Die Pfarrhauskomödie - Kleines Theater Bad Godesberg - kultur 145 - April 2018

Die Pfarrhauskomödie
Foto: Kleines Theater Bonn
Die Pfarrhauskomödie
Foto: Kleines Theater Bonn

Das katholische Pfarrhaus ist immer noch ein beliebter Schauplatz für allerhand Intrigen.

„Um Himmels Willen“ heißt bekanntlich eine sehr beliebte TV-Soap. Das katholische Pfarrhaus ist immer noch ein beliebter Schauplatz für allerhand Intrigen. Der Schriftsteller Heinrich Lautensack gehört gewiss nicht zu den Großen der deutschen Literatur, hat aber gern den Leuten in die Suppe gespuckt und der Zensur Arbeit beschafft. „Dies ist nicht etwa ein Pfarrhaus, wie es in gewissen Romanen vorzukommen beliebt.“ Die Luft sei hier „ebenso dick wie in jedem anderen weltlicheren Hause, darin drei Menschen zusammenwohnen und hübsch animalisch aus- und einatmen.“ Lautensack schrieb das in den Szenenanweisungen zu seiner Pfarrhauskomödie, verfasst 1911 und uraufgeführt erst 1920 in Berlin. Der Kleinbürgerschreck Lautensack, Schüler von Frank Wedekind, erlebte den Erfolg seines Stückes, das bald von über 100 Bühnen nachgespielt wurde, nicht mehr. Er starb 1919 mit 37 Jahren in einer psychiatrischen Anstalt.
„Für den Regisseur also: keine Illusionen und nie und nirgends etwas Hinüberstilisiertes.“ Daran hält sich Andreas Lachnit in seiner Inszenierung genau. Keine überfällige Kritik am Zölibat oder Anspielungen auf sexuellen Missbrauch – die Figuren agieren mit wunderbar naiver Selbstverständlichkeit. Die Vögel zwitschern, die Kühe muhen, die Menschen folgen ihren natürlichen Trieben in dem kleinen bayerischen Dorf in der Nähe von Passau. Auch Hochwürden Achatius Achaz, dessen Köchin Ambrosia eine Weile das Pfarrhaus verlassen muss. Angeblich, weil ihre Mutter im Sterben liegt, tatsächlich weil sie ein Kind vom Pfarrer erwartet. Als Vertretung kommt die reizende Irma ins Haus und wird bald ebenfalls schwanger. Sehr wahrscheinlich vom Kooperator Vinzenz, dem jungen Kaplan. Aber auch der alte Pfarrer war bei ihr nicht nur seelsorgerisch tätig.
Wirklich abendfüllend ist Lautensacks Dorfposse nicht und sicher auch kein dramatisches Meisterwerk. Klug hinzugefügt hat die Regie einen Leierkastenmann, der im schönsten Bänkelsängerton die Geschichte kommentiert. Der Bonner Musiker Stephan Ohm (im Programmheft leider nicht genannt) hat die Lieder komponiert und getextet. Der Schauspieler Karl-Heinz Dickmann mit wirrer Zottelperücke und verschmitzter Ironie interpretiert sie vorzüglich. „Die Liebe ist gefährlich – doch alle machen mit.“ Naja, um Liebe geht es eher nicht, vielmehr um Triebe.
Als echtes Himmelsgeschenk erweist sich Lucia Schulz als junge, im feschen Dirndl höchst appetitlich erscheinende Irma. Das gewitzte Mädel bringt schon einige Betthupferl-Pfarrhaus-Erfahrungen mit. Wie sie den nicht übertrieben intelligenten und nur mäßig attraktiven Vinzenz rumkriegt, ist ein sehenswertes Kunststück. Auch wenn es ein paar Maß Bier bis zum Glück in der Schlafkammer braucht. Ralf Baurmann spielt den treuherzigen Hilfsgeistlichen mit Halbglatze und seligem Blick. Mit etwas Mühe lässt er seine Soutane fallen über dem züchtigen weißen Feinripp und verwechselt irgendwann Jacke und Hose. Keine Sorge übrigens: Die Aufführung ist vollkommen jugendfrei. Auf der Einheitsbühne von Ausstatterin Anita Rask-Nielsen zieht man kaum mehr als die Schuhe aus und beichtet tapfer alle Sünden wider das Keuschheitsgebot. Der liebe Gott wird sicher ein Auge zudrücken und möglicherweise sogar heimlich Spaß haben an seinen produktiven Kreaturen.
Heiko Haynert gibt den katholisch sinnenfreudigen Kirchenmann Achaz, dessen Verhältnis zu der tüchtigen Ambrosia wohl eher vom Magen als vom Herzen herrührt. Cécile Kott als wuchtige Frau an seiner Seite verteidigt umso herzhafter ihren angestammten Platz gegen die junge Nebenbuhlerin. Ambrosia und ihr Achatius erscheinen da wie ein kleinbürgerliches altes Ehepaar.
Das zieht sich mit amüsanten szenischen Wiederholungen und Slapstick-Momenten ein bisschen hin. Das Schöne dabei: Keine Figur wird in dem leichtfüßigen Spiel denunziert. Sie sind ehrlich gewissenhafte Leute, die schlicht ihren natürlichen Bedürfnissen folgen. Der Biss, der einst für Aufregung sorgte, ist freilich kaum noch wahrnehmbar. Zu erleben ist jedoch ein hübscher alter Schwank mit einem famosen Ensemble. Über die sehr irdischen Gefühle, die auch Menschen im Dienst des Höchsten heimsuchen. Freundlicher Premierenbeifall. E.E.-K.

Spieldauer ca. 2 Stunden inkl. Pause
Die letzten Vorstellungen:
täglich bis zum 29.03.18 // 2.04. // 6.-8.04.18

Donnerstag, 06.12.2018

Zurück

Merkliste

Veranstaltung

Momentan befinden sich keine Einträge in Ihrer Merkliste.


Letzte Aktualisierung: 19.04.2024 18:01 Uhr     © 2024 Theatergemeinde BONN | Bonner Talweg 10 | 53113 Bonn