmangel gescheitert, sagt er. „Aber das ändert sich ja jetzt. Was alleine der Jahresrückblick immer an Arbeit gekostet hat – zehn Zeitungen musste ich täglich durcharbeiten, dazu diverse Blogs, um mir dann wichtige Informationen zu notieren. Das fällt alles weg.“ Bei diesen Worten atmet Venske auf. Endlich wieder Zeit. „Ich werde es sicherlich genießen, zum Beispiel einige literarische Lücken schließen zu können.“

Eine Rückkehr auf die Kabarettbühne scheint somit ausgeschlossen. „Ja, auf jeden Fall. Ich spiele jetzt noch Summa Summarum, aber das steht ja schon und muss nur gelegentlich ein bisschen modernisiert werden. Aber ich sammle kein neues Material mehr.“ Bleibt also nur noch die Bilanz. Und wie fällt die aus? Persönlich eigentlich ganz gut, gesteht Venske. „Wenn ich mir allerdings so anschaue, was meine Generation alles in den Sand gesetzt hat, bleibt leider politisch nicht allzu viel übrig.“ Das klingt dann doch ein bisschen bitter. „Man könnte tatsächlich an der Welt verzweifeln. Aber das habe ich bei aller Kritik an ihr nie getan, und damit fange ich auch jetzt nicht an. Vielmehr versuche ich, zu einem versöhnlichen Schluss zu gelangen und mich freundlich zu verabschieden.“

Donnerstag, 06.12.2018

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